Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Tatort Gräfenhausen

Eigentlich wollte ich zum „Tatort Gräfenhausen“ gar nix groß schreiben. Denn über die Aktion vom Karfreitag, die der Inhaber von „Luk Maz“ da auf diesem Rasthof zwischen Frankfurt und Darmstadt veranstaltet hat, wurde ja auch in überregionalen Zeitungen und Fernsehstationen genügend berichtet.

Aber drei Leser haben mir Mails geschickt, in denen sie darauf hinweisen. Danke an Marko, Sebastian und Peter. Und auch in einem Kommentar wurde darauf verwiesen.

Aber kurz zur Einordnung:

Fahrer der polnischen Firmengruppe „Luk Maz“ (Lukasz Mazur) und „Agmaz“ (Agniezka Mazur) haben vor knapp zwei Wochen ihre Lkw aus Protest an mehreren Stellen in Europa abgestellt.
Übrig geblieben ist aber wohl nur noch die Raststätte Gräfenhausen-West an der A5 in Südhessen.

Es gibt kaum Widerstand

Ein weiterer Streik auf dem Autohof Sadobre bei Sterzing in Südtirol wurde Anfang letzter Woche von italienischen Behörden aufgelöst.
Der Grund für den Ausstand sind schlechte Arbeitsbedingungen und ausbleibende Lohnzahlungen. So haben viele Fahrer nach eigenen Angaben seit Januar kein Gehalt mehr bekommen.

Die Firmengruppe, zu der auch ein weiteres Transportunternehmen mit dem Namen „Imperia sp.z.o.o.“, gehört, ist mit mehreren hundert Lkw eine ziemlich große Nummer im polnischen Transportgewerbe.

Ich selbst fand es letzte Woche schon beachtlich, dass solch ein Streik überhaupt stattfindet. Denn wie ich letztes Jahr schon geschrieben habe…

Denn wirklicher Widerstand ist in der Fahrerschaft fast ein Fremdwort. Logo. Denn einen Einfluß von Gewerkschaften gibt es bei uns Fahrern kaum. Man kann durchaus sagen, dass unsere scheinbare Unabhängigkeit uns nicht gerade zu fanatischen Gewerkschaftsanhängern macht.

Hier im Blog vor einem Jahr vor

…ist es eigentlich ungewöhnlich, dass sich Fahrer zu solchen Aktionen zusammen finden. Denn gerade Osteuropäer oder Asiaten sind auf ihre Jobs angewiesen.
Asiaten? Klar! Denn auch Polen fahren für Firmen wie „Agmaz“ nicht mehr. Denn polnische Fahrer kennen mittlerweile auch ihre Rechte.

Müllverträge sind Standart

Usbeken und Georgier, also die, die hauptsächlich dort fahren, werden dagegen mit Dienstleistungverträgen abgespeist. Das sind eine Art Honorarverträge, für den die scheinselbstständigen Fahrer kein Gewerbe anmelden müssen.
In Polen nennt man diese Kontrakte auch „Müllverträge„, und werden kritisiert. Denn die Fahrer bekommen nur Geld, wenn sie einen Auftrag ausführen. Also fahren.

Außerdem bieten diese Dienstleistungsverträge bei sozialer Absicherung, Kündigungsschutz und Sozialbeiträgen wesentlich weniger Schutz wie reguläre Arbeitsverträge.
Verursachen sie Schäden, also am Lkw oder der Ladung, werden ihnen oft drei- bis vierstellige Beträge vom Lohn abgezogen. Was anschließend übrig bleibt, kann sich jeder selbst ausmalen.

Normalerweise sollte es ausgeschlossen sein, dass Fahrer so ausgebeutet werden. Denn es gibt Gesetze, die das eigentlich verhindern sollen. Zumindest in der Theorie ist das gut organisiert.
Fahren die zum Beispiel in Deutschland, steht ihnen der deutsche Mindestlohn zu, in den Niederlanden der niederländische u.s.w.

Nur soll es wohl auch Firmen geben, die Modelle gründen, mit denen Fahrer ausgenutzt werden. Tja. Und dann fehlen eben die Kontrollen, die dafür sorgen sollen, dass solche Gesetze eingehalten werden.

So viel dazu und jetzt zum letzten Freitag.

