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Darf ich mal hoch kommen? Mal gucken?“

Spätestens bei dieser Frage eines Polizisten der Autobahnpolizei Dessau – Roßlau, dessen Namen ich in der Kabel Eins – Reality Show „Achtung Kontrolle“ nicht verstanden habe, hätte ich abgeblockt.
Oder anders ausgedrückt: Wer mich kontrollieren will, hat so lange zu warten, bis ich die Tür öffne. Nervöses ziehen am Türgriff geht gar nicht. Ebensowenig fördert hektisches Wedeln mit den Armen meine Bereitschaft, irgendeinem Kontrollorgan entgegen zu kommen.

Kontrolle

Ich finde es prima, wenn Polizisten Kontrollen durch führen. Diese sind nötig und wichtig. Wer seine Fahrzeiten weit überschreitet, Ladung unzureichend sichert oder mit einem Gefährt unterwegs ist, von welchem eine Gefahr für den Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, soll und muß zur Rechenschaft gezogen werden. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren.
Auf der anderen Seite kann ich erwarten, dass kontrollierende Beamte eine gewisse Ahnung von dem haben, was die so tun. Ansonsten verkommt dieses ganze eigentlich nützliche Getue zur Lachnummer. So wie bei zwei anhaltinischen Ordnungshütern, die im Auftrag von Kabel Eins während Ihres Dienstes von einem Filmteam begleitet wurden.

Ein ausländischer Lkw wird auf der A 9 heraus gezogen und einer Überprüfung unterzogen. Die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers sind in Ordnung, der technische Zustand des Lasters augenscheinlich auch. Also widmet man sich der Ladung. Wenn staatliche Organe nichts verwerfliches finden, machen die sich halt auf die Suche – und spätestens auf einem beladenen Auflieger wird man immer fündig.
Zumal, wie in diesem Fall, die ganze Aktion gefilmt wird. Da wird kurz über die Ladung geschwenkt und ein Szenario verbreitet, als ob eine dieser viel und gern zitierten „rollenden Zeitbomben“ unterwegs ist.

Das in diesem Fall, abgesehen von den Kartons am Ende, die Paletten formschlüssig geladen wurden und somit nichts verrutschen oder umfallen kann, ist egal. Die Kamera läuft, der Polizist ist in Hochform. Endlich kann er der Öffentlichkeit sein Wissen beweisen. So macht er aus einer stinknormalen, unspannenden Überprüfung, einige Minuten Bildungsfernsehen. Ganz schön runtergekommen. Ganz schön einfallslos.

Polizei Dessau

Wie lächerlich das alles ist, sieht man ziemlich am Schluß. Da darf der Fahrer die Gurte über die Bordwände ziehen. Das ist natürlich verboten, aber der Beamte hat ja ein großes Herz. Ausserdem ist es ein ausländisches Fahrzeug, welches ja weiter fahren muß. Und den Termin den der Fahrer ja sicher hat, darf man auch nicht vergessen.
Zuvor wird sich logischerweise über die Bequemlichkeit von Brummifahrern ausgelassen. Dabei erwähnt mein blau-weißer Held aber nicht, dass er mindestens genauso faul ist. Oder warum drückt der plötzlich beide Augen zu? Aus Nächstenliebe bestimmt nicht.

Sinnlose LaSi

Ich kann partout nicht verstehen, dass es noch immer Institutionen gibt, die diese Sendungen unterstützen. Da werden Ängste geschürt und viele glauben, dass das alles die pure Wahrheit ist, die einem da um die Ohren und Augen gehauen wird. Da wird aus einer simplen Lkw – Ladung eine hochgefährliche Fracht gemacht. Wirkliche Aufklärung sieht anders aus.

Fernsehen hat für mich noch immer eine Art Bildungsauftrag. Deshalb bin ich froh, dass es Sender wie Arte oder Phönix gibt. Auch ARD und ZDF haben sich diesem Auftrag verschrieben. Die wirklich anspruchsvollen Filme und Reportagen werden dort aber erst nach 23.00 Uhr gesendet. Warum? Ist deren eigentliches Zielpublikum schlaflos? Oder fehlt denen eine geregelte Arbeit? Aber eigentlich widerspricht sich das. Denn diese Leute müssen arbeiten, damit solche Sendungen überhaupt finanziert werden können.

Es erstaunt mich immer wieder, wenn bei Umfragen auf der Strasse Leute nicht einmal wissen, in welchen Bundesland z.B. Erfurt liegt. Oder wie Deutschland aussieht, wenn es ihnen unbeschriftet auf einer Landkarte vorgehalten wird.
Es liegt mir fern Menschen zu verurteilen, die sich seichtem TV hingeben. Das mache ich auch. Nur wenn solche Sendungen eine so hohen Stellenwert einnehmen, dass wirkliche Probleme völlig in den Hintergrund treten, wird es kritisch. Denn irgendwann gibt es nichts anspruchsvolles mehr zu sehen. Einfach weil es keine Quote bringt. Das wäre doch schade. Oder?

