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Wilder Streik von ausländischen Fahrern mit Scheinselbstständigkeit in Deutschland?


Ein Gastbeitrag von Gregor Ter Heide und Andreas Kernke

Wilder Streik der BKF mit Scheinselbstständigkeit in Deutschland? Wieso ist so etwas möglich?

Immer mehr Berufskraftfahrer (BKF) vom Multi-Transport-Unternehmen Mazur schließen sich auf der Autobahn-Raststätte Gräfenhausen dem Protest als wilden Streik an, weil sie seit mindestens drei Monaten kein Geld erhalten haben.

Mittlerweile haben sich insgesamt über 90 Fahrer auf der Rastanlage Gräfenhausen und der rund fünfzehn Kilometer weiter liegenden Rastanlage Pfungstadt-West an der A67 versammelt. Nach Aussagen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sind in Gräfenhausen – Ost und West – sogar mittlerweile insgesamt 120 BKF mit ihren LKW im wilden Streik.
Die Fahrer sind u.a. in Georgien, Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgisien, Ukraine und auf den Philippinen beheimatet. Alle Fahrer sind – nach bisheriger Kenntnis – als Scheinselbstständige für ca. 80 € a 24 Stunden für den Multi-Transport Konzern Mazur tätig.

Ein Lkw der Firma agmaz steht im Stau
Bei Lukmaz/Agmaz ist der Wurm drin

In den letzten Tagen treffen dort immer mehr Fahrer mit ihren Lkw ein, denn alle haben seit Monaten kein Gehalt bekommen. „Faire Mobilität“, DGB, Ver.di, FNV aus NL, (Edwin Atema der die Verhandlungen führt) und Presse sind vor Ort.

Mazur-Gruppe werden Gesetzesverstöße vorgeworfen

Mafiöses Verhalten“ und „massive Gesetzesverstöße“ – das hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zwischenzeitlich dem polnischen Transport-Unternehmer, der Mazur-Gruppe vorgeworfen.
Laut Medien ist die Polizei vor Ort und die Lage ist undurchsichtig, wobei die sanitäre Situation laut DGB „katastrophal“ ist.

Bereits am Dienstagabend, den 20.07.2023, hatten die ersten vier Lkw-Fahrer auf der
Rastanlage Gräfenhausen Halt gemacht und weitere waren am Mittwoch hinzugekommen.
Einige BKF, so hört man, haben bereits ihre Geld-Ansprüche durchgesetzt und einem Firmenvertreter die Lkw-Schlüssel usw. übergeben.

Wenn das ausstehende Gehalt auf ihren Konten eingegangen ist, wollen die Fahrer nicht mehr für diese Firma arbeiten. Nun werden, vermutlich, die Kollegen wieder Solidarität beweisen, bis alle Fahrer ihre ausstehenden Gelder bekommen haben.
Die rund 120 BKF aus den Dritt-Staaten hatten in Polen über dem Multi-Transport Konzern Mazur nur eine Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung.

Plötzlich selbständig?

Es wurde bei den zuständigen polnischen Behörden über die neue (fingierte) Wohnadresse in Polen erwirkt, dass sie dort arbeiten dürfen.
Von angestellten Fahrern ist wohl dann keine Rede mehr, denn die Fahrer sind plötzlich als Selbständige in Polen mit einem Dienstleistungsvertrag als Unternehmer tätig.

Der Konflikt um zurückgehaltene Gelder und intransparente Abzüge, mit denen die Fahrer beim Transportkonzern nicht einverstanden waren, ist ja nicht neu.
Im gewerblichen Güterkraftverkehr wurde am 18.03.2023 in den Medien in Deutschland bekannt, dass ca. 65 BKF auf in Polen zugelassenen Lkw in Deutschland die Weiterfahrt verweigerten und ca. sechs Wochen bis Ende April auf der Raststätte Gräfenhausen West an der A5 bei Darmstadt einen „wilden Streik“ durchführten.

Die BKF aus Georgien und Usbekistan waren nur als Fahrer mit Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis in Polen angemeldet.
Am Karfreitag den 07.04.2023 kam es zur Eskalation, sodass ein Großeinsatz der Polizei auf der Raststätte diese beendete, denn der polnische Transport-Konzern versuchte den wilden Streik mit Gewalt zu beenden und hatte die Privat-Miliz, Krzysztof Rutkowski, beauftragt, mit 18 Personen gewaltsam die Lkw zu entwenden.

Der Transport-Unternehmer hätte selbstverständlich eine Fahrer-Bescheinigung (VO (EWG)
484/2002) inkl. A1 der Sozialversicherungen (VO (EG) 883/2004) beantragen müssen, um die Fahrer in Polen arbeiten zu lassen, was er allerdings unterließ.
Er versäumte ebenfalls, dass er als Multi-Transport-Unternehmer die Nachweis-Richtlinie (EU) 2019/1152 zu beachten hat, da die (Schein-)Selbständigen vertraglich dem Weisungsrecht und Direktionsrecht für lenkende Dienstleistung tätig waren und somit die Fahrer nicht selbständig sein konnten.

Bestand eine prekäre Beschäftigung?

Es kam anschließend allerdings nicht ein Arbeitsvertrag nach der Nachweis-Richtlinie zu Rom-I mit Art. 4 iVm. Art. 8 zustande, sondern nur ein rechtswidriger Dienstleistungsvertrag, um als jeweiliger (fingierter) sogenannter „1 Mann-Betrieb“ eine Dienstleistung in Form von einem Dienstleistungsvertrag als Selbständiger Unternehmer vertraglich zu beinhalten.
Diese schriftlichen Vereinbarungen hatten die tatsächliche Beschäftigung nur mit der lenkenden Tätigkeit für pauschalen Tagessatz von 80 € Brutto beinhaltet.

