Wer meine letzten Beiträge und die der vergangenen Jahre verfolgt hat, erkennt ein klares Muster: Eine Chronologie gesamtgesellschaftlicher Fehlentscheidungen, die sich über Jahrzehnte und durch alle politischen Parteien ziehen.
Gastbeitrag von Udo Skoppeck
Diese Fehler sind nicht das Ergebnis einzelner Missgeschicke, sondern Ausdruck eines Systems, das konsequent an den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung vorbeiarbeitet. Von wirtschaftspolitischen Weichenstellungen über Sozialpolitik bis hin zu Themen wie Bildung, Gesundheit, Arbeitsrecht, Steuergerechtigkeit oder Klimaschutz – immer wieder wurden Entscheidungen getroffen, die kurzfristigen Interessen und Klientelpolitik den Vorrang vor langfristigem gesellschaftlichem Wohl gaben.
Die Konsequenzen sind offensichtlich: soziale Ungleichheit, ein überforderter Sozialstaat und eine immer weiter wachsende gesellschaftliche Spaltung, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, und die Gesellschaft ist zunehmend polarisiert.
Als Lkw-Fahrer erlebe ich diese Entwicklungen tagtäglich auf der Straße und in meinem beruflichen Umfeld. Ich sehe, wie hart arbeitende Menschen immer wieder unter den Folgen politischer Entscheidungen leiden, die an der Realität vorbeigehen.
Sei es der Konkurrenzkampf mit Dumpinglöhnen im Straßentransport, die Vernachlässigung der Infrastruktur oder die wachsende Bürokratie, die kleinen Unternehmen das Überleben schwer macht – all das sind keine abstrakten Probleme, sondern Dinge, die meinen Kolleginnen und Kollegen sowie mir direkt begegnen.
Mein Ziel war es immer, dagegen anzuwirken, aufzurütteln und zu zeigen, dass es anders geht. Doch während ich versuche, Bewusstsein für eine gerechtere Politik zu schaffen, stehen auf der anderen Seite Berufsnörgler und Pessimisten, die ihre Energie lieber darauf verwenden, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben. Sie kritisieren alles, was nicht perfekt ist, ohne einen konstruktiven Beitrag zu leisten.
Dabei vergessen viele, dass persönliche Freiheiten immer mit Verantwortung verbunden sind. Wir dürfen vieles – und das ist gut so. Aber jede Entscheidung hat Konsequenzen: Ich darf rauchen, muss aber Rücksicht auf Nichtraucher nehmen. Ich darf Alkohol trinken, darf dann aber nicht mehr fahren. Ich darf ungeimpft sein, aber Einschränkungen in Kauf nehmen, wenn dies andere schützt. Ich darf einen Ölwechsel machen, aber nicht unbedingt auf dem Parkplatz vom Supermarkt.
Diese Regeln sind keine Angriffe auf unsere Würde oder Freiheit, sondern Ausdruck des demokratischen Prinzips: Die Rechte des Einzelnen enden dort, wo sie die Rechte anderer verletzen. Die Mehrheit hat über Parlamente Rahmenbedingungen geschaffen, die das gesellschaftliche Miteinander regeln – und das ist gut so.
Denn Demokratie bedeutet nicht, dass jeder uneingeschränkt tun und lassen kann, was er will. Sie erfordert Kompromisse und die Fähigkeit, Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns zu übernehmen. Wer diese Prinzipien ignoriert, schwächt nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die Grundlage für die eigenen Freiheiten.
Das ist der Kern des Problems: Während viele von mehr (Meinungs)Freiheit reden oder im Umkehrschluss über Diktatur faseln, übersehen sie, dass Freiheit ohne Rücksichtnahme und Verantwortung nichts weiter ist als Egoismus. Und dieser Egoismus treibt die gesellschaftliche Spaltung nur weiter voran – eine Entwicklung, die wir uns nicht länger leisten können.
Als Berufskraftfahrer weiß ich, wie wichtig Solidarität und Zusammenhalt sind – nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Gesellschaft. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Fehlentscheidungen korrigiert werden können, wenn der Wille da ist, die Ursachen zu erkennen und den Mut aufzubringen, anders zu handeln.
Doch dieser Wille muss nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft selbst entstehen. Jede und jeder Einzelne hat die Freiheit – und die Verantwortung –, diesen Wandel mitzugestalten.
