Heute Nachmittag in Hamburg für eine Firma im Siegerland geladen. Bis zum Kunden sind es ungefähr 430 Kilometer. Der Chef hier oben meinte zum Abschied: „So gegen sechs morgen früh bist Du ja beim Empfänger!“ Ich habe natürlich mit „Ja, klar“ geantwortet.
Aber psst, mal unter uns: Meine Pause endet um zwei. Es wird also ein wenig später, bis ich da ankomme. Aber ich gebe wie immer mein bestes. Versprochen.
Der erste dienstliche Anruf gestern früh kam kurz nach halb neun, eine gute halbe Stunde, nachdem ich losgefahren bin: „Guten Morgen, wo bist Du?“ Ich überlegte kurz und antwortete: „Äh, zu Hause!“ Die Reaktion klang ein wenig erregt: „Du machst Scherze. Um halb acht hattest Du Termin. Da steht ein Kran, die warten auf Dich!“
Komisch nur, dass ich davon nichts wußte. Oder ich hatte es letzten Freitag überhört. Um das ganze etwas zu entschärfen, antwortete ich: „Nee, ich bin bei Eisenach. Es wird aber zehn, bis ich bei dem Kunden bin!“ Kurz vor zehn der zweite Anruf: „Na wie läufts?“ „Normal, in fünf Minuten bin ich da!“ „Gut. Nur zur Info. Die sind da ein wenig aufgebracht!“
Kurz darauf trudelte ich in der Firma ein. Ein kleiner Steinmetzbetrieb, irgendwo in der Rhön. Der Chef erwartete mich bereits, von Aufgeregtheit aber keine Spur. Ich denke mal, er hatte sich schon am Telefon beim Gespräch mit meinem Disponenten abreagiert.
Hamburg, Freitagvormittag. Ich hatte es mir so schön ausgerechnet. Bis Mittag geladen, Samstag früh in München ausladen. Aber es sollte wie so oft ganz anders kommen. „Vor 17 Uhr ist die Ware nicht fertig„, brummt der griesgrämige Lagerist. „Just in Time“ nennt man die Produktion ohne Lagerhaltung. Das funktioniert nur, weil wir Fahrer die Produktionspannen ausbügeln. Also schnell eine Mütze voll Schlaf nehmen, um die Nacht durchzuhalten. Gar nicht so einfach: Draußen sind 28 Grad im Schatten, in der Kabine herrschen Saunatemperaturen.
Endlich beladen
Gegen 18 Uhr ist mein Laster endlich beladen. Zwei Termine gilt es jetzt einzuhalten. Erstens muss die Ware bis 7 Uhr in München sein, sonst steht dort die Produktion still. Zweitens muss ich die Strecke Hamburg-München in höchstens 10 Stunden schaffen. Das ist eine EU-Regelung über Lenk- und Ruhezeiten. Kritisch wird die Sache, weil an diesem Freitag ganz Hamburg in Richtung Süden fährt. Stop and go ist angesagt. Die 10 Stunden Fahrzeit werde ich wohl vergessen können. Zumal Lkw heutzutage einen Tempobegrenzer haben, der gnadenlos bei 88 km/h abregelt.
Vor mir zuckeln zwei Türken mit 80 Sachen. Endlich ist das Überholverbot vorbei. Lücke auf der Überholspur abwarten, raus. Manchmal kannst du stundenlang blinken, und es lässt dich kein Pkw-Fahrer raus. Als nächstes ein Pole, der mit 70 dahinzuckelt. Ich überhole, aber der Kollege hat nur was in der Karte gesucht. Als ich auf der Höhe seiner Kabine bin, bemerkt er mich und gibt wieder Gas. Polnische Laster haben keinen Begrenzer. So muß ich mich wieder hinter ihm einordnen. Die Autofahrer hinter mir in der Schlange werden mich jetzt verfluchen. Ich würde ja gerne zügig überholen, aber es war die Pkw-Lobby, die uns den Begrenzer eingebrockt hat.
Überholen trotz Verbot
Die Steigung nach der Werratalbrücke krieche ich mit 15 km/h hinauf, obwohl ich mit meinen 410 PS und 25 Tonnen Gesamt- gewicht locker mit 60 Sachen hochfahren könnte. Vor mir kitzelt ein Tscheche das Letzte aus seinem Uralt-Liaz. Etliche Kollegen ziehen trotz Überhoverbot vorbei – Holländer, Österreicher, Skandinavier. Wenn die von der Polizei erwischt werden, kostet es sie das gleiche wie uns. Aber Punkte bekommen nur wir Deutschen. Die Osteuropäer haben nur zwei Sätze drauf: „Nix verstehn!“ und „Nix Geld!“. Kein Wunder , dass sich die Polizei lieber an uns Einheimische hält.
Über Funk melden Kollegen, dass ein Abfangjäger in meiner Richtung unterwegs ist. Lkw sind für die Polizei wahre Gold- gruben. So ein Lkw hat etwa 40 Lichter, zwölf Reifen, zwei TÜV-Plaketten, ASU-Plakette, Eichplombe, eine Unmenge von Sicherheitseinrichtungen sowie einen Stapel Fahrzeug- und Frachtpapiere. Wofür man alles bestraft werden kann, ist totaler Wahnsinn. Der Freitag ist für Polizei und Gewerbeaufsichtsamt Zahltag. Denn ich muß auf Verlangen die Tachoscheiben der ganzen Woche plus die letzte Scheibe der Vorwoche vorlegen. Und irgendwann in sieben Tagen hast du bestimmt deine Zeiten nicht eingehalten.
Aber sind denn die Straßen nur für die Pkw-Fahrer da? Glauben die alle wirklich, dass der Güterverkehr über die Bahn abgewickelt werden kann und wir die Sachen aus lau- ter Eigensinn durchs Land karren? Weil wir die Welt von BMW, Mercedes oder Porsche stören, macht es sich gut für Presse, Politik und ADAC, auf uns herumzutrampeln.
Der Satz „Fernfahrer sind potenzielle Mörder“ tut weh.
Ich habe einen Punkt in Flensburg, weil ich mit dem Pkw zu schnell gefahren bin. Der Frust ist groß unter den Fahrern. Aber Krieg mit den Pkw? Diesen Ausspruch höre ich von keinem meiner Kollegen. Im Winter haben wir Eis und Schnee, im Sommer sind es die Touristen, die uns das Leben schwer machen.
Weiter gehts in Richtung Süden. Gegen zwei Uhr werde ich müde , aber es ist aussichtslos, einen Parkplatz anzusteuern. Es gibt zu wenig freie Plätze. In Aurach halte ich in zweiter Reihe an der Tankstelle, lasse die Beleuchtung an, döse ein wenig, bis mich ein Kollege weckt, weil er weiterfahren will.
In Ingolstadt ist meine Fahrzeit von zehn Stunden zu Ende. Ohne die vielen Staus heute Nacht wäre ich in 9 1/2 Stunden in München gewesen. Eigentlich müßte ich jetzt 8 Stunden Pause machen. Aber wen interessieren meine Stauprobleme? Die Ware muß um 7 Uhr in München sein. Jetzt darf ich mich nicht mehr erwischen lassen. Na ja, ein guter Polizist würde Verständnis haben. Ein Anfänger, der noch keinen Stern auf der Schulter hat, würde mir 50 Mark abknöpfen. Und etliche Lkw-Hasser unter den Grünen würden mich abstellen. Aber alles geht glatt. Ich erreiche pünktlich die Entladestelle.