Es bestand daher eine prekäre Beschäftigung, die mit rechtswidrigen unerlaubten Dienstleistungsvertrag mit niedrigstem Verdienst berechnet wurde, der auch nicht auf Dauer und Kontinuität angelegt wurde; da nicht die Absicherung durch eine Fahrer-Bescheinigung
(inkl. A1 als Sozialversicherung), und auch keine arbeitsrechtlichen Schutzrechte beachtet wurden, somit ein extrem atypisches Beschäftigungsverhältnis bestand.

Der Transport-Unternehmer hätte Art. 1 (4) iVm. Art. 6 VO (EG) 1071/2009 und Art. 8 (3) VO (EG) 1072/2009 beachten müssen, was das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) auch kontrollieren könnte.
Wenn ein Fahrer aus Dritt-Staaten, dem Europa- und EU-Recht, sowie Sprache und Schrift, nicht richtig mächtig ist, so werden vielfach die rechtlich abhängig unselbständigen Fahrer mit manipulierten rechtswidrigen Arbeitsverträgen atypisch und/oder prekär beschäftigt.

Die Fahrer aus Dritt-Staaten hatten ihre Unterschriften auf Verträge gesetzt, deren Inhalt nach der EU-Nachweis-Richtlinie sie nicht richtig lesen oder verstehen konnten.
Nun muss ein Eintrag in die „ERRU“ (European Register of Road Transport Undertakings) zur Folge haben, denn die VO (EU) 2016/403 Art. 10 Nr. 5 inkl. DVO (EU) 2017/1440, ist wegen der Missachtung der VO (EU) 2020/1055 inkl. Art. 16 VO (EG) 1071/2009, und Art. 8 (3) VO (EG)1072/2009, als „schweres Vergehen“ einzustufen.

Keine Kontrolle vom BALM?

Allerdings hätte das das BALM in Deutschland schon ab März 2023 bewirken können, denn nur so kann die zuständige nationale Behörde in Polen die Lizenz entziehen. Der Straftatbestand dieses „Schweren Vergehens“ gegen die VO (EG) 1072/2009 Art. 5 g iVm. Art. 5 (2)a war beweisbar, da Lkw und Lizenz nicht mit BKF in Verbindung standen und zur Haftung auch kein Verkehrsleiter benannt war.

Die ständige Rechtsprechung des EuGH kennt auch nur eine eingeschränkte Verweisung, was Schein-Selbständigkeit betrifft und in den Fällen auf die EU-Richtlinien verwiesen, dass dann nur durch das nationale Recht in den Gesetzen und Rechtsprechungen erfolgt.
Dieses unterliegt aber insoweit Beschränkungen, als der „effet utile“ im Gleichbehandlungsgrundsatz. Erfolgt eine solche Verweisung nicht ausdrücklich und bejaht der EuGH auch nicht eine konkludente Verweisung nur auf nationales Recht, somit gilt der eigenständige Begriff im EU-Recht und im Europa-Recht, u.a.nach Art. 5 Rom-I.

Die ständige Rechtsprechung vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt beurteilt es sehr einfach und unmissverständlich: „Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“.
Ebenso sieht es auch das Bundessozialgericht in Kassel

Es wird nichts unternommen

Im Öffentlichen Straßenverkehr beim gewerblichen Güterkraftverkehr muss das Mobilitätspaket I als eine vielfältige Kontrolle das BALM beinhalten, die für Transport-Unternehmer und BKF mindestens zu gewährleisten ist:

1.) Berufszugang, finanzielle Leistungsfähigkeit, Art. 1 (4) und Art. 6 VO (EG) 1071/2009
2.) Zuverlässigkeit, fachliche Eignung, EU-Lizenz, Art. 16 (2)d VO (EG) 1071/2009
3.) Verkehrsleiter, Art. 2 Nr. 6 und Art. 4 VO (EG) 1071/2009 haftungsrechtlich belegen.
4.) ArbZG ab 208 Std., ohne Opt-out, mit der st. Rspr. des EuGH beachten
5.) VO (EU) 165/14 und Art. 2 (1)a VO (EG) 561/2006 national beachten
6.) Fünf BKF-Gehaltsabrechnungen iVm. eCMR/GÜKG mitführen und GüKBillBG beachten
7.) A1, S1 zur Fahrer-Bescheinigung VO (EG) 484/2002 ab 2,5 t zGG/zGM besitzen

Und nun?
Wieso wird das alles vom BALM nicht kontrolliert?
Die Fahrer aus Polen und anderen Ländern haben namentlich mit dem Lkw oder Lkw Miet-Vertrag in keiner Weise etwas zu tun. Ebenso auch nicht mit der Lizenz.

Es besteht für BKF beweisbar die Scheinselbstständigkeit. Dieses System der Scheinselbstständigkeit als Fahrer wird sicherlich jetzt bei vielen Transport-Unternehmen bevorzugt, weil es ja in Deutschland nicht kontrolliert und daher in den MOE-Staaten mehr und mehr praktiziert wird.
Kein Politiker in Deutschland oder in der EU unternimmt etwas gegen die menschenverachtenden und kriminellen Machenschaften.