Es liegt an uns, die Energie nicht in Nörgelei zu verschwenden, sondern in die Gestaltung einer gerechteren Zukunft. Vielleicht braucht es noch mehr Stimmen, mehr Beharrlichkeit und vor allem mehr Menschen, die den Mut haben, den Status quo in Frage zu stellen.
Die Herausforderung bleibt: Wie schaffen wir es, eine Politik zu gestalten, die für alle da ist – nicht nur für einige wenige? Das bleibt mein Antrieb, und ich hoffe, es wird auch der vieler anderer.
Udo Skoppeck – ein Lkw-Fahrer, der für Veränderung kämpft.
Ab 50 kannst Du vielleicht keine Buchstaben mehr aus der Nähe erkennen, dafür aber Idioten schon aus der Ferne.
Quelle? Keine Ahnung, habe ich irgendwo gelesen.
Na ja. Ich trag ne Gleitsichtbrille. Dank der kann ich eigentlich noch vieles erkennen. Aber vielleicht fehlt mir manchmal noch die Fähigkeit zu bestimmen, dass nicht immer die anderen die Idioten sind?
Wie viele Lkws brannten da eigentlich? Das bleibt in der Überschrift ein Rätsel:
Die Auflösung des Denkspiels erfährt der Leser dann aber gleich im ersten Satz der Mitteilung:
Ein brennender Lkw hat Dienstagvormittag zu einer Sperre der Tiroler Brennerautobahn (A13) zwischen der Mautstelle Schönberg und Matrei am Brenner geführt.
Jep. Ein Lkw war es, der da brannte. Das hätte der Standart seinen Leserinnen und Lesern auch schon in der Überschrift mitteilen können. Also in etwa wie:
Brennerautobahn in Tirol wegen eines brennenden Lkws gesperrt.
Mein Vorschlag
Und ja.
Ich finde es immer etwas komisch, wenn ich die Abkürzung Lkws statt Lkw lese. Schließlich sagt man ja auch nicht Lastkraftwagens. Sondern nur Lastkraftwagen. Aber beide Ausführungen sind wohl korrekt. Das „s“ wird üblicherweise bei Abkürzungen geschrieben, die als solche ausgesprochen werden, und zwar immer dann, wenn ohne „s“ eine Verwechslung mit der Einzahl möglich wäre. Genau erklärt wird das hier.
Für mein Empfinden trotzdem eigenartig. Denn wenn ein Lkw ein Lastkraftwagen ist, dann sind zwei Lkw immer noch zwei Lastkraftwagen und nicht zwei Lastkraftwagens (also Lkws). Aber wie bereits angemerkt, die Endung „s“ ist erlaubt.
Mal salopp ausgedrückt: Ich denke mal, autonom fahrende Lkw werde ich eh kaum noch erleben. Dieses Thema könnte mir also eigentlich völlig wumpe sein. Zumal es jetzt eh schon zu wenige Fahrer gibt und sich dieses Problem des Fahrermangels wohl noch verschärfen wird.
Sollte es aber soweit sein, wird der Übergang vom manuellen zum autonomen Fahren ja nicht abrupt kommen, sondern fließend verlaufen. Es wird also eine nicht gerade kurze Zeit geben, um seine eigene Arbeitswelt darauf vorzubereiten.
Aber Automatisierung ist doch eigentlich auch was schönes. Wir alle hätten endlich wieder mehr Zeit für uns und andere. Zeit, in der wir uns sinnvoll beschäftigen könnten, wie kaputte Dinge zu reparieren, statt die weg zu schmeißen. Oder eigenes Gemüse anzubauen, denn so würden wir weniger industriell hergestellte Lebensmittel verzehren. Schon wären wir gesünder und hätten auch bessere Beziehungen zuhause, statt viel Zeit in Werkhallen, Büros, in Supermärkten oder Führerhäusern zu verbringen.
Also eher keine Abwehrhaltung meinerseits. Denn ich finde es super, wenn es Lösungen für Tätigkeiten gibt, die im Prinzip nur noch wenige wirklich gerne machen möchten, die aber trotzdem noch lange gebraucht werden. Und bitte nicht übersehen: Schon heute spielt sich der Verdrängungswettbewerb nicht nur im immer kleiner werdenden Bereich von minderqualifizierten oder gar unqualifizierten Jobangeboten ab. Denn inzwischen werden auch längst andere Jobs „rationalisiert“. So werden in Banken immer mehr personelle Tätigkeiten durch Onlinebanking, optimierten Rechenzentren usw. ersetzt. Da hat auch niemand gefragt.