Da kommt der Pole Lukasz mit einer angeheuerten Söldnertruppe angerauscht, um in einem anderen Staat sein Faustrecht durchzusetzen. Das sieht so aus, die streikenden Fahrer von den Lkw zu vertreiben und neue, in Transportern mitgebrachte Fahrer einzusetzen, die mit den Lkw weiterfahren sollen.
Irgendwo habe ich allerdings gelesen, die hätten sich geweigert, als Streikbrecher gegen ihre eigenen Kollegen zu fungieren. Aber keine Ahnung, ob das wirklich so war.

Mit gepanzerten Fahrzeug auf Vormarsch

Also. Der Besitzer eines Transportunternehmens und eine Söldnertruppe wollen auf diese Art Lkw-Fahrern erklären, dass sie auf EU-Vorschriften husten.
Sorry, aber für mich läuft sowas unter, keine Ahnung, wie ich es ausdrücken soll. Vielleicht „Clan-Struktur„? Auf jeden Fall nicht unter normaler Kommunikation.

panzer von rutkowski patrol auf dem deutschen rasthof gräfenhausen
Wie kommt man mit so einer Karre überhaupt bis nach Südhessen? Keine Bundespolizei unterwegs?

Die Söldner-Truppe nennt sich übrigens „Rutkowski Patrol„. Deren Boss, Krzysztof Rutkowski, ist in Polen ziemlich prominent, tritt dort als selbsternannter Ermittler im TV auf.
Von 2003 bis 2004 war er auch Abgeordneter im Europäischen Parlament.

Seine Leute, also die „Rutkowski Patrol„, sehen aus wie aus einer FBI-Einheit geklont. Sturmhauben, schwarze Westen, ein metallener Stern um den Hals. Ziemlich gruselig.
Ein Video zeigt in Teilen, also nicht komplett, die Anfahrt der Rutkowski Leute.

Gedreht und veröffentlicht wurde es von einem Kanal, der sich „Patriot24.tv“ nennt. Ob der mit Rutkowski in Verbindung steht, weiß ich nicht. Aber ich nehme es mal an.

https://youtu.be/JEWCY_QKFvY
YouTube – Originallink >>>

Wie Lukasz Mazur, also der Spediteur, tickt, sieht man übrigens hier:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Lukasz hat Spaß am Leben

Kennzeichen des Lkw (WGM), Grodzisk Mazowiecki. Dort ist der häufigste Sitz von Leasinggesellschaften in Polen. Mehrere Großflotten sind dort registriert, z.B. auch von Girteka oder Demotrans. Das Teil in dem Video und wohl auch der Rest seiner Flotte ist/sind demnach im Besitz einer Leasingbank.

Damit dürfte Lukasz jetzt ein Problem haben. Weniger Umsatz, Leasingraten werden fällig. Und der Gesellschaft ist es egal, ob irgendwo in Deutschland Lkw von „Luk Maz“ oder „Agmaz“ auf einem Rasthof rum stehen. Die will nur, dass die Raten bezahlt werden.
Hoffentlich fällt der mit seinem Firmengeflecht auf die Schnauze.

Keine Verantwortung

Und auch die Auftraggeber sollten müssen Verantwortung für die Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe zeigen. Denn wie kann es sein, dass z.B. Sennder, ein hochgelobter „Sofa-Spediteur“, der als „Start-Up“ über eine Milliarde an Geldern eingesammelt hat, sich dieser Verpflichtung bisher entzieht?

Diese Fahrer dagegen vegetieren über Monate in ihren Kisten, müssen sich mit Dumpinglöhnen zufrieden geben, sind also auf jeden Euro, Złoty oder georgischen Lari angewiesen und fahren für eine Firma, die ein System aufgebaut hat, mit dem diese Fahrer nur ausgenutzt werden.

Kein Wunder, dass die rebellieren. Und statt mit einem Geldkoffer zu kommen, um die Leute wenigstens teilweise zu entschädigen, bringt man Söldner mit. Dafür hat die Spedition dann Kohle über?

Das erinnert an frühkapitalistische Zustände: Arbeiter werden brutal ausgebeutet und wenn es sein muss, auch gnadenlos niedergeknüppelt.
Aber egal wie diese Aktion ausgeht. Die Machenschaften einiger „Spediteure“ werden endlich öffentlich gemacht und Auftraggeber überlegen sich hoffentlich, mit wem sie da eigentlich zusammen arbeiten.

9 Comments

  1. SPages
    SPages 11/04/2023

    Also die Vorgänge sind schon extrem.