Video: „Achtung Kontrolle – Teil I“
Video: „Achtung Kontrolle – Teil II“

8 Kommentare

  1. Whoopster
    Whoopster 23/02/2012

    Danke für den Beitrag. Sehe das wie du.
    Aber zum geographischen Wissen/Verständnis: Ich bin in Bayern groß geworden, sämtliche Erdkundenoten in meiner schulischen/ausbilderischen Laufbahn waren stets bei 1 oder 2, ich stehe dem Bildungsfernsehen mindestens so aufgeschlossen gegenüber wie du, bin auch sonst nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen und habe trotzdem manchmal Probleme, gerade bei den neuen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt richtig zu differenzieren und Städte korrekt zuzuordnen.
    Ok, Erfurt ist Landeshauptstadt und damit einfach, bei Städten wie Stendal, Dessau oder Görlitz hingegen tu ich mich schon richtig schwer…

    Sascha

  2. Matthias
    Matthias 23/02/2012

    @Whoopster
    Sten… was, Stendal – nie gehört.
    Wenn man bei einer Umfrage Stendal mit spitzem „S“ aussprechen würde, würden (vermute ich mal) 90 % aller Befragten nicht annäherungsweise wissen wo das liegt bzw. sogar Skandinavien vermuten. Ich weiß auch nicht mehr als Sachsen-Anhalt und irgendwas mit Elbe (und auch nur aus meiner Schulzeit an einer POS).
    Und wenn bei Dessau mehr als die Stichworte Osten und Bauhaus kämen, wäre ich auch verwundert.

    Zum Fernsehen.
    Ich halte mir bei solchen „Reportagen“ immer vor Augen, dass die filmende Kamera ja von allen Beteiligten wahrgenommen wird und alle Akteure vor der Ausstrahlung auch ihr Einverständnis erklärt haben. Also ist meiner Meinung nach stets ein (mehr oder weniger großer) Anteil Show enthalten.

    Bei Sendungen mit einem Thema, in dem ich mich auskenne (für dich Maik die von dir verlinkte Lkw-Retter-Sendung) finde ich den Unsinn meist recht fix und ziehe dann daraus Rückschlüsse zu den anderen Sendungen. Leider.

    Ansonsten habe ich zum Fernsehen folgende Empfehlung: https://fernsehkritik.tv/

  3. Neri
    Neri 23/02/2012

    Ich denke, man muss da generell kritisch bleiben. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender verbreiten zeitweise Halbwahrheiten oder gar groben Unfug…

  4. Chris
    Chris 23/02/2012

    Ich bin ja eine bekennender „Fan“ der zwei Hauptkommissare Senkel und Bode von der Schwerlastgruppe Münster…Was die zwei vor der Kamera alles schon verzapft haben spottet jeder Beschreibung. Die haben es so weit getrieben bis sich ein paar Spediteure, Verlader und Fahrer mal unterhalten haben. Und nun seht mal hin, von den zwei Experten“ gibt es keine neuen Sendungen mehr! Irgendwann macht auch ein Superpolizist einen Fehler und der wurde gemacht. Danach war endlich Ruhe, was aber die zwei nicht davon abhält weiter Jagd zu machen und großen Blödsinn zu erzählen bei Kontrollen. Selbst deren eigenen Kollegen sind ganz begesitert von diesen „Helden“ und ihren (Schand)taten…
    Kontrolle gut und schön aber bitte von Leuten die Ahnung haben und nicht den dicken Max makieren wollen.
    Und zu der Aussage von Matthias „alle Akteure vor der Ausstrahlung auch ihr Einverständnis erklärt haben.“ Are you sure? Ich mag das nicht glauben, lasse mich aber gerne eines besseren belehren!

  5. Ralf
    Ralf 24/02/2012

    Erfurt? Liegt in der DDR, ganz klar. Hab ich so gelernt 😉
    Gibt genug Leute die in Geographie allgemein versagen. Nehmen wir mal als Beispiel die Hannoveraner. Die halten sich alle für „Norddeutsche“. Das Berlin geographisch 30km weiter nördlich liegt, keine Berliner aber jemals auf die Idee kommen würde sich als „Norddeutscher“ zu bezeichnen, hält die Hannoveraner nicht davon ab sich als Küstenbewohner zu fühlen. Daran ändert auch das Bildungsfernsehen nichts.

    Ja die Polizei. Bildungsfernsehen würde denen mal gut tun. Ich wurde mal in Wuppertal kontrolliert. Zwei Polizisten und eine Polizistin. Während man meine Fahrerkarte kontrollierte, schlich die Polizistin um meinen LKW und begutachtete meine Hinterreifen. Technisch war nichts zu finden, der LKW war ja gerade mal ein paar Monate alt. Die Fahrerkarte war auch so blitzeblank sauber das es wohl den Argwohn der Beamten weckte. Denn die Polizistin schlich um meinen LKW und begutachtete meine Hinterreifen. Dann machte sie mir gegenüber Andeutungen das ich ggf. ja überladen sein könne und das ich evt. auf die Brückenwaage fahren müsse.
    Zuladen kann ich gut 14 Tonnen. Geladen hatte ich rund 3 Tonnen. Die Liftachse geht ab 4 Tonnen Zuladung automatisch runter. Das sagte ich dem Ahnungslosen Uniformvieh. Interessierte die aber nicht, in ihren Augen war ich eine rollende Zeitbombe die aus den Verkehr gezogen gehört.

