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Das Nomadentum war Thema im Bundestag

Bereits letzte Woche debattierte der Bundestag zum Abschluss der Haushaltswoche über die Einzelpläne der Ressorts Verkehr und digitale Infrastruktur. Das für mich bemerkenswerte daran war, dass in der Rede des Abgeordneten Udo Schiefner erstmals die Situation der Berufskraftfahrer erwähnt wurde:

Letzter Punkt – Kollege Brackmann hat es bereits angesprochen -: Wir sind auf leistungsfähiges Personal angewiesen, das den Anforderungen der Branche gerecht wird. Logistik schafft und sichert anspruchsvolle Arbeitsplätze. Fast 10 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in der Logistikbranche, etwa 2,8 Millionen Menschen. Fast ein Drittel von ihnen fahren auf unseren Straßen. Die eigentlichen Stützpfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolges sitzen also hinter dem Lenkrad. Anerkennung und Wertschätzung erhalten sie dafür kaum. Im Gegenteil, ihre Arbeit hat unberechtigt ein schlechtes Ansehen, wie ich finde. Die Branche leidet an Nachwuchsmangel.

Deshalb müssen wir – das ist mein letzter Satz – die Rechte und Möglichkeiten dieser Branche und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken und müssen vor allen Dingen das Nomadentum auf den Autobahnen und Rastplätzen Deutschlands beseitigen.

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Das Nomadentum beenden. Klar. Es kann nicht sein, dass Rastplätze am Wochenende so belegt sind, wie an einem Montagabend um neun. Dann natürlich zu schätzungsweise 95% mit osteuropäischen Lkw. Deren Fahrer wochenlang nicht mal ansatzweise in die Nähe Ihres Wohnorts kommen.

Schön das diese Problematik so langsam an den Stellen ankommt, die diese Misere mit zu verantworten haben. Nämlich in der Politik. Das kommt natürlich nicht von ungefähr. Einige Tage vor dieser Debatte überreichten sechs Berufskraftfahrer – alle in der AidT organisiert – einen Katalog an Forderungen, aber auch mit konkreten Lösungsvorschlägen, den Mitgliedern des Bundesverkehrsausschusses, Kirsten Lühmann und Udo Schiefner (beide SPD).

Nur ein Beispiel: Diese Kleintransporter mit dieser Hundehütte auf dem Dach, hat bestimmt jeder von Euch schon einmal gesehen. Viele von denen sind in Polen zugelassen. Nur hat sich schon mal jemand Gedanken über die Arbeitsbedingungen der Fahrer dieser rollenden Zwinger gemacht?

Bei dem Treffen der sechs letzte Woche in Berlin – plus dem Journalisten Jan Bergrath, der das organisiert hat – wurde eine Mappe übergeben, in der u.a. diese Problematik dokumentiert wurde. Was da allein mittlerweile abgeht, ist erschreckend. Überladung wird von vielen Auftraggebern billigend in Kauf genommen, Strecken von mehr als tausend Kilometern müssen innerhalb 24 Stunden bewältigt werden, die Frachtpreise liegen meist bei nicht einmal fünfzig Cent pro Kilometer.
Das ist modernes Sklaventum. Die Fahrer werden verheizt, Firmen ausgetauscht. Geht eine pleite, steht bereits die nächste vor der Tür.

Jetzt ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter Andrea Nahles (SPD) am Zug. So könnte Deutschland die EU-Verordnung zu den Ruhezeiten in nationales Recht umwandeln. So wie es bereits in Frankreich und Belgien gehandhabt wird.
Nämlich das die 45 – Stunden Ruhezeit nicht mehr im Lkw verbracht werden darf. Wer dagegen verstößt, muß mit drastischen Strafen rechnen. Nur muß das auch umgesetzt werden. Genau daran hapert es hierzulande.

Im Bundesamt für Güterverkehr ist man noch immer der Meinung, Fahrer dürften während ihrer Pause nicht gestört werden. Nur was ist das für eine „Wochenendruhe“, die auf einem versifften und lauten Rasthof verbracht werden muß? Im Klartext keine. Montag in aller früh fahren die los, ohne wirklich eine Erholung genossen zu haben.