11 Kommentare

  1. Jochen Dieckmann
    Jochen Dieckmann 27/07/2023

    Das sehe ich anders.
    Wenn die Kontrollbehörden illegale Kabotage unterbinden wollen, dann könnten sie jederzeit damit anfangen, anfangen, jeden beliebigen osteuropäischen Fahrer beziehungsweise LKW zu kontrollieren ob.
    Ich finde es unsolidarisch, unkollegial und nicht zielführend, diese politische Diskussion auf dem Rücken dieser streikenden Fahrer auszutragen.
    Was würde passieren? Die Kontrollbehörden müssten auch den Fahrern Knöllchen ausstellen, wenn sich bei Kontrollen herausstellen sollte, dass die Lenk und Ruhezeiten überschritten wurden und die letzten Wochenenden in der Kabine.
    Der Unternehmer kriegt zwar auch Knöllchen, aber der kann sich rausreden, in dem er ein Papier vorlegt, welches die Fahrer unterschrieben haben und in dem die Anweisung steht, dass die Fahrer die Gesetze einhalten sollen. Die Fahrer können das nicht und haben zusätzlich zur offenen Lohnforderung dann noch Knöllchen an der Backe.
     Es handelt sich hier um einen typischen Arbeitskampf. Ein Arbeitskampf läuft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da hat sich der Staat nicht einzumischen und das ist auch gut und richtig so. Denn sonst ist es irgendwann Glückssache, auf welcher Seite und zu wissen Gunsten er interveniert.
    Es bleibt dabei: Fehlender politischer Wille, lässt sich nicht durch Knöllchen ersetzen. Das sieht man auch in Belgien, wo die Kontrollen sehr viel strenger sind, die Frachtraten aber nicht einen Cent höher als in Deutschland.
    Der reflexhafte Ruf nach Kontrollbehörden in einem Arbeitskampf ist unangemessen und unkollegial.
    Wenn sie es denn wollte, könnte die Politik jederzeit handeln und braucht dafür nicht diesen Streik als Anlass. Sie will aber nicht, weil sie lieber andere Interessen bedient und die deutsche Fahrer schafft, nicht gut genug organisiert ist und keine Verbündeten hat.

  2. Gregor Ter Heide
    Gregor Ter Heide 27/07/2023

    @Jochen

    Nein der wilde Streik ist zu 100 % berechtigt und nötig ..
    … Ja…. Die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen…
    Klar….Allerdings nur aus deutscher Sicht…
    Eine Arbeitsniederlegung der Arbeit um für etwas zu kämpfen ist im Europa- und EU-Recht immer ein Streik…
    Der Streik ist international in der EMRK bzw den jeweiligen UN Charts enthalten..
    Ebenso in der GrCh der EU….
    Allerdings haben die 231 Gewerkschaften *vor* dem EU-Vertrag dafür gesorgt das Streik und Tarifrecht nur jeweils national bleibt und somit im EU-Vertrag komplett fehlt….
    siehe Art 114 (2) AEUV…
    Aus deutscher Sicht hast du natürlich Recht…
    Das TVG und das GG beinhaltet das Streikrecht um ein Tarifvertrag abzuschließen….
    Das ist nur national deutsches Recht…
    International sieht das Recht zum Streik ganz anders aus…
    Hier in Gräfenhausen ist jetzt zum Streik das internationale Recht vorhanden….
    Ich könnte dir das Ur-Recht zum Streik gerne sehr genau schreiben und dazu die st Rspr vom EuGHMR, EuGH…

    Jochen, wenn die BALM den Transport-Unternehmer (TU) ein schweres Vergehen nach der ERRU beweisen wird, dann zahlt er sofort das Gehalt was da alles aussteht