    Es braucht keine Kamera damit die völlig unrund laufen. Das machen die von Haus aus so und irgendwie ist es verdammt peinlich das es auch noch im TV dokumentiert wird.

  6. scp
    scp 29/02/2012

    Man muss nicht alles glauben und für bahre (respektive wahre) Münze nehmen, was man heutzutage in diesen „Dokumentationen“ oder „real-life-dokus“ sieht. Ich weiß das, da mein Vater mal bei den Kochsendungen mit gemacht hat. Und selbst da, wo die Dramaturgie ja eigentlich noch recht einfach und überschaubar ist, wird ein riesen Bohei gemacht. „Mach jetzt mal diese Schublade auf“, „geh da rein“, usw. Requisiten werden umgestellt, Akteure angewiesen, damit eine gewisse Spannung entsteht. Mit der Realität hat das dann aber herzlich wenig zu tun.

    In diesem Video meine ich sogar zu erkennen, dass der Truckfahrer äußerst unnatürlich reagiert, als der Herr Beamte da die Tür öffnet. Sieht fast so aus, als ob er genau weiß was nun passiert – und dementsprechend vorab instruiert worden wurde.

    Mich wundert es auch immer, das die Fahrer nie verpixelt sind. Schließlich werden da – ja ab und an durchaus berechtigt – Verstöße festgestellt. Das Gesicht der Fahrer ist aber munter zu sehen, ist denen das egal? Wäre Euch das egal?

    Und zu guter letzt: Man wird ganz sicher niemals Verfehlungen oder bewusste falsch Untersuchungen der Polizei dort sehen (z.B. sowas, was Ralf mit der Liftachse beschrieb) bekommen – so blöd sind die ja dann auch nicht. Was uns dann aber zu der Schlussfolgerung führt, ist halt doch nicht so alles „100% real“, was wir da zu sehen bekommen. Bestenfalls „50% real“ (denn die ins Leere gelaufenen Kontrollen wurden rausgeschnitten).

    Also weiterhin cremig bleiben 🙂

  7. Ralf
    Ralf 29/02/2012

    @scp: Verpixelte Gesichter gibt es schon hin und wieder. Aber i.d.R. bei deutschen Fahrern. Die Fahrer werden gefragt ob sie damit einverstanden sind das sie im TV gezeigt werden. Bei vielen von denen beschränkt sich ihr deutscher Wortschatz auf „ja-Ja“, „Hallo“ und „Hahahahah!“. Dann stehen die in einer Kontrolle und glauben vielleicht auch noch das die Kamera zur Polizei gehört. Ich gehe mal davon aus das die meisten gar nicht verstanden haben was sie da geragt wurden.

    RRegieanweisugen in einer Polizeikontrolle? Kann ich mir so rein gar nicht vorstellen. Was ich aber mittlerweile mindestens viermal live miterlebt habe, dass es so Vollpfosten bei der Polizei gibt die sich nicht zu schade sind öffentlich im TV sich zu Horst zu machen.
    Auf der anderen Seite sind die Polizisten natürlich auch in der Zwickmühle. Die sollen von allem Ahnung haben, bekommen aber in den meisten Sachen nur einen Crash-Kurs. So kam es das ich wegen angeblich mangelhafter Ladungssicherung vor Gericht stand, zwei Beamte steif und fest behaupteten das die Ladung nicht richtig gesichert war, die Richterin ihnen glaubte weil sie noch weniger Ahnung als die beiden Hansels hatte und alle die halbwegs Ahnung haben sich vor Lachen nicht mehr halten konnten. Die beiden Beamten haben vor Gericht nämlich tatsächlich behauptet das eine Plane bei Schüttgut Ladungssicherung ist. Eine Plane die wohlgemerkt noch weniger aufhalten kann als die Plane eines Planaufbaues. Bei einem Planaufbau ist eine Plane die wesentlich mehr aufhalten kann, dann wieder lediglich ein Wetterschutz und zählt nicht zur Ladungssicherung.
    Aber was hätten die beiden machen sollen? Vor Gericht gehen und sagen „Ätschbätsch. Wir sind dumm wie Stroh, haben die Sache aber nun einmal angeleihert und müssen die jetzt durchziehen…“ ?

  8. Michael
    Michael 10/03/2012

    Ich bin der Meinung das man bei Kontrollen die Kirche im Dorf lassen soll.
    Ein Beamter darf erst in seinen Regelbüchlein nachschauen nach welchen kriterien ich verstossen haben soll.
    Ich als Fahrer soll dies aber alles im Kopf haben und wissen.
    Also sagt mir das… wir sind doch garnicht so dumm wie man uns hinstellt…..

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