…denn sonst droht Dir ein Shitstorm allererster Güte. Und was für einer.
Aber von Anfang an: Es geht um Gladenbach, ein schnuckeliges, possierliches kleines Städtchen im hessischen Hinterland. Etwas mehr als zwölftausend Leute leben dort, weit weg von den großen und wichtigen Verkehrsadern.
Es könnte also alles so friedlich sein, nett und schön. Wenn es mitten im Ort nicht diese eine Kreuzung geben würde. An dessen Schnittpunkt die B 255 von Herborn nach Marburg führend, auf die B 453 von Biedenkopf kommend, trifft.
Und jetzt wird es ein wenig kompliziert. Obwohl, nee. Eigentlich ist es relativ simpel. Also Leute, bitte ein bissel aufgepasst: Das gar nicht mal so große Problem dieser Kreuzung ist, dass nach rechts abbiegende Lkw aus Richtung Marburg (B 255) in Richtung Biedenkopf (B 453), links abbiegenden Pkw aus Richtung Biedenkopf (B 453) in Richtung Marburg (B 255) ziemlich nahe kommen. Denn beim abbiegen in Richtung Biedenkopf treffen die Lkw auf die an der Ampel in der Linksabbiegerspur wartenden Fahrzeuge, die Richtung Marburg abbiegen wollen.
Ein simples Problem
Warum das ein eigentlich simples Problem ist? Nun ja, ich bin in der glücklichen Lage, diesen Kreuzungsbereich ziemlich gut zu kennen. Eben weil ich da oft lang fahre und im Grunde genommen beim abbiegen nie ernsthafte Schwierigkeiten hatte. Denn wenn es während des Abbiegevorganges wirklich mal eng wird, warte ich kurz, bis das Fahrzeug auf der Linksabbiegerspur etwas Platz macht oder eben selber grün hat und losfährt. Machen aber wohl nicht alle Lkw-Fahrer so. Irgendwo habe ich gelesen, dass auch schon mal ein Teil der Ampelanlage dran glauben musste. Das ist dann natürlich blöd.
Aber wie auch immer. Um diesen Gefahrenbereich abzumildern, gab es einen gemeinsamen Vorschlag von SPD und Freien Wählern. Die forderten, dass diese Kreuzung entschärft wird.
Das sollte u.a. so geschehen, die Haltelinie für die Linksabbieger auf der B 453 in Richtung Marburg, einige Meter nach hinten zu verlegen. Schon hätte ich als Lkw-Fahrer mehr Platz, um die Kurve umfahren zu können. Also eigentlich ein relativ nüchterner Vorschlag. Und mal ehrlich? Ich habe null Ahnung, was daran so schwierig und kostspielig sein soll.
Aber, in einer Sitzung des Bauausschusses der Stadt Gladenbach gab es auch Widerspruch. So erachtete der Fraktionsvorsitzender der CDU, Stefan Runzheimer, diesen Vorschlag als verkehrten Schritt. Trotzdem. Alles in Ordnung. Denn so funktioniert Demokratie.
Blöd für Ihn allerdings, sind drei Dinge. Zum ersten seine drastischen Worte. So sagte er:
Weshalb sollen wir deren individuelle Unfähigkeit mit öffentlichen Geldern subventionieren? Wir können solchen Idioten nicht hinterherlaufen.
Stefan Runzheimer, CDU-Fraktionsvorsitzender der Stadt Gladenbach
Mit „deren“ und „solchen“ meinte Runzheimer uns Lkw-Fahrer. Aber alles gut bisher. Wirklich.
Nur, daraus folgte sein zweites Problem. Denn ein Redakteur eines Lokalblattes nahm genau dieses Zitat als Aufhänger für einen Bericht über diese Bauausschusssitzung. Das blieb natürlich nicht unbesehen.
Schon kommt der dritte Punkt: Die Macht der sozialen Medien. Irgendwer entdeckte diesen Artikel samt Spruch und teilte ihn auf Facebook. Tja. Dann nahm das Drama Trauerstück seinen Lauf.
Die Macht der sozialen Medien
Ob dieser „irgendwer“ ein zurückhaltender Zeitgenosse mit wenig Reichweite war, mag will ich nicht beurteilen. Aber wohl bezweifeln. Denn wie sonst sollte dieses Zitat von Runzheimer, gefallen in einer Bauausschusssitzung von Gladenbach, innerhalb weniger Stunden für breite, große Empörung in vielen (Fahrer-) Gruppen sorgen?