    Ändert sich etwas? Ja, wahrscheinlich schon. Aber leider wohl nur der Firmenname und der (eingesetzte) Geschäftsführer.

    • Jakop
      Jakop 15/04/2023

      Da ändert sich nichts. Denn in den letzten zwei Wochen habe ich so viele Agmaz und Imperia fahren sehen. Die machen schön weiter ihre Touren. Und in drei Wochen denkt niemand mehr an die Fahrer, die jetzt noch streiken.

  2. Anonymous
    Anonymous 11/04/2023

    Nächste Tour mit der Sattelmaschine gleich nach Norwegen oder? (YT-Video)
    Und das junge Büblein lässt sich gut gehen, auf den Blutschweiß anderer.
    sind schon krasse Zustände und das in einer EU im 20. Jahrhundert.
    Hoffe dass Speditionen zukünftig diese Firmen meiden und sozial vertretbare Firmen fahren lassen.
    aber am Ende zählt das Geld und die nächste Verbrecherfirma macht die Fuhren.

    • Jakop
      Jakop 15/04/2023

      Da ändert sich nichts. Denn in den letzten zwei Wochen habe ich so viele Agmaz und Imperia fahren sehen. Die machen schön weiter ihre Touren. Und in drei Wochen denkt niemand mehr an die Fahrer, die jetzt noch streiken.

  3. Martin
    Martin 13/04/2023

    Erlebt man auch nicht alle Tage;)

    Martin

  4. Martin W.
    Martin W. 13/04/2023

    Ja, was soll ich dazu sagen. Haben die Gewerkschaften davon nicht gewusst, dass viele LKW Fahrer auch in Westeuropa arbeiten für weniger als vorgeschriebenen Mindeslohn. Ich habe jeden Monat bis zum 300 Stunden gearbeitet und mein Brutto Gehalt war in det letzten 10 Jahren zwischen 1900 und 2200 Euro Brutto. Jede kann sich hier selbst ausrechnen was ich in der Stunde verdient hatte. Das war damals so und heute hat sich für viele immer noch nicht geändert. Das ist ni hts anders als eine moderne Sklaverei die von Kapitalisten geführt wird.
    Das schlimme ist, dass in den Medien nach LKW Fahrer geworben wird in dem man sagt, dass LKW Fahrer ein Traumberuf ist. Es ist beschämend, dass die Politik dagegen nichts unternimmt. Ich habe in meinem Beruf 43j. gearbeitet. Heute bin schon ein kaputte und gebrochene Mensch der knapp über 1100 Rente bekommt weil mein ganzes Leben bin nicht nur wie ein Sklave bezahlt sondern genauso von den Mächtigen als letzte Sklave behandelt. Ich war ständigt aus welchen Grund auch immer von Disponenten bedroht. Warum die LKW Fahrer suchen immer wieder neue Arbeistelle(?) Die Antwort ist einfach. Weil die meistens müssen jeden Tag bis zu 13 bis 15 Stunden arbeiten. Zu der Arbeit gehört nicht nur die Lenkzeit von 9 bis 10 Std sobder der LkW muss durch den Fahrer beladen und entladen werden, anschließend die Ware müssen noch bewacht werden, denn Diebe schlafen nicht, sondern warten auf ihre Opfer die ihren LKW irgendwo geparkt haben um die Ware zu stehlen. und wenn dies nicht möglich war dann nicht selten die LKW -Planen mit Messer zerschnitten wurden und nur deshalb damit die Diebe schauen könnten was der LKW Fahrer geladen hat.
    Die Arbeit eines LKW Fahrers ist eine schwere Tätigkeit. Die Fahrer werden physisch und psychisch so kaputtgemacht, dass wenn sie am Wochenende nach Hause kommen (wenn überhaupt) dann das Familie leben mit Frau oder Kinder ist in meisten Fällen undenkbar. Viele LKW- Fahrer und deren Frauen halten das einfach nicht durch und letztlich die Ehen werden kaputtgemacht und geschieden…

  5. Willers
    Willers 23/04/2023

    Dieses „Patriot24“ Video wurde wieder auf „privat“ gestellt. Das brachte wohl doch zu viel negative Publicity 😐

  6. […] es deutsche Lkw-Fahrer eigentlich als übergriffig, wenn usbekische und georgische Fahrer einen Rastplatz in Südhessen wochenlang blockieren, um auf ihre miserable Situation aufmerksam zu machen?Denn eigentlich haben […]

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.