    Wenn die OWiG iVm StGB in eine Einheit benutzt werden könnte (wie in Belgien) dann können aufgrund vom Strafrecht (illegale Beschäftigung der BKF) der LKW beschlagnahmt werden und die BKF ins Hotel … dann zahlt der TU sofort …. oder er wird seine Lizenz sofort los
    Das Vergehen der Illegalen Beschäftigung ist wegen der fehlenden Fahrer-Bescheinigung sofort festzustellen und geht voll zur Lasten des TU der dazu verpflichtet ist um das ein BKF aus Dritt-Staaten hier in der EU fahren darf
    Wie immer wieder behauptet wird, dass feste Frachtraten ein Teil vom ruinösen Wettbewerb lösen könnten, dem ist nicht so. Das hatte der EuGH schon 2014 untersagt, weil es auch gegen Art 26 AEUV verstößt
    Nur ein EU-weites Mindest-Netto-Gehalt von 12 € könnte eine Lösung sein. Das hatte sogar schon 2017 die EU-Komission dem Udo Skoppeck geantwortet, wobei die meinetn das es derzeit der EU-Vertrag nicht zu lässt…
    Ja das ist leider so, denn dazu muss Art 3 (4) EUV und art. 114 (2) AEUV geändert werden, was seit 2019 schon überfällig ist, eben weil die EU sich dazu verpflichtet hatte es zu ändern
    Deswegen der haben Andreas Kernke und ich ja in der Petition in Berlin eingebracht, um das der Bundestag beschließt es zum EU-Parlament und EU Kommission zu übersenden
    Warum sind es wohl 297 Seiten geworden ?
    Wel es das sehr kleine 1×1 dazu an Erklärungen geben musste, warum es möglich ist und was nun dazu geschehen muss, um es umsetzen zu können ..
    Also auch Waren Versender usw. können im gewerblichen Güterkraftverkehr nicht mit dem Lieferkettengesetz und auch nicht durch die Nach-Unternehmerhaftung belangt werden, weil a) Datenschutz der persönlichen Daten der BKF nicht an Dritte von TU übergeben werden dürfen und b) vom Waren Versender kein Weisungsrecht oder Direktionsrecht gegenüber dem BKF besteht um darauf Einfluss nehmen zu dürfen usw
    Nur die VO (EG) 1071/2009 und VO (EG) 1072/209 beinhaltet auch das GüKG, sowie die die EU-Vorschrift als EU-VO für Fahrer-Bescheinigung für BKF aus Dritt-Staaten die Zwingend ist, um hier in der EU als BKF beschäftigt werden zu können.
    Die BALM müssten alles kontrollieren und haben auch das Recht und die Pflicht dazu, denn die BALM kann ja auch alles zusammen mit Zoll kontrollieren, denn um die Kabotage iVm. dem MiLoG kontrollieren zu können, müssen die auch den Arbeitsvertrag und die Gehaltsabrechnung einsehen können, denn wie soll die BALM denn sonst das MiLoG kontrollieren ?
    Wenn es in der EU geduldtet bzw. erlaubt wird, das die BKF als Schein-)Selnständige ein LKW fahren dürfen und das ohne eigenen LKW (bzw. unter deren Namen) bleibt alles so wie es ist und alle MOE TU machen aus den BKF nur Scheinselbständige oder wie wie soll die Lösung aussehen, das es so nicht weiter geht. Ich möchte hier nur aufzeigen das der TU aus Polen da Schuld ist und nicht die BKF
    Auch das Fahrerhaus hier bei den Streik iVm. der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit, ist in Belgien, Frankreich usw gut so. Nur in Deutschland fehlt die Durchführungsverordnung zum FPersG. In diesem Punkt fehlt klar der Eintrag in der FPersV und die EU Kommission hat schriftlich mitgeteilt, das nur die BALM den BKF beweisen muss ob er während der rWRZ der 45 Std sich im Fahrerhaus aufgehalten hatte. Das ist total falsch, weil dieser Punkt ein Bestandteil der VO (EG) 561/2006 ist und alles was damit zu tun hat muss vom BKF gegenüber der BALM wegen der Verkehrssicherheit herausgegeben. Der BKF kann natürlich schweigen und die BALM kann/könnte wenn sie den wollte oder dürfte, auch ohne Erklärung –bis zum Beweis des Gegenteils vom BK–F (evtl hilft eine Übernachtung als Rechnung) ein Buß-Geld verlangen.
    Der AG als TU muss u.a. Art 20 VO (EG) 561/206 laufend vom BKF überprüfen und wenn es Verstöße gibt, den BKF abmahnen. Er muss dazu den BKF auch schulen bzw nachweislich richtig unterweisen, indem er sich davon selber überzeugt hatte, das der BKF auch die Vorschriften usw kennt und verstanden hat…
    Das revidierte NachwG (zum neuen Arbeitsvertrag der bei jedem BKF ganz neu erfolgen muss) ist da nun eindeutig, wo ganz automatisch die zuständige st Rspr vom EuGH drin enthalten ist, da was in der Nachw-Rilli auch nicht schlechter iSd Vorschrift für die BKF sein darf…
    Also diie BKF bekommen keine Strafe, weil die beweisbar vom AG als TU falsch bei der Behörde angemeldet wurden und durch die a) Aufenthaltsgenehmigung und b) Arbeitserlaubnis ganz plötzlich als selbständige Unternehmer für Dienstleitung als Gewerbetreibende angemeldet wurden. Das war und ist in der EU normal nicht möglich, denn als BKF ist die Fahrer-Bescheinigung zwingend als Voraussetzung als BKF den Beruf auszuüben. Also a) u b) sind nur zu bekommen wenn alle Vorrausetzungen zum BKF erfüllt sind, die nur der TU als AG verpflichtet ist zu erfüllen
    Die berechtigte Idee für diesen Artikel ist und bleibt das der TU die Lizenz verliert, indem die BALM ein beweisbares schweres Vergehen feststellt und ein Eintrag in die ERRU bewirkt. Somit muss Polen den TU die Lizenz entziehen. Die BKF werden natürlich sofort innerhalb der EU ein Job wieder bekommen weil die ja hier eine Adresse bzw Aufenthaltserlaubnis schon besitzen.

  3. Gregor Ter Heide
    Gregor Ter Heide 27/07/2023

    Nachtrag für @Jochen

    Alles was es braucht ist innerhalb der EU schon fast vorhanden, um es richtig zu kontrollieren ..
    Es sind nur noch die extrem unterschiedlichen BKF Gehälter, wobei der total un-wissende Bürger jetzt schon erkennen kann, wer den ruinösen Wettbewerb im gewerblichen Güterkraftverkehr gewinnt…

    Das deutsche NachwG (Arbeitsvertragsrecht) hat ganz automatisch die zuständige st Rspr vom EuGH beinhaltet. Das steht in der revidieren Nachweis-Richtlinie der EU im Art 1 ….
    Ansonsten brauchten wir ja kein EuGH mehr, wenn dieser nur jeweil für den Einzel-Fall eine Entscheidung trifft und nur diese dafür gilt..

    Der EuGH hat die Schein-Selbsständigkeit in das jeweilige nationale Recht bekundet…
    Dazu hanen schon oft das BAG in Erfurt, BSG in Kassel, BGH in Karlsruhe klar Recht gesprochen…

    Die Schein-Selbsständigkeit ist u.a. usw , klar in der VO (EG) 1071/2009 ausgeschlossen…
    Alleine hierzu besteht ja das GüKG und die Kontroll-Pflicht…

    Also man beachte in Gräfenhausen
    1. GüKG
    2. VO (EG) 1071/2009
    3. St Rspr BAG, BSG, BGH
    4. Die ERRU nebst DVO

    Die Exekutive ist in Deutschland der deutschen nationalen Gesetze und internationalen Verordnungen zur Kontrolle verpflichtet, wenn Bewise vorhanden sind/sein können

    Eine aufgezwungenen Schein-)Selbsständigkeit darf so nicht geduldet werden und nur weil einige MOE Staaten -wie Polen -‚ die Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis, sowie die Überprüfung der Fahrer-Bescheinigung usw, jeweils bei ganz unterschiedlichen Behörden haben, wo die eine Behörde nicht von der Anderen alkes zusammen mit überprüft usw…

    Dieses System.der Schein-Selbsständigkeit ist für alle BKF , nun der Anfang vom Ende im gerechten Wettbewerb beim gewerblichen Güterkraftverkehr in der EU..

