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In der Wartezone

Dienstagnachmittag, kurz vor drei. Ich stehe am Haupttor einer Firma mit selbsternannten Weltruf, irgendwo in Mittelhessen. Der Pförtner erklärt mir in seiner überschäumenden Art, dass ich meine Ware in einer anderen Niederlassung entladen lassen soll. Das hätte man Ihm so mitgeteilt und er würde keine Widerrede dulden. Eigentlich hatte ich das auch nicht vor.
Er erklärt mir den Weg. Es sollten gerade einmal 25 Kilometer sein und man würde mich natürlich noch abladen. Das wäre überhaupt kein Problem.

Dreisig Minuten später meldete ich mich in der dortigen Warenannahme. Es waren wirklich kaum mehr als zwanzig Kilometer. Nur wußte dort keiner etwas von meiner Ankunft und so behandelte man mich auch. In arroganter Art erklärte man mir, dass meine Ladung dort ebenfalls unerwünscht ist und schickte mich in ein anderes Lager. Dieses lag atemberaubende 300 Meter unterhalb der Zweigstelle dieses weltbekannten Kombinats.

Dort angekommen erwartete mich eine wohlbekannte Antwort: „Heute nicht mehr. Aber morgen früh ab sechs Uhr kannst Du hier entladen!“ Ich verabschiedete mich freundlich und suchte mir einen Standplatz für die Nacht.

Mittwochmorgen, 5.15 Uhr. Der Wecker reist mich aus dem Tiefschlaf. Nach einer kurzen Morgenhygiene am 10 – Liter Wasserkunstoffkanister begebe ich mich wieder zum Aussenlager. Dort ist es stockdunkel. Während ich zentimeterweise rückwärts an eine freie Rampe fahre, erleuchten schräg vor mir auf dem Gelände der bereits erwähnten Wagenburg zwei grelle Halogenschweinwerfer. Nun sehe ich überhaupt nichts mehr. Ich steige mehrmals aus, um die Lage hinter dem Auflieger zu peilen. Kurz vor sechs stehe ich schließlich halbwegs gerade an meiner anvisierten Rampe.

Nun passierte nichts mehr. Es wurde um sechs, viertel sieben, halb sieben. Ich stieg aus, drehte eine halbe Runde um den Zweckbau. Durch eine angelehnte Tür gelangte ich in das innere und erspähte den Mitarbeiter, dem ich das frühe Aufstehen zu verdanken hatte.
Ich habe Dich schon gesehen„, rief er mir entgegen, noch bevor ich etwas sagen konnte. „Die Nachtschicht hat aber Chaos hinterlassen, dass muß ich erst aufräumen!“ Ich nickte nur mit dem Kopf und ging wieder durch die morgendliche Kälte zum Lkw.

Mittlerweile war es kurz nach sieben. Das Rolltor der Rampe öffnete sich, kurz darauf hörte ich lautes Fluchen. „Was ist los„, rief ich fragend nach hinten. Eine Antwort bekam ich nicht. Langsam ging ich nach hinten.
Der Lagerarbeiter schaute sich kopfschüttelnd die Ladung an. „Sind das alles Retouren„, fragte er. „Ah ja„, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Alles Retouren!
Nun begann er abzuladen – immer darauf bedacht, nicht noch mehr Schäden an der Ware zu verursachen. Nach knapp zehn Minuten hatte er drei Paletten abgeladen. Kurz darauf war er wieder verschwunden. Da es mir zu dumm war, wieder zum Lkw zu gehen und ich die Hoffnung hegte, durch meine Anwesenheit das ganze etwas zu beschleunigen, wartete ich im Lager. Und wartete. Und wartete.

Mittlerweile waren weitere Mitarbeiter am schaffen. Zumindest hörte ich aus verschiedenen Ecken verdächtige Geräusche. Aber keines galt mir.
Irgendwann – ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren – holte mich eine Stimme zurück in die Gegenwart: „Ich weiss. Das hier ist ärgerlich. Aber mir wurde gesagt, ich soll nur abladen, wenn ich ein wenig Zeit habe. Andere Arbeit geht vor!“ Ausser ein „Achso“ viel mir nichts ein, was ich darauf entgegnen sollte.

Gegen halb zehn war der Auflieger leer. Bei den Lieferscheinen reichte mir eine Unterschrift. Ich hatte bedenken, dass meine Frage nach einem Stempel der Tag vorrüber gewesen wäre.

7 Comments

  1. actro
    actro 13/04/2011

    Hehe,,Arme Sau..Solche Buden kenne ich zur Genüge. Da freut man sich, dass es bei den Dosen Standgeld gibt. 😉

  2. Florian
    Florian 14/04/2011

    Respekt für deine ausdauernde Geduld. Da gibt es auch ganz andere Zeitgenossen 🙂

  3. Hajo
    Hajo 14/04/2011

    da fällt einem wirklich nur eines ein:
    achso!
    Logistik hat doch nichts mit Logik zu tun 😉
    wieso erinnert mich das Ganze an Asterix und Obelix (in einem Finanzamt einer südeuropäischen Metropole)?
    Herzliche Grüße, gute Fahrt und vielleicht beim nächsten Kunden etwas mehr Verständnis und Freundlichkeit
    Hajo

  4. scp
    scp 14/04/2011

    Mich würde da mal interessieren, wie sieht es aufgrund solcher Fälle mit der Planung aus? Ich nehme mal an Eure Spedition plant ziemlich eng den Zeitplan. Wenn ich also einen LKW mit Abladung am Dienstag einplane (und ihn darauf wieder auf die Strecke schicken kann), der dann aber aufgrund von Dilettanten erst am nächsten Mittag abladen kann, geht doch die ganze Planung flöten. Folge: weiterer Zeitdruck, mögl. Tempoüberschreitungen, Unfälle usw.
    Oder sind solche Dinge mit berücksichtigt? Gibt es Seiten des Empfängers eigentlich keinen Ansprechpartner, der für die zu empfangende Ware zuständig ist (ein Besteller bspws.)?

  5. maik
    maik 14/04/2011

    Ich bin gleich in Österreich. Am Samstag schreibe ich was dazu.

  6. Plumtree
    Plumtree 14/04/2011

    Ob ich während der ganzen Zeit so geduldig gebleiben wäre – vermutlich eher nicht. Selnst wenn es Arbeitszeit ist.
    Aber mal eine andere Frage. Wenn Du dort am frühen Abend ankommst, noch auf den Hof gelassen wirst, aber die Firma entscheidet: Entladen geht nicht mehr.
    Darfst Du dann wenigstens dort auf dem Gelände übernachten oder musst (oder willst Du) Du Dir dann immer einen Standplatz in der Nähe suchen?

    Irgendwie denke ich immer ganz naiv, dass Firmen, die häufig angefahren werden auch ein Plätzchen für die Fahrer haben (womöglich sogar mit Dusche und Toilette) – aber wahrscheinlich geht das aus versicherungstechnischen Gründen nicht 😉

  7. maik
    maik 17/04/2011

    @scp: Klar wird der Zeitplan eng geplant. Das ist aber nicht mein Problem, sondern das meiner Disponenten.
    Deshalb fahre ich anschließend nicht mit 85 km/h über eine Bundesstrasse.

    Was an mir hängen bleibt, ist die verlorene Zeit. Wenn ich anschließend „auf Tour gehe“ und z.B. statt theoretischer sieben Fahrstunden nur noch drei oder vier nutzen darf, da ich den Rest der Zeit mehr oder weniger sinnlos stand, ist das ärgerlich.

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