Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Wir sind Lena. Wir sind deutsch.

Am Samstag war es mal wieder soweit: Wir haben gewonnen und waren alle Deutschland. Da spielt es keine Rolle, dass ein 19 – jähriges Mädel gewonnen hat. Deutschsein ist in und das wird zur Schau gestellt. Schließlich sind wir ja auch Papst und – von Zeit zu Zeit – auch alle Bayern.

Nur, worauf können wir eigentlich Stolz sein? Sind wir noch führend in Literatur? Oder in Kunst, Wissenschaft und Technik? Was bewegt Menschen, Ihre Autos mit schwarz-rot-gelben Fahnen zu verzieren?
Sind wir auch stolz darauf, dass unsere Vorfahren zig Millionen Menschen ermordet haben? Diese Vergangenheit gehört schließlich auch zur deutschen Geschichte. Genau wie Goethe, Schiller, Marx und Einstein. Oder Daimler, Bosch und Siemens.

Ich kann hier nur für mich persönlich schreiben: Ich sehe Deutschland nicht als mein Land an. Klar freue ich mich darüber, dass Lena Meyer-Landrut den Eurovision Song Contest gewonnen hat. Aber nicht etwa, weil Sie Deutsche ist, sondern weil mir Ihre unbekümmerte Art gefällt. Und das ist doch wieder irgendwie undeutsch. Also dieses unbekümmerte.

Wir alle kennen Stolz, auch ich. So freue ich mich über jeden gesparten Euro oder über ein Ziel, welches ich nach endlos langer Mühe und großen Anstrengungen erreicht habe. Das bedeutet für mich Stolz.
Warum sind Menschen stolz auf Ihre Nationalität? Schließlich haben wir unsere Staatsangehörigkeit ohne eigenes Zutun erhalten. Mehr noch – diese wurde uns quasi nachgeschmissen. Nicht das ich jetzt falsch verstanden werde: Es ist nichts verwerfliches, wenn sich Menschen mit ihrer Nation identifizieren können. Aber in meinen Augen ist es eben nicht notwendig. Denn wie ich bereits erwähnt habe – Stolz ist und bleibt für mich etwas, das ich mir selbst erarbeitet habe.

9 Comments

  1. hajo
    hajo 01/06/2010

    oh, lieber Maik, da schreibst Du wieder grosse Worte gelassen hin: das mit dem „wir sind ..“ ist meiner Meinung nach der größte Schwachsinn der letzten Jahre (stammt das nicht sogar von dem Blatt mit den vier Grossbuchstaben?).
    Aber Du bist ja tolerant und das ist gut so (wie der Alte Fritz: In meinem Staat kann jeder nach seiner Facon selig werden).
    Und was Lieschen Müller-Unfug betrifft: zumindest wirst Du sicherlich in den kommenden Wochen für Deine Grossmut belohnt werden
    .. mit der Übertragung dieses „Werkes“ auf allen Sendern 🙂
    In diesem Sinne noch viel Spass und pack schon mal Deine „externen Speichermedien“ aus.
    Gruß
    Hajo

  2. Jens
    Jens 01/06/2010

    Nun, ich muss dir grundsätzlich zustimmen, auch ich finde nichts an diesem Land, auf das ich Stolz sein könnte. Ebenso kann ich mit dem Patriotismus (Ich vermute, das ist das, worauf du hinaus willst) in anderen Ländern nicht viel anfangen.
    Allerdings (und jetzt kommt das aber) finde ich auch, dass man in Deutschland so etwas wie richtigen Patriotismus gar nicht lernt (lernen kann?). Dazu bekommt man einfach viel zu schnell eine mit der Nazi-Keule, sobald man nur für sein Land ist (Disclaimer: Die braune Pest kann ich nicht ausstehen). Um Patriotismus zu „erleben“, muss man sich schon in anderen Ländern umsehen, wo es einfach normal ist, dass die Landesflagge überall hängt etc.
    Ein weiterer Punkt ist denke ich, dass in D das Gefühl des „zusammen wirken“ nicht da ist. Während andere Länder (siehe z.B. als extreme Beispiel die Schweiz) aktiv an ihrer politischen und gesellschaftlichen Entwicklung mitwirken geht „der Deutsche“ (natürlich nicht alle, aber viele) alle paar Jahre mal wählen und fühlt sich ansonsten nicht dafür verantwortlich (wobei ich gar nicht sagen will, dass es unbedingt seine Schuld ist).