Denn genau das tat es. Ich will nicht wissen, wie viele beleidigende eMails oder Telefonate Runzheimer, seine Parteikameraden und andere Gladenbacher Stadtratsmitglieder bekommen haben. Selbst eine Sammelklage gegen Runsheimer sollte angestrengt werden. Dafür wurde extra eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der Befürworter dieser Klage ihre Adresse zur Unterstützung hinterlassen sollten. Kein Scherz.
Ihr denkt, spätestens jetzt hätte dieser Spuk ein Ende? Denn jeder einigermaßen normal denkende Mensch würde sagen: Ähhhh, wenn jemand persönliche Daten, und sei es nur meine Adresse, haben will, ist sprichwörtlich Schicht im Schacht? Nee, weit gefehlt. Es ging erst richtig los.
Nicht wenige teilten wirklich ihre Adresse in dieser WhatsApp-Gruppe, die übrigens jeder abonnieren konnte. Denn das Wort „Sammelklage“ betäubte nun das Hirn. So nach dem Motto, wir Trucker halten zusammen, dem zeigen wir es jetzt aber.
Mittlerweile aufgeschreckt und vielleicht auch überfordert von den vielen eingehenden, eventuell auch beleidigenden Nachrichten, veröffentlichte der CDU-Ortsverband Gladenbach eine Stellungsnahme. Nur statt ihrem Mitglied und Fraktionsvorsitzenden den Rücken zu stärken…
…aber lest selbst:
Sehr geehrte Damen und Herren, die CDU Gladenbach reagiert mit dieser Stellungnahme auf die Berichterstattung, welche in den sozialen Medien und in der Tageszeitung bzgl. der Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der CDU , Herrn Runzheimer zu der Thematik „LKW-Fahrern im Bereich einer Kreuzung“ zu entnehmen war.
Die CDU Gladenbach distanziert sich ausdrücklich von den getätigten Aussagen und führt aktuell Gespräche mit der betroffenen Person, welche sich bereits darüber im klaren ist, einen Fehler begangen zu haben. LKW Fahrer/innen verrichten tagtäglich einen unverzichtbaren Dienst an unserer Gesellschaft und in den letzten Monaten auch in einem hohen Maße darüber hinaus. Eine Berufsgruppe pauschal zu beleidigen, ist nicht der Stil, welchen die CDU zu pflegen weiß.
Die CDU Gladenbach erwartet deshalb eine Stellungnahme und eine Entschuldigung von Herrn Runzheimer und behält sich weitere, interne Maßnahmen, ausdrücklich vor.
Die CDU Gladenbach entschuldigt sich an dieser Stelle aber bereits inständig für die Worte, welche von einem unserer Mitglieder in einer nicht hinnehmbaren Art und Weise in den Mund genommen worden sind und gleichwohl bedanken wir uns bei allen LKW-Fahrern und Fahrerinnen, welche jeden Tag auf unseren Straßen unterwegs sind und damit unsere Versorgung sicherstellen.
CDU Gladenbach, 03.11.2021
Stellungsnahme des CDU-Ortsverbandes Gladenbach zu den Aussagen ihres Mitgliedes Runzheimer
… nun ja, Wenn es wenigstens ein berechtigtes Schuldeingeständniss wäre. Aber mit diesem Artikel wird ein Parteimitglied der Meute quasi erst recht zum Fraß vorgeworfen, nur um selbst einigermaßen sauber aus dieser Misere zu kommen. Diese Stellungsnahme wurde natürlich auch auf Facebook veröffentlicht. Die Kommentare darunter, eigentlich nur von Fahrern, sprechen Bände.
Nur, so funktioniert das meiner Meinung nach nicht. Denn jeder sollte „fair“ beurteilt werden. Und „fair“ sollte von Seiten seiner Parteilkollegen solidarisch heißen. Und nicht zynisch.
Aber genauso, nämlich zynisch, klingt diese Gegendarstellung. Aber mehr noch, selbst Runzheimer, also der Gescholtene, verleugnet sich selbst:
Allein schon die zweite Zwischenüberschrift „sehr geehrte Lkw-Fahrer“. Also ich fühle mich davon nicht angesprochen.
Warum auch? Der Runzheimer hat mich ja nicht persönlich beleidigt. Also weder wegen „individueller Unfähigkeit„, noch durch „Idiot„. Denn ich kam bisher immer gut durch oder über diese Kreuzung.