Das hat mit Verkehrssicherheit nichts mehr zu tun. Da werden eher Wettbewerbsvorteile verteidigt, von denen nicht nur osteuropäische Transportfirmen profitieren, sondern auch große westeuropäische Logistikfirmen. Der oft gepriesene deutsche oder westeuropäische Mittelstand bleibt dabei auf der Strecke. Und das kann es wohl nicht sein.

5 Kommentare

  1. hajo
    hajo 19/09/2015

    Udo Schiefner scheint ja zumindest schon mal wirklich gearbeitet zu haben, im Gegensatz zu Andrea Nahles!
    Natürlich hat er uneingeschränkt Recht, aber wird das die „Hürde Mutti“ überwinden? Ich fürchte, eher nein und so wird es leider wiedermal bei Bla-Bla-Bla bleiben.
    Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen, aber … 🙁

  2. Gregor Ter Heide
    Gregor Ter Heide 19/09/2015

    den LKW zum Standort zurück zu holen, um das lange WE zu gewährleisten zu wollen, ist wirtschaftlich falsch. Das wird garantiert vom EuGH gekippt.

    Ein BKF zum familiärem Teilhaberecht des Art. 6 GG !

    Das LKW-Fahrerhaus ist zulassungsbedingt keine Arbeitsstätte und hat auch kein Ruheraum, vor allem wegen der zu geringen Größe und der fehlenden Schall- bzw. Wärme-Isolierung. Es fehlen derzeit mind. 1,25 qm Raum-Fläche wegen dem Arbeits- und Ruheraum im Fahrerhaus.

    In der alten VO (EWG) 3820/85 stand im Art. 8 Abs. 6 ….. ist dem Betroffenen auf dessen Antrag hin am Aufenthaltsort des Fahrzeugs oder am Heimatort des Fahrers zu gewähren.

    Das Fahrerhaus auch nicht zum arbeiten und schlafen da. Demnach ist das LKW-Fahrerhaus für den öffentlichen Straßenverkehr auch nicht zugelassen worden. Wer gerne immer am langen WE unterwegs sein will, der kann sich das jeweilige WE mit den 52 Überstunden (ab 208 Std.) auf der Gehalts-Abrechnung verrechnen lassen. Somit hat er gewollt seine Freizeit irgendwo in der EU, wo grade der LKW steht.

    Das LKW-Fahrerhaus war und ist grundsätzlich auch nicht dafür vorgesehen gewesen bzw. auch nicht dafür da, dass sich der BKF während der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit, sich auch ordentlich „erholen“ bzw. ordentlich ausruhen kann; und das auch noch fern ab der Familie, sodass dazu dieser Aspekt, eindeutig iZm. dem LKW-Fahrerhaus, ein Verstoß gegen Art. 6 (1), (2) GG Art. 7, Art. 31, Art. 33 GrCh und Art. 8 EMRK vorliegt.

    Das alles wissen die zuständigen Politiker jetzt.

    Trotzdem wird es deswegen jetzt eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG geben.
    Wenn dort nicht erreicht wird … geht es zum EuGHMR.

    Wenn es ein einheitliches BKF-Gehalt von 12 € in der EU gibt, dann könnten die BKF evtl. auch auf die 90 Std. Lenkzeit Begrenzung in der Doppelwoche verzichten und evtl alle 3 Wochen unterwegs sein und eine Woche ganz zu Hause.

  3. Stefan
    Stefan 21/09/2015

    Was ich in puncto „erholsame Ruhezeiten“ auch nie verstehe:
    oft stehen die LKW in vorderster Front zur Autobahn und schirmen die hinter ihnen stehenden PKW lärmtechnisch ab, damit die es auch ja schön ruhig haben.

  4. hajo
    hajo 22/09/2015

    na ja, Stefan, im ersten Anschein hast Du echt, dabei vergisst Du jedoch, dass LKW-Fahrer „etwas“ höher sitzen als selbst ein SUV-Dach ist. Somit wäre der Vorteil nur die Entfernung und die spielt keine wesentliche Rolle.
    Ausserdem wird auch Schall reflektiert, von den Autodächern, die – wegen cw-Wert – auch noch schön glatt ist, nicht zu reden.

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