    Letztlich ist Patriotismus einfach etwas, das man von seinen Mitbürgern lernt (oder eben nicht), wenn man in einem Land auf wächst. Und das passiert in D wegen der 6 braunen Jahre nicht.

  3. actro
    actro 01/06/2010

    Ach was.. die haben uns nur gewinnen lassen, weil ja jemand ihre bailouts bezahlen muß 😉

    Dieser künstliche „Patriotismus“ geht mir allerdings auch sowas von auf den Geist..
    Nichts gegen eine gesunde Portion Nationalstolz, wenn wir wirklich mal etwas geschafft haben, auf das man auch stolz sein kann, nur nervt es mich, daß dann wieder irgendwelche Parallelen zu Dingen hochgeholt werden, für die ich mich nicht verantwortlich fühle, weil ich da noch gar nicht geboren war.
    Vor allem aber nervt es, immer wieder von einem Volk den Spiegel vorgehalten zu bekommen, das vielleicht lieber einmal selber hineinblicken sollte..

  4. Whoopster
    Whoopster 01/06/2010

    Ich würde es mal von der anderen Seite sehen: Ich denke dass viele Menschen gerade durch die Hitler-Zeit und WW2 ihren Patriotismus verloren haben, bzw. eingetrichtert bekamen dass Sie diesen nichtmehr zur Schau stellen durften!

    Langsam aber sicher merken die Leute dass Sie wieder „Flagge bekennen“ können, ohne sofort einen Stempel aufgedrückt zu bekommen.

    Und irgendwie hat es ja schon was tolles wenn man – wenn auch nur kurzfristig – das Gefühl hat dass es einen nationalen Zusammenhalt gibt.
    Man muß sich ja deshalb nicht gleich Patriot nennen und auf der Fahne schlafen…

    🙂 Sascha

    Sascha

  5. Andreas
    Andreas 01/06/2010

    Zustimmung, Maik ;-). Ich glaube, es war der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann, der auf die Frage, ob er sein Land liebe, sagte, er liebe seine Frau.

    Und der Songcontest zeigt meines Erachtens, dass es Nonsens ist, diesen Sieg als den Sieg eines Landes zu sehen: gewonnen hat ihn eine junge Frau, gefördert von einem nicht mehr ganz so jungen Mann. Gewonnen hat ihn auch Europa – weil es möglich war, dass diese junge, unkonventionelle und fröhliche Frau so viele Menschen aus so vielen Ländern mit einem eigentlich doch sehr schlichten Liedchen bezaubern konnte. Das hat doch wesentlich mehr Größe, als dem Interpreten des Nachbarlandes – oder des vermeintlich befreundeten Landes – ungeachtet der Qualität des Beitrags 12 Punkte zuzuschustern.

  6. Spottdrossel
    Spottdrossel 01/06/2010

    Naja, für „wir sind Papst, Du bist Deutschland, und „wir haben gewonnen“ kann ich mich auch nicht erwärmen.
    Andererseits: hast nicht gerade Du zum Thema „andere Länder, andere Sitten“ schon so einiges erlebt?
    Sowas wie Zuverlässigkeit, was uns ja gerne mal nachgesagt wird, wäre jetzt nichts, wofür ich mich schämen würde.
    Ich schätze mal, wo andere Länder zu sehr übertreiben (siehe USA, wehe, die Fahne fällt auf den Boden…) haben wir noch keinen eleganten Mittelweg gefunden und deswegen werden so alberne, nebensächliche Ereignisse als Ventil benutzt.