Und da bin ich endlich wieder beim eigentlichen Thema. Denn ich glaube, nee Quark, bin mir sogar sicher, Runzheimer meint mit seiner Aussagenur die Fahrer, die zu dumm sind, an dieser Kreuzung rechts abzubiegen. Das seine Ausdrucksweise nicht so ganz korrekt war, drauf geschissen. Diese Äusserung ist in einer Gemeinderatssitzung gefallen und war keine politisch korrekte Jubiläumsrede und über Gladenbach hinaus, hat dieser Ausspruch null Relevanz.
Wenig Selbstwertgefühl?
Warum also fühlt sich dann ein Teil der Fahrerschaft angesprochen? Haben die etwa so wenig Selbstwertgefühl? Komisch, in diversen Fahrergruppen auf Netzwerken wie Facebook sind immer alle super duper toll cool drauf.
Nur „super duper“ oder „mit besten Absichten“ reicht bei einigen eben nicht. Ich weiß, dass Leute hier mitlesen, die speziell auf Facebook eine gewisse, hmm, wie soll ich es beschreiben, joa, Reichweite besitzen. Also Seiten mit mehreren zehn- oder gar hunderttausend Likes haben oder Admins in Gruppen mit mehreren tausend oder zehntausend Mitgliedern sind. Wer so etwas aufgebaut hat und Mitglieder und Leser im Griff hat, alle Achtung. Ist mein ernst,
Aber gerade dann befremdet es mich, wenn Personen, die aufgrund ihrer starken und einflussreichen Präsenz in den sozialen Medien ein gewisses Ansehen haben, Stimmung gegen Menschen, wie hier der Lokalpolitiker aus Gladenbach, machen. Das kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Denn eigentlich hätte schon im Vorfeld klar sein müssen, wie die Reaktionen darauf ausfallen. Nämlich teilweise alles andere als nett.
Mit dem teilen dieses Zitats wurde dem Ansehen unseres Berufsstandes leider keinen Gefallen getan. Im Gegenteil, wenn ich mir diverse Kommentare durchlese, werden Vorurteile wie in dem geteilten Zitat getätigt, sogar noch bestätigt.
Na? Habt Ihr es in den letzten Wochen auch gehört oder gelesen? Also das Fuhrunternehmer keine Leute mehr finden, die ihre Lastwagen bewegen wollen? Nennt sich Fachkräftemangel. Aber klar, bestimmt, ist ja momentan Thema in diversen Medien. Ja ok.,dass betrifft nicht nur die Logistik. Sondern auch Reinigung, Pflege, Gastgewerbe, und und und…
…Dienstleistungsbereiche halt. Also überall da, wo Unternehmer Leute am liebsten für lau suchen. Wobei, der Begriff „Fachkräftemangel“ ja eigentlich schon zu hoch gegriffen ist. Denn man findet ja mittlerweile kaum noch „Hilfskräfte mit Vorkenntnissen“ und noch weniger Auszubildende. Dazu kommt, dass das Wort „Fachkräftemangel“ inzwischen doch etwas arg übermäßig verwendet wird.
Aber gut. In diesem Text soll es ja eigentlich um den Mangel an deutschen Lkw-Fahrern gehen. Also um eine quasi aussterbende Art.
Faire Bezahlung ein Fremdwort
Eigentlich ist es schon Häme Ironie, wenn sich Unternehmer und deren Verbände erst jetzt darüber so richtig beschweren. Denn seit zig Jahren ist faire Bezahlung ein Fremdwort. Dazu kommen Arbeitszeiten jenseits von gut und böse und nicht nur im Fernverkehr ein kaum vorhandenes Sozial- oder Familienleben. Also falls man überhaupt noch eine Familie hat.
Aber es geht noch weiter. Die Zustände auf den Rastplätzen sind oftmals problematisch. Bereits am frühen Nachmittag beginnt man sich Gedanken zu machen, wo man Stunden später noch ein einigermaßen gescheites Plätzchen bekommen könnte. Auf den Weg dahin bremsen einen Dauerbaustellen, Staus, Autofahrer oder die eigenen Kollegen regelmäßig aus.
Von den Zuständen an vielen Be- oder Entladestellen will ich gar nicht erst groß anfangen. Nur soviel: Viele Großhändler sind nicht in der Lage, oder schlimmer, nicht gewillt, ihre Anliefer- oder Abhollogistik so zu organisieren, dass dieses Prozedere nicht auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen werden muss.