    Hier ist und muss nun ein Exempel gemacht werden, das diesem Ansinnen der TU Multi-TU-Konerne ein Ende gesetzt werden muss…

  4. Andreas Kernke
    Andreas Kernke 27/07/2023

    Hallo Jochen, seit Mitte Mai wird mir/uns genau das vorgeworfen, was du hier schreibst. Wir wären unsolidarisch gegenüber den Fahrern. Und ich antworte eigentlich mit meinen Worten immer wieder sinngemäß: Wie anders möchtest du den Fahrern helfen? Weder Gregor noch ich haben bei diesem wilden Streik die Gewerkschaften angegriffen. Denn außer Schaulaufen helfen die ja nicht wirklich. Ich glaube nicht, dass die Gefahr besteht, dass ein Knöllchen geschrieben wird. Denn um festzustellen, dass sie Scheinselbstständig sind, braucht man nur den Arbeitsvertrag zu lesen. Den muss man ja mitführen, wenn man ins Ausland fährt. Sogar ich habe ständig eine Kopie davon bei. Wenn man jetzt feststellt, dass diese Kollegen gar nicht wissen, was da drin steht, ist doch schon das meiste klar, oder? Und dann tatsächlich mal die Frage, wie anders soll denn irgendeine übergeordnete Behörde in Europa davon erfahren, was mit diesem Unternehmen los ist, wenn sich jeder weigert das zu prüfen? Erkläre mir bitte, wie die ERRU ihre Arbeit machen könnte, wenn ihr niemand die Information gibt. Das Zeitalter der Glaskugel ist vorbei (nicht böse sein). Ich sehe keinen Grund, dass man, bei einer „Schwerpunktkontrolle“, Lenk- und Ruhezeiten auslesen müsste. Sicher darf man das und es wird auch getan, wenn der BKF nicht kooperativ ist. Im Übrigen habe ich in meinen Mails in dem einleitenden Text immer geschrieben, dass es um die Verbesserung für die Fahrer geht und nicht darum, ihnen zu schaden.

  5. Wolfgang Colsmann
    Wolfgang Colsmann 29/07/2023

    Das Balm kontrolliert kein Mindestlohn Gesetz einfach mal richtig informieren.
    Die Fahrer sind im Besitz einer gültigen Fahrerbescheinigung, ergo ist die Anstellung auch nicht illegal, dass Gegenteil gilt es zu beweisen, den Arbeitsvertrag bekommt das Balm auch nicht, weil auch dort nicht zuständig. Selbst wenn dem so wäre, was hindert mich als Unternehmer daran, dem Fahrer einen fingierten für Kontrollen mit zu geben.
    Und das eine Beweislastumkehr bei dem Verbringen der Wochenruhezeit vorliegt, wäre mir auch neu. Das einfache Erteilen eines Bußgeldes, weil der Fahrer keine Auskunft gibt, so mal auf bloßem Verdacht, wo steht das im OWi recht? Gibt es dafür eine Quelle

    • Arne
      Arne 30/07/2023

      Was ist denn eigentlich eine „gültige Fahrerbescheinigung“? Und für was ist das BALM denn eigentlich zuständig? Ich sehe die Autos von denen nur immer auf Parkplätzen stehen, nie bei Kontrollen.

  6. Gregor Ter Heide
    Gregor Ter Heide 30/07/2023

    Antwort @ Herr Colsmann

    Sie als ausgewiesener Experte der BALM (siehe FB) und bekunden öffentlich, dass bei diesen offensichtlichen Vergehen zum GüKG, u.a. iVm. VO (EG) 1071/2009, (angeblich) nicht etwas gegen die menschenverachtenden und kriminellen Machenschaften unternommen werden kann oder müsste, was da auf der Rastanlage Gäfenhausen geschieht.

    * Der DGB hatte, iZm. § 31 AEntG, bei Überprüfung die fehlende Fahrer-Bescheinigung festgestellt und als Schein-Selbständigkeit bekundet. Die ca. 120 BKF aus den Dritt-Staaten haben namentlich iVm. dem Lkw, bzw. Lkw Miet-Vertrag und der Lizenz, in keiner Weise etwas vertragliches, u.a. iVm. VO (EG) 1071/2009, zu tun.

    * Zur verpflichtenden Überprüfung der BALM gehört die Fahrer-Bescheinigung (VO (EWG) 484/2002) zu Art. 5 VO (EG) 1072/2009. Bei der Kabotage besteht BKF-Entsendung (AEntG iVm. Zoll) iVm. Mindest-Gehalt von 12 €, sowie § 20 Nr. 1 – 5 und § 7b GüKGrKabotageV.
    Nun muss vom BALM, die Kabotage mit BKF-Entsendung und Stunden iVm. Mindest-Gehalt, in einer Einheit kontrollieren, denn nur zusammenhängend ist richtige Kontrolle möglich.

    * Das GüKBillBG verpflichtet „alle Beteiligten“ (auch BALM), bei einem BKF aus Dritt-Staaten, eine Überprüfung/Kontrolle vorzunehmen, um die erforderliche Arbeitsgenehmigung und Aufenthaltsgenehmigung zu überprüfen.

