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Wegmarken

Vor Jahren speicherte ich einen Text auf meinem Rechner ab, den es so oder ähnlich sicherlich noch zigtausend mal im Internet gibt.
Trotzdem macht es sich von Zeit zu Zeit immer mal wieder gut, diese Zeilen durchzulesen:

Die wenigsten haben einen Nachnamen. Sie hießen, so können wir es gerade noch im Vorbeifahren lesen, Dirk, Andreas, Sandy, Ralf und Bernd – oder Julia, Robert, Frank und Yvonne. Oder einfach nur: WARUM.

Noch jung waren Sie alle. Und einer fuhr immer zu schnell. Nirgends ist das Sterben, ist der Tod so öffentlich wie entlang der Landstrassen. Nirgends ist auch das Gedenken so öffentlich, so laut, so brüllend wie hier inmitten der an- und abschwellenden Gesänge der Motoren. Nirgends sonst findet man auch in der freien Landschaft das ganze Jahr über frische Blumen. Nur hier.

An diesen Straßenkreuzungen, an diesen Todes- und Wegmarken für jene, die nicht mehr angekommen sind. Diese Unfallorte sind „Unorte“, Zeichen von „Unordnung“, Symbole von Fehlhandlungen, aber auch – im Falle des tödlichen Unfalls – von letzter des geliebten Menschen eigener, selbstständiger Handlung.

Die letzten Sekunden vor dem Aufprall

1,0 sek.: Die Bremsen blockieren. Der Baum kommt unausweichlich auf Dich zu…

0,9 sek.: Du siehst, wie die Knöchel weiß werden. Du umklammerst das Lenkrad so fest, als würdest Du mit ihm bremsen können…

0,8 sek.: 30 cm bis zum Baum…

0,7 sek.: Du hörst, wie Stoßstange und Kühlergrill zermalmt werden….

0,6 sek.: Dein Körper rast mit 80 km/h nach vorn. Du wiegst mehr als 3 Tonnen und wirst mit zwanzigfacher Schwerkraft aus dem Sitz gehoben. Du hörst, wie Deine Beine am Kniegelenk brechen…

0,5 sek.: Dein Körper ist starr aufgerichtet. Die gebrochenen Kniegelenke werden mit ungeheurer Wucht gegen das Armaturenbrett gepresst. Umhüllung und Stahlfassung des Lenkrades biegen sich unter Deinen Händen…

0,4 sek.: 60 Zentimeter des Autobugs sind total deformiert. Dein Körper rast weiter mit 80 km/h. Der Motor prallt mit 112 Tonnen Gewicht auf den Baum…

0,3 sek.: Dein Hände haben sich in Todesangst in das Lenkrad verkrallt. Sie biegen es fast vertikal. Deine Gelenke und Unterarme brechen. Du wirst von der Lenksäule durchbohrt. Stahlsplitter dringen in den Brustkorb, reißen Löcher in die Lungen, zerfetzen die inneren Arterien. Blut dringt in die Lungenflügel…

0,2 sek.: Deine Füße werden aus den Schuhen gerissen. Das Bremspedal bricht ab, das Fahrzeuggestell bricht in der Mitte ein… Bolzen lösen sich. Schrauben reißen ab. Dein Kopf kracht gegen die Windschutzscheibe. Du hast keine Zeit mehr zum Schreien…

0,1 sek.: Das Auto krümmt sich. Die Sitze haben sich aus den Verankerungen gelöst. Sie schnellen nach vorn. Sie pressen Deinen Brustkorb gegen die gesplitterte Lenksäule. Blut schießt aus dem Mund. Das Herz bleibt stehen durch den Schock.

0,0 sek.: Du lebst nicht mehr.

Wegmarken am Strassenrand

Dazu passt auch dieser Beitrag, den ich bei Eigent.li/ch gesehen habe:

Auch wenn es unzählige Fälle gibt, bei denen es auf die Differenz nicht mehr angekommen wäre: Dieser Spot zeigt a) extrem deutlich und b) extrem gut produziert was lächerliche fünf km/h für einen Unterschied ausmachen können.

5 Comments

  1. Paddy
    Paddy 02/01/2010

    …und irgendwann dazwischen schiesst einem wohl noch durch den Kopf: WARUM?

    Warum ich? Warum bin ich bloss gerast? Warum habe ich bloss SMS geschrieben? Warum habe ich bloss keine Pause gemacht. Warum bin ich bloss nicht mit dem Taxi heim?

  2. […] Wegmarken | truckonline.de/blog/2010/01/02/wegmarken – view page – cached Vor Jahren speicherte ich einen Text auf meinem Rechner ab, den es so oder ähnlich sicherlich noch zigtausend mal im Internet gibt. Trotzdem macht es sich von […]

  3. Lichtwicht
    Lichtwicht 02/01/2010

    … die verdammte Physik! Höchste Zeit etwas gegen diese Bäume zu unternehmen…

  4. hajo
    hajo 02/01/2010

    Paddy: zu solchen Gedanken kommst Du nicht mehr – sieh Dir mal die Zeitmarken an, eine Zehntelsekunde ist derart wenig … 🙁
    Maik: es ist gut, sich immer wieder derartige Bilder vor Augen zu führen, aber kommen diese Bilder wirklich immer bei den Richtigen an?

  5. Stefan
    Stefan 04/01/2010

    Das Video mit den 5km/h unterscheid ist zwar Lustig, sagt aber dennoch wenig aus. Klar unter Laborbedingungen ist es schon so das dieser geringe Unterschied einiges ausmacht. Das Leben ist aber nun mal kein Labor. Im Grundsatz ist es natürlich immer besser langsamer zu sein, das erhöht die „Reserven“ ob nun beim bremsen, ausweichen oder beim Aufprall. Das Problem liegt halt darin irgendwo nen vernüftigen Kompromiss aus Nutzen (Geschwindigkeit) und Risiko (Anhalteweg) zu finden.

    Mit einem ähnlichen Beispiel wollte mich Sommer ein netter Polizist belehren, als er mir den Anhalteweg ausrechnete, um mir wegen 5km/h über dem Limit ein schlechtes Gewissen einzureden. Ich hab ihm dann ausgerechnet welchen Anhalteweg sein Dienst T3 – Bulli mit 8 Jahre alten Ganzjahresreifen hätte, im Vergleich zu meinem Auto. Da war er dann ruhig. Hat aber die 15€ trotzdem kassiert…

    Grüße

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