Tja. Warum also wollen immer weniger Leute diesen Job machen? Kann ich gar nicht verstehen. Denn Lkw fährt man doch aus Leidenschaft. Oder?
Kennt Ihr den Film „Convoy“ mit Kris Kristofferson? Dort sind Trucker die Helden der Highways, halten zusammen und sind über CB-Funk ständig miteinander verbunden. Gibt es Probleme, wird auch mal eine Polizeistation platt gemacht. Peng. Welcher Job in irgendeinem Großraumbüro kann da mithalten? Aber Spass beiseite. Dieses „immer weniger“ zielt eigentlich auf deutsche Fahrer ab. Denn Fahrer aus Ost- oder Südosteuropa kompensieren doch schon lange den Nachwuchsmangel der Branche in Deutschland.
Keine Engpässe wie in England
Deshalb sind wir hier auch meilenweit von den Engpässen der letzten Wochen in Großbritanien entfernt. Denn dort war es der Brexit, der die Spritzufuhr zu den Tankstellen bremste oder für halbleere Supermarktregale sorgte. Osteuropäer verloren ihre Arbeitserlaubnis, mussten das Land verlassen. Freizügigkeit hat eben auch Grenzen.
Der Beruf ist unattraktiv. die Zukunftsaussichten sind fragwürdig und tja, dann die Sache mit dem Image. Autofahrer und auch Anwohner von viel befahrenen Straßen, mögen Lkw – und damit auch deren Fahrer – nicht. Sich in seiner ungezügelten Fahrweise bremsen zu lassen oder Angst haben zu müssen, dass bei jeden am Haus vorbeifahrenden Lkw Tassen und Gläser in der guten Schrankwand zu Bruch gehen, ist eben auch nicht unbedingt zielführend für ein positives Ansehen in der Bevölkerung. Auch das hält einige von diesem Beruf ab. Denn wer möchte schon gesellschaftlich geächtet werden?
Ich finde es bezeichnend, dass Unternehmer immer über bestimmte „Mängel an irgendwas“ klagen. So funktioniert Marktwirtschaft aber nicht, glaube ich. Wenn irgendetwas knapp ist, wie hier Arbeitskräfte, muss eben mehr dafür getan werden, um den Bedarf zu decken.
Kein Nachwuchs von der Bundeswehr
So kommt immer wieder das Argument, ja früher, da hat ja die Bundeswehr für Fahrernachwuchs gesorgt. Stimmt. Jahrzehntelang haben sich Speditionen auf die Führerscheinausbildung eben bei der Bundeswehr verlassen. Diese Quelle ist nicht nur versiegt, mehr noch. Gerade diejenigen, die in den siebziger und achtziger Jahren den „Zweier“ gemacht haben, bildeten die Masse der deutschen Fahrer und kommen jetzt ins Rentenalter oder fallen durch die Gesundheitschecks. Konnte natürlich niemand vorraussehen.
Davon abgesehen. Es war eh ein Unding, die Rekrutierung von Nachwuchs durch den Staat erledigen zu lassen – sowohl zeitlich, wie auch finanziell. Die paar Speditionen, die Einsteigern den Führerschein finanziert haben, statteten den so „ausgebildeten“ Fahrer dann oft mit einem Knebelvertrag aus, um sich das Geld darüber zurückzuholen.
Apropo ausgebildete Fahrer. Ein entfernter Verwander von mir begann vor elf, zwölf Jahren eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Zu Anfang waren in seiner Lehrklasse 24 weitere Azubis. Die Ausbildung abgeschlossen haben letztlich acht Leute. Acht von vierundzwanzig. Also ein Drittel. Warum haben so viele abgebrochen? Die Gründe waren vielfältig: Falsche Vorstellung vom Beruf, die Erkenntnis, dass Zeit mit Familie, Freundin oder Kumpels doch wichtig ist und einige wurden in ihrem Lehrbetrieb regelrecht verschlissen. Sprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ lassen sich eben auch Lehrlinge nicht mehr immer gefallen.