    * Ohne Fahrer-Bescheinigung, ist Steuer- und Sozialversicherungs- Betrug vorhanden, indem strafrechtliches „Schwere Vergehen“ iVm. der ERRU, ein Entzug der Lizenz zur Folge hat.

    Wie das BALM in der „LASI“, u.a. die Nr. 113, interpretiert, ist nun entscheidend, ob demnächst ein BKF überhaupt noch bereit ist, unter den jetzigen Bedingungen, ohne Hilfe der BALM, sein Beruf ausüben zu wollen.

    Am 15.07.2020 wurde mit dem Mobilität Paket I die konsolidierte Fassung mit der VO (EU) 2020/1054 zur revidierten Fassung der VO (EG) 561/2006 in „Erwägung nachstehender Gründe“ in Nr. (6) klargestellt:
    (6) Klare, geeignete, verhältnismäßige und einheitlich durchgesetzte Vorschriften
    sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung der
    politischen Ziele, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern sowie
    insbesondere einen unverfälschten und fairen Wettbewerb zwischen den
    Verkehrsunternehmern zu gewährleisten und einen Beitrag zur Sicherheit im
    Straßenverkehr für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu leisten.

    Die EU-Kommission hatte im Jahr 2022 einen ergänzenden Vermerk veröffentlicht, in dem geklärt wurde, wie das sog. „Verbot der Übernachtung im Fahrzeug” gemäß Art. 8 (8) VO (EG) 561/2006 durchgesetzt werden soll. Das Addendum schloss nicht aus, dass das BALM die Möglichkeit hat, die vorherige wöchentliche regelmäßige Ruhezeit, die in einem anderen Mitgliedstaat verbracht wurde, zu kontrollieren. Dazu wörtlich:
    „Diese Fragen und Antworten wurden von den Kommissionsdienststellen
    zusammengestellt und sind für die Europäische Kommission nicht bindend. Für
    die Auslegung des Unionsrechts ist ausschließlich der Gerichtshof der
    Europäischen Union zuständig. In diesem Zusammenhang wird darauf
    hingewiesen, dass Artikel 8 Absatz 8 und Artikel 8 Absatz 8a der Verordnung
    (EG) Nr. 561/2006, auf die sich die Fragen 1 bis 6 beziehen, derzeit Gegenstand
    einer Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof sind.“

    „Ab dem familiären Lebensmittelpunkt“ müssen vom BKF „alle Zeiten“ während der Dienst-Reise, als Arbeitszeiten, Ruhezeiten, (evtl. Lenkzeit) und „andere Arbeiten“ (Art. 6 (5) VO (EG)561/2006) iVm. dem Art. 34 (5) iv; Art. 36 (2) ii und (3) VO (EU) 165/14 abgespeichert, nachgetragen, sowie vom Arbeitgeber aufgezeichnet und zwei Jahre aufbewahrt werden. Da es sich während der rWRZ außerhalb vom Fahrerhaus „nur“ um „freien Zeiten“ (nicht Freizeit) im „Öffentlichen Recht“ handelt, müssen BKF die Ruhezeiten der 45 Std. nachtragen. Während der rWRZ unterwegs muss dafür insg. ein nachweisbarer Ausgleich in Freizeit von insg. 8,66 Tagen im Monat – wenn möglichst zu Hause – erfolgen. Im Privat-Recht kommen noch 4,33 Tage Freizeit-Ausgleich wegen der 52 Std. Mehrarbeit hinzu. Ohne Nachweis zur geeigneten Schlafmöglichkeit mit mind. 5,25 m² (ohne Nass-Zelle) als Ruheraum während der rWRZ, kann der BKF gegenüber Kontroll–Behörden, beweisbar die Verkehrssicherheit nicht begründen.

    Im grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr gelten ab 20.08.2020 zwei aufeinanderfolgende reduzierte (verkürzte) wöchentliche Ruhezeiten (vWRZ), wenn sie außerhalb vom Staat der Niederlassung des Arbeitgebers und Wohnsitz-Staat, bei der Dienst-Reise unterwegs stattfinden. Bei den 2 x 21 Std. bei den 2x 24 Std. der vWRZ fehlen, sind es insg. 87 Stunden inkl. fehlenden Ausgleich, der bis zum Ende der 3 Woche nachgeholt werden. Die Dokumentation zum Nachtrag muss außerhalb vom Fahrerhaus, immer während der Dienst-Reise, als Ruhezeiten, Urlaub, Krankenstand und Freizeiten, wegen Art. 34 VO (EU) 165/2014 und der dazu gehörigen DVO (EU) 2016/799 und DVO (EU) 2021/1228, bei der Benutzung von Fahrer-Karte berücksichtigt sein.

    Nun muss auch die Beweislastumkehr zur rWRZ außerhalb vom Fahrerhaus als eine Voraussetzung zur Kontolle klargestellt werden, um das überhaupt die effektive Kontrolle iVm. Verkehrssicherheit vom BALM gewährleistet werden kann. Ansonsten – außer „in flagranti“ – macht der BKF weiterhin an der rWRZ nur die Vorhänge zu und das BALM darf (angeblich) nicht kontrollieren. Anschließend kann der BKF von seinem Recht zur Auskunft (§ 4 (4) FPerG) ein Gebrauch machen und die Kontrolle damit sinn- und zwecklos ist, da es unüberprüfbar ist und bleibt.

    Für den BKF geht es nur um die Regeneration, Erholung, Gesundheit und menschengerechtem Schlafen in einer „geeigneten Schlafmöglichkeit“ inkl. Sanitär/Dusche während der 45 Stunden.