  7. Spacefalcon
    Spacefalcon 01/06/2010

    Gibt es sowas wie den typischen Deutschen überhaupt? Mal als Frage in den Raum geworfen…

  8. Andreas
    Andreas 01/06/2010

    Klar, der typische Deutsche ist zwischen 40 cm und 2,49 m groß, hellblond bis dunkelschwarz, 2,5 – 250 Kilo schwer, männlich oder weiblich, christlichen, jüdischen, muslimischen, eines anderen oder gar keines Glaubens, wählt links oder rechts oder dazwischen oder daneben oder gar nichts, ist On- oder Offliner, spricht mehr oder weniger gut die Landessprache …

    Spass beseite, hierzulande ist Vielfalt möglich, auch wenn das einigen immer noch nicht in den Kram passt. Und wenn es um Stolz in Bezug auf das Land gehen soll, dann empfinde ich diesen bestenfalls, aber unter anderem, dort, wo die Repräsentanten – unabhängig davon, welcher Partei sie gerade angehören – mehr oder wenig streight am Projekt der europäischen Einigung arbeiten. Das geht nur, wenn man sich selbst und sein Land ein wenig zurücknimmt.

    Was mir am ESC besonders gut gefallen hatte, war die Stimmung in Oslo und die gemeinsame Party von Eriwan bis Dublin, von Helsinki bis Bukarest. Da ging es nicht darum, wessen *** größer ist. Das war schliesslich mal anders.

  9. Ralf
    Ralf 04/06/2010

    […] Stolz ist und bleibt für mich etwas, das ich mir selbst erarbeitet habe

    Eine Nation zu sein, die von anderen Nationen respektiert und geachtet wird, ist der Verdienst aller derer, die dieser Nation angehören. Warum solltest du also nicht Stolz sein?
    Ich schreibe bewusst Nation und nicht Deutsche oder Deutschland. Denn Deutscher ist man quasi durch Geburt. Eine Nation ist eher eine Gemeinschaft von Menschen die sich zusammengehörig fühlen. Somit kann also jeder, unabhängig seiner Staatsbürgerschaft oder Herkunft, der sich dieser Gesellschaft angehörig fühlt stolz darauf sein die Gesellschaft so (mit)geformt zu haben wie sie ist.

    Auch wenn nicht alles Gold ist und nicht jeden Tag die Sonne scheint, haben wir es im Großen und Ganzen jedoch ganz gut. Zumindest werden die Menschenrechte in diesen Land nicht großflächig mit Füßen getreten. Und falls doch mal etwas im argen liegt, kann man es zumindest anprangern ohne um sein Leben fürchten zu müssen.

    Was die Geschichte anbetrifft, naja, andere haben auch Dreck am Stecken. Formulieren wir es mal so.
    die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass andere Völker es nicht besser machen. Der Deutsche Staat jedoch so langsam den Mut aufbringt, dies zu verhindern zu versuchen.

    Für den ESC habe ich nicht sonderlich viel Interesse aufbringen können, konnte mich da dementsprechend auch nicht sonderlich gut vertreten fühlen. Aber es lag ja quasi in der Hand der Deutschen zu entscheiden wer diesmal für dieses Land singt. Als Gemeinschaftsleistung bei der Auswahl hätte man demnach also durchaus Stolz auf das Ergebnis sein können. Bei früheren ESCs sah das ja noch ganz anders aus, weswegen ich mich damals viel mehr gefragt habe was ich denn mit dieser Veranstaltung zu tun habe. Ausgenommen das in meinem Ausweis zufällig ein D bei Nationalität steht.

    Bei der Fußball-WM sieht es ähnlich aus. Weder kann ich mitbestimmen welche Spieler mitspielen, noch kann ich anders Einfluss auf die WM nehmen.
    Ich versuche es dennoch positiv zu sehen. Auch wenn ich mit der WM an sich nicht viel am Hut habe, kann man sich ja trotzdem an der überwiegend positiven Stimmung im Land erfreuen.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.