Fröhliche AsphaltBabes
Wie also bringt man mehr Leute auf einen Lkw? Keine Ahnung, bin schließlich weder Unternehmer, noch Berater oder Politiker. Sondern nur Fahrer. Aber eines weiß ich. In den letzten Jahren hat sich nix gebessert. Das Ansehen der Transportbranche ist so scheiße, wie nie zuvor. Da können Asphalt-Cowboys oder Truckerbabes noch so fröhlich tun – wenn während des Entladens an irgendeiner Rampe der Tachograph auf Pause stehen muss, es danach gleich weiter geht und anschließend fehlende Parkplätze einem den letzten Nerv rauben, nutzt das beste Fersehformat nichts.
Denn ein Jahr nach Beifall auf Balkonen und einigen „Danke“ – Bannern von Autobahnbrücken ist klar: Wenn selbst eine Pandemie als Weckruf nicht reicht, kannste sagen: Das wird nix mehr.
Ein schönes Video aus 1985 vom Truckfestival in Birstein im Vogelsberg. Leider auch schon seit gut zwanzig Jahren Geschichte. Tja, Veranstaltungen kommen und gehen.
Allerdings, in diesem Video vor sieben Wochen waren es die Pkw, die ich cool fand, hier sind es die Lkw. Irgendwie stehe ich auf Fahrzeuge aus dieser Zeit. Also Achtziger bis irgendwann in die Neunziger Jahre.
Aber das soll nicht unbedingt Thema sein. Denn da fällt mir ein, gestern habe ich einen Beitrag auf Facebook gelesen. In dem geht es um Veränderungen, also weniger die Technik, sondern mehr um den Fahrer zwischen früher und heute.
Es ist echt irre wie sich die Technik in den letzten 100 Jahren verändert hat, von Motoren die klobiger nicht sein konnten bis hin zur heutigen Hightech Maschine. Die Form des Lkw ist heute auf Aerodynamik ausgelegt um effizientere Werte zu bekommen wobei man früher nur auf das Ladevolumen bedacht war und der Verbrauch als sekundär angesehen war.
Beim Lastkraftwagenfahrer ist es genau umgekehrt gelaufen, früher war er angesehen und wurde gut bezahlt! Man achtete auf ein Miteinander und hatte soziale Sicherheit. Heute ist es so, wer kommt und hat den Führerschein kann am besten gleich losfahren. Quantität vor Qualität und billig muss der Fahrer sein! Missstände noch und nöcher und wenn man das dann öffentlich macht wird man noch beschimpft und man soll nicht rum heulen!
Über die Technik, ok. Darüber brauche ich nichts groß zu schreiben. Seit 1991, also genau dreißig Jahre, fahre ich jetzt Lkw.
Angefangen habe ich auf einem Daimler mit 330 PS, der blaue da rechts in der Seitenleiste, mit dem hässlichen Windabweiser auf dem Dach. Der hatte nicht mal einen luftgefederten Fahrersitz. Da musste das Gewicht des Fahrers noch per Drehrad am Sitz eingestellt werden. Das Teil hatte weder Klimaanlage, noch Standheizung. Für das Lenkrad brauchte man lange Arme, so einen Durchmesser hatte das Ding.
Vergaß man im Winter die Luftkessel zu entwässern, fror die Bremsanlage ein. Und das sind nur einige Beispiele.
Also kein Vergleich zur jetzigen Zeit. Da meine ich nicht mal die aktuellen Assistenzsysteme. Nein, dass gesamte Arbeitsumfeld hat sich komplett verändert. Die meisten Fahrer und Fahrzeuge werden heute komplett überwacht. Ein Disponent sieht auf Knopfdruck, wo sich welches Fahrzeug befindet, der Arbeitgeber erhält sämtliche Daten des Lkw. Also z.B. die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit, den aktuellen Spritverbrauch, Leerlaufzeiten des Motors u.s.w.
Demnächst können Kontrollbeamte die aktuellen Fahrzeiten des Fahrers während des Vorbeifahrens an einem Lkw ablesen. Lkw oder auch Busse können dann gezielt kontrolliert werden.
Aber um letzteres geht es in dem weiter oben zitierten Beitrag ja nicht. Sondern darum, dass meine Berufskollegen und ich früher besser bezahlt und angesehen waren. Besser bezahlt, einige vielleicht. Aber anders angesehen?
Das mag ich bezweifeln. Denn wenn ich mal durch meinen Bücherschrank schaue, da finden sich einige Werke aus den achtziger und neunziger Jahren, die nicht nur das damalige Verhältnis zwischen Bevölkerung und Fahrern gut darstellen, sondern auch die Arbeitsverhältnisse von Fahrern generell. Da war nicht alles eitel Sonnenschein.
