…ihr habt alle studiert, damit Ihr Euren wichtigen Beruf ausüben dürft. Ihr wisst, worauf es bei einem Artikel ankommt, wie man Leser auch das entfernteste Szenario miterleben lassen kann. Ich habe da wirklich Respekt davor.
Schon als Heranwachsender habe ich gerne die Lokalzeitung gelesen, welche meine Eltern aboniert hatten. Die hieß „Das Volk“ und war das „Organ der Bezirksleitung Erfurt der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands„. Die Politikseiten wurden meist ignoriert, wen interessierten schon die Beschlüsse des X. Parteitages.
Interessant waren hauptsächlich die Lokalseiten und der Sportteil. Wie fieberte ich jedesmal mit, wenn die olympischen Heldentaten unserer Sportler gefeiert wurden oder wie enttäuscht war ich über den Spielbericht meiner Rot-Weißen aus Erfurt, wenn es selbst gegen Stahl Brandenburg nur zu einem Unentschieden reichte.
Aber das ist lange her. „Das Volk“ nennt sich nun „Thüringer Allgemeine„, Rot-Weiß Erfurt verliert jetzt gegen Paderborn und den politischen Teil? Den lese ich mittlerweile regelmäßig. Von der Pressevielfalt mal ganz abgesehen. Es gibt einige große überregionale Blätter und noch mehr kleine, lokale Zeitungen. Die lese ich noch lieber. Diesen Einblick in die Gegend in der ich gerade bin, mag ich. Man merkt, wie die Menschen in der Region ticken, was die umtreibt.
Natürlich muss das auf Papier geschehen und nicht auf einem Tabletcomputer. Eine Zeitung vor mir hat etwas gemütliches. Die Augen über die Beiträge wandern zu lassen ist viel entspannter, als von Artikel zu Artikel scrollen zu müssen. Dazu das Gefühl, die Druckerschwärze noch riechen zu können. Das ist kaum zu ersetzen.
Trotzdem hat das digitale Zeitalter auch einen Vorteil. Man kann praktisch jede Zeitung lesen, egal wo man ist. So bringt mir die „TA“ immer meine Heimat nahe. Aufs Wochenende zu warten, um von einem Unfall vor meiner Haustür zu erfahren, gehört lange der Vergangenheit an.
Ebenso andere schreckliche Berichte. Heute kann ich in Bologna lesen, wenn es auf der A2 bei Gütersloh einen Auffahrunfall mit drei Lkw gegeben hat. Spannende neue Welt.
Oder ich lese bei Verona, dass auf der A4 bei Bad Hersfeld eine „tickende Zeitbombe“ aus dem Verkehr gezogen wurde. Mit mangelnder Ladungssicherung, technisch miserablen Zustand und völlig überladen mit zwei riesigen Baumaschinen.
Bei den zwei erstgenannten Vergehen stimme ich zu. Das funkioniert so nicht. Diese Art von Ladung gehört auf einen Tieflader, gesichert mit Ketten. Und das der Auflieger alles andere als verkehrssicher ist, dürfte dem Bericht zufolge auch klar sein.
Was aber auch nicht funktioniert, ist der Artikel an sich. Schon diese Art von Überschrift bin ich normal nur von der „BILD“ gewohnt. Aber „tickende Zeitbombe“ klingt halt spektakulärer, als „Lkw bei Kontrolle still gelegt„. Der Leser muss halt gelockt werden.
Auch der Rest hat wenig mit seriöser Berichterstattung zu tun:
Auf der Ladefläche des Sattelaufliegers standen zwei riesige Baumaschinen (21 Tonnen), die nur mit Spanngurten und nicht mit Ketten gesichert waren.
Das mit Gurten und Ketten ist in Ordnung. Habe ich ja schon geschrieben. Nur wo sind die zwei riesigen Baumaschinen? Wenn überhaupt, sehe ich nur eine. Den Bagger. Auf dem Bild in dem Bericht erkennt man an der Stirnwand ein kleineres Teil. Keine Ahnung was das ist. Auf jeden Fall nicht riesig.
Die Polizei hat bei Friedewald einen völlig überladenen Lastwagen von der A4 geholt. Der Druck auf die Räder war so groß, dass der Straßenbelag eingedrückt wurde.
Völlig überladen mit 21 Tonnen? Der nächste Quark. Da wäre der Lkw den ich fahre, dauernd zu schwer. Ist er aber nicht. Wenn die mittlere der drei Achsen des Aufliegers wirklich mit Spangurten unter dem Auflieger fest gezurrt wurde, war vermutlich die Achslast etwas überschritten. Ist auch Gülle, aber was ganz anderes.
Das der Straßenbelag eingedrückt wurde, liegt vermutlich an dessen schlechten Zustand auf dem Kontrollplatz und daran, dass der Lkw zu eng um die Kurve ziehen musste.
Noch eine Anmerkung zum Schluß:
…und ein Teil der Befestigung der Bordwand entfernt werden
Was für eine Bordwand? Diese Auflieger haben keine Bordwände. Wenn doch, habe ich meine irgendwo verloren. Scheiße!
Es ist mir klar, dass Redaktionen sparen müssen und deshalb Beiträge gekauft werden. Das dabei nicht jede einzelne Meldung überprüft, sondern einfach übernommen und veröffentlicht wird, ist aber nicht so toll. Da fühle ich mich als Leser ein wenig veralbert.