    Heute 2023 ist bekannt das mind. 40.000 Lkw Parkplätze fehlen, denn auch …
    1.) gibt es beweisbar nicht genug Möglichkeiten zur Übernachtung im Hotel,
    Motel, Roatel.
    2.) fehlen die „Sicherheits-Parkplätze“ mit vorgeschriebenen EU-Zertifizierungen.
    Ab 18.07.2022 ist durch das Amtsblatt -EU L 170/27- vom 28.06.2022 bekannt, dass alle Parkplätze und Autohöfe nach VO (EU) 2022/1012 vom 07.04.2022 in jeden EU-Staaten national zertifiziert werden.
    Nur bis „wann“ ist eine offene Frage und daher muss das BALM den BKF helfen, das er human, verkehrssicher und menschengerecht seine verantwortungsvolle systemrelevante Tätigkeit ausüben kann und weiterhin auch will.

  7. Karsten Weber
    Karsten Weber 04/08/2023

    Der Gastbeitrag ist ausführlich, doch ich empfand ihn als recht trist und etwas deprimierend. Der gute Wille ist da, doch verläuft sich alles in Perspektivlosigkeit. Es ist ja gut, sich mit dem Paragraphendschungel im Güterverkehr auszukennen, es ist hilfreich im Umgang mit dem Arbeitgeber, seine Rechte zu kennen, aber hier haben wir es mit etwas großem zu tun, das ist etwas anderes als eine Auseinandersetzung mit seinem Chef. Es geht hier nicht um ein paar Dutzend (oder paarhundert) Fahrer auf den Raststätten Gräfenhausen, es geht um den Straßentransport in Europa. Die paar asiatischen Kollegen sind die Spitze des Eisbergs, der sichtbare Teil eines riesigen Problems.

    Ich glaube nicht, man wird an diesem Problem etwas ändern, wenn man mit Gesetzesbüchern wedelt.

    Andreas schrieb: „…seit Mitte Mai wird mir/uns genau das vorgeworfen, was du hier schreibst. Wir wären unsolidarisch gegenüber den Fahrern. Und ich antworte eigentlich mit meinen Worten immer wieder sinngemäß: Wie anders möchtest du den Fahrern helfen?“

    Ich würde da mal etwas plump antworten: Statt den Staat um Hilfe zu rufen, würde ich es mit den Mitteln der Arbeiterbewegung versuchen.

    Ich halte den Ruf nach dem Staat für eine zweifelhalfte Sache, denn ich halte den Staat nicht für neutral. Und was ist, wenn der Staat sich gegen die Interessen der Fahrer entscheidet? Es war schließlich der Staat, der die Deregulierung im Transportwesen erst möglich gemacht hat. Es gab ja mal feste Frachtraten, die diese Dumpingspirale in den Transportpreisen verhindert hat. Es gibt auch seit Jahren die Forderung nach „mehr Kontrollen“. Wenn der Staat daran Interesse hätte, wären sie flächendeckend umgesetzt.

    Ich habe vorhin vollmundig von „Mitteln der Arbeiterbewegung“ gesprochen. Ich weiß, das provoziert die Frage, „ja wo isse denn, die Arbeiterbewegung“? Sowas wie vor 100 Jahren haben wir nicht mehr. Der Kapitalismus und die Arbeitsorganisation haben sich geändert. Es gibt nur noch wenige Großbelegschaften, ansonsten ist die Arbeiterschaft gespalten, zersplittert, atomisiert. Outsourcing, Sub-Sub-Unternehmen und Scheinselbständigkeit. Es gibt auch scheinselbständige Fahrradkuriere. Aber auch da wird mitunter gekämpft.

    Ich weiß, ich weiß, bei den Berufskraftfahrern in Deutschland ist es besonders schwierig, alle sind sie am Schimpfen, einige neigen zu großer Klappe und einfachen Lösungen, doch wenn es um praktische Aktivitäten geht, ist keiner da. Naja, vielleicht wenige.

    Ich möchte aber doch ein paar Beispiele aus der Arbeiterbewegung anführen, die ich für inspirierend halte.

    Der britische Bergarbeiterstreik war der größte und heftigste Arbeitskampf in Europa in den letzten 40 Jahren. Thatcher hat der Gewerkschaft NUM die Konten eingefroren, damit keine Streikgelder gezahlt werden. Es entstand eine riesige Solidaritätsbewegung, damit der Streik nicht ausgehungert werden kann. Hausfrauen gingen mit Spendenbüchsen durch die Straßen, in Nachbarschaften wurden auf Gehwegen und Plätzen Infotische (mit Spendenbox) aufgestellt und auf den Dörfern spielten irgendwelche Schrabbelbands in Pubs Solikonzerte. Man hat die Bevölkerung in Bewegung gebracht.

    Das mag ein etwas betagtes Beispiel sein.

    Ich habe aber noch etwas sehr aktuelles: Norditalienische Hafenarbeiter kämpfen dagegen, Kriegsmaterial zu verladen. Das geht nicht allein um den Ukrainekrieg, sondern auch um andere Konflikte weltweit. Um als überschaubare Arbeitergruppe auch als politische Kraft auftreten zu können, suchten sie Unterstützer, um ihre Blockaden und Demos zu verstärken. Ihnen gelang ein erstaunliches Bündnis: Amnesty International, Sportvereine, die Antifa und Pfandfinder beiteiligten sich an Aktionen.