Lange zu suchen brauche ich da nicht. Bei „Fernfahrer. Vom Leben auf Achse.“ (Amazon-Partnerlink) von Frank Gotta kann man lesen:
In der Touristenstadt Sterzing, eine Viertelstunde vom Zollhof entfernt, betrachtet man das fahrende Volk mit Distanz. Zwar lassen sich die Fahrer nur selten in der Stadt blicken. Aber, erklärt Bürgermeister Rudolf Pichler, wir wollen diese Leute hier nicht haben.
Aus dem Buch „Fernfahrer – vom Leben auf Achse“ von Frank Gotta
Das war übrigens Anfang der 80er Jahre. Ein guter Ruf klingt anders. Wie war das eigentlich mit dem Führerschein? Ach ja, beim Bund gemacht, danach nicht so richtig gewußt, wie es eigentlich weiter gehen soll. Aber hab ja ne Fahrerlaubnis in der Tasche, fahr ich also Lkw. Irgendein Chef wird mich schon einstellen, meist war es auch so. Die Qualität eines Fahrers war also auch nicht unbedingt besser.
Klar, Zeiten verändern sich. Aber auch „damals“ gab es schon eine „Ich-Gesellschaft„. Ja, im Osten vielleicht notgedrungen weniger, wie im Westen. Und ob es der heutigen Gesellschaft wirklich egal ist, wie Menschen behandelt werden? Weiß nicht. Also den meisten Leuten die ich so kenne, ist es das nicht.
Also, waren die Umstände früher wirklich besser? Die Technik, die Umwelt, die Sitten? Wer möchte zurück? Also ich nicht.
In diesem Jahr, gerade einmal zehn Wochen alt, kamen schon vierzehn Fahrer an einem Stauende ums Leben. Erst gestern gab es auf der A 2 bei Burg zwei tödliche Unfälle.
Wolfgang Dorn, der selbst viele Jahre als Lkw-Fahrer unterwegs war, macht sich darüber seine eigenen klugen Gedanken. Vielen Dank dafür:
Früher hat man von einem schwarzen Tag gesprochen…
Es kracht heute wieder an allen Ecken und Kanten und keiner der Verantwortlichen will es wissen. Muss es erst wieder zu einem solchen Unfall, wie am 07.07.1987 in Herborn kommen? Gut – die Ursache war damals eine andere und ist mit den heutigen Unfallursachen nicht zu vergleichen.
Aber ich will auch nichts vergleichen. Nur ist es in meinen Augen nur noch eine Fragen der Zeit, bis es wieder zu einer solchen Katastrophe wie 87 kommt. Seinerzeit war es eine Verkettung mehrerer Gründe die zu der Katastrophe führten. Heute wird der Unfallauslöser wohl eher in menschlichem Versagen zu suchen sein.
Die Ursachen für diese, immer häufiger auftretenden Unfälle liegen aber m. E. woanders. Ein total überlastetes Straßennetz, zumindest auf den Hauptverkehrsadern, dazu viel zu wenig Parkmöglichkeiten, ein, durch jahrelange Vernachlässigung, marodes Straßennetz mit zu vielen Baustellen sind nur einige der Gründe für diese Unfälle. Klar – werden jetzt viele einwerfen, der Fahrer sitzt am Lenkrad und er trägt die Verantwortung für sein handeln.
Das ist vollkommen richtig, aber man muss auch sehen, was für Leute sitzen am Lenkrad und warum ist das so. Das gesamte Transportwesen befindet sich in einem selbst zu verantwortendem Dilemma – einerseits hat man sich mit Haut und Haaren an die Industrie, bzw. die Discounter und Lebensmittelketten verkauft und andererseits findet man keine Fahrer mehr.
Die Preise fallen immer tiefer in den Keller, das Frachtaufkommen wird immer größer und die Fahrer bleiben, im wahrsten Sinne des Wortes, auf der Strecke. Und weil es noch immer nicht reicht – kommt auch noch Corona mit all seinen „Annehmlichkeiten“ oben drauf.
Will man von den Unfallzahlen runter, muss man als allererstes mal dafür sorgen, dass das Verkehrsaufkommen massiv reduziert wird. Dann muss dringend die Qualität der Fahrer verbessert werden. Es kann nicht sein, dass jedes dahergelaufene Männlein oder Weiblein eine Fahrerlaubnis erhält. Ebenso sind kontinuierliche Kontrollen dringend erforderlich und eine konsequente Strafverfolgung.