    Und noch ein Beispiel, das sehr gut paßt aus den USA.
    Die Teamsters hatten das Problem, daß sie die Fahrer, die die Häfen beliefern, nicht organisieren und unterstützen dürfen, weil die als Soloselbständige galten. Sie behalfen sich mit einem Konstrukt, das entfernt an Faire Mobilität erinnert. Diese Organisation durfte mit den Hafentruckern arbeiten.

    In den Häfen kam es zu mehreren Wilden Streiks. Sie erfuhren eine breite Unterstützung. Die Fahrer haben übrigens Erkärungen und Flugblätter verfaß, in denen sie erklärten, warum sie juristisch als Unternehmer gelten, sie sich jedoch als Arbeiter fühlen und es real auch sind.

    Solidarität suchte man in der Community. Man band die Familien in die Soliarbeit ein und ging in Jugendzentren und stiftete die Jugendliche an, Transparente zu malen. Man erreichte sogar Kooperationen mit Umweltschützern. Man begab sich in die unterschiedlichen migrantischen Communities, deren Kirchen und Tempel. Überall fand man Ünterstützung. Mich hat es beeindruckt und zutiefst berührt. Solche Kämpfe verlangen Kreativität.

    Das ist letztendich mein Gedanke zu deiner Frage, Andreas, „Wie anders möchtest du den Fahrern helfen?“

    Ich glaube, das wichtigste ist, Menschen zu bewegen und irgendwie einzubinden. Wenn ganz normale Menschen aus Weiterstadt vorbeikommen, um den Streikende selbstgebackenen Kuchen zu bringen, dann halte ich es für eine große Sache, auch wenn es eine winzige Aktion ist.

    Wir leben in Zeiten, in denen eine kleine Schar Superreicher immer reicher wird, während die Mehrheit der Bevölkerung sich im sozialen Abstieg, teilweise in der Veramung, befindet. Die einzige Antwort, die mir dazu einfallt, ist die einfachen Menschen zusammenbringen. und mit einzubinden. Hier gilt es kreativ zu werden.

    Zu guterletzt: Wenn man mehr Druck aufbauen will, sollte man versuchen den Streik auszuweiten. Nicht nur Mazur hab seine Fahrer abgezockt, es gibt viele zwilichtige Spediteure, die ihre Fahrer um den Lohn bescheißen. Vielleicht legen andere Fahrer auf einem anderen Parkplatz die Arbeit nieder.

    Migrantische Arbeiter scheinen weniger Angst zu haben, bzw. ihre Situation ist jenseits der Ertäglichkeit, so daß wir eine ganze Reihe wilder Streiks gesehen haben, Erntearbeiter, Essenskuriere und Bauarbeiter.

    Wenn es jetzt zu Arbeitsniederlegungen dieser Gruppen kommt, würde die Politik eher in Wallungen kommen, als wenn man sie um „mehr Kontrollen“ bittet, egal wie gut man es juristisch zu begründen weiß. Und wozu? Es ist doch bekannt, bei den Fahrern von Gräfenhausen ist die genaue Summe des Lohnraubs jedem einzelnen Fahrer gegenüber Bekannt. Was fehlt, ist ein massiver Druck gegen Mazur.

    In diese Richtig gehen meine Gedanken für den Umgang mit dem Konflikt.

  8. Karsten Weber
    Karsten Weber 04/08/2023

    Ähm, in diese RICHTUNG gehen meine Gedanken.

  9. Gregor
    Gregor 12/08/2023

    @Karsten Weber
    Ja du hast vielfach Recht mit deinen Beschreibungen..
    Nur leider ist innerhalb der EU bei Grenzüberschreitenden Konflikt das Streik- und Tarifrecht nicht möglich, eben weil alle Gewerkschaften in der EU es nicht zulassen wollten (Art 114 (2) AEUV).

    Leider ist da in einigen MOE Staaten bei verschiedenen Behörden nicht alles iVm. der Anmeldung zum Gewerbe als EU-konform richtig vollumfänglich geprüft worden, denn sonst wäre so ein Schein-Selbsständigkeit nie möglich gewesen.

    Und das es ein EU-weiten Mindest-Frachtpreis geben sollte, das hatte der EuGH im Jahr 2014 schon sehr klar ausgeschlossen.

    Hier bleibt jetzt nur noch die Möglichkeit die VO (EG) 1071 und 1072/2009 zu verschärften so das eine Interpretation usw total ausgeschlossen wird.

    Wenn das der wilde Streik in Gräfenhausen bewirken könnte, was ich ja erhoffe, so wäre es ein echter Gewinn für die Zukunft.

    weiter Info wenn gewünscht
    (Fernfahrer@osnanet.de)

  10. Karsten Weber
    Karsten Weber 16/08/2023

    „Nur leider ist innerhalb der EU bei Grenzüberschreitenden Konflikt das Streik- und Tarifrecht nicht möglich“

    Nicht möglich? „Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!“ (Erich Kästner)
    Wilde Streiks mögen hierzulande nicht häufig sein, aber es gibt sie immer wieder…

    https://rhein-neckar.verdi.de/vor-ort/geschichte-geschichten/++co++72acf42c-a671-11e2-8554-52540059119e

    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153461.wilde-streiks-geschichte-und-gegenwart.html

    https://jungle.world/artikel/2022/18/die-legalitaet-des-politischen-streiks-durchsetzen

    Mir ist klar, daß es mit Risiko verbunden ist. Aber welche Möglichkeiten haben die zentralasiatischen Kollegen? Ihr Boss schuldet ihnen bis zu 10.000€, was in ihren Heimatländern irre viel Geld ist, hier auch nicht wenig. Sie haben Familien zu ernähren.

    Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.

    Auch EuGH Urteile sind keine Naturgesetze und sollten politisch bekämpft werden, wenn ihre Wirkung negativ ist.

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