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Schlagwort: Demonstration

Codename „Aktion Schnecke“

Seit dem ich Lkw fahre, also seit einunddreißig Jahren, träume ich davon, es denen da oben in Brüssel oder Berlin, oder falls die mich nicht hören wollen oder können, zumindest den Leuten auf der Straße mal zu zeigen, welche Macht ich habe und ausüben kann. Nämlich die Stärke, mit einem Lkw wichtige Infrastruktur nicht nur zu blockieren, sondern lahmzulegen. Aber so richtig. Bis zum Stillstand. Komplett.

Ja, keine Sorge. Es sind nur Gedanken, wie sie gefühlt und geschätzt achtzig, fünfundachtzig Prozent aller Lkw-Fahrer irgendwann mal haben. Also ähnlich wie der Wunsch nach Selbstständigkeit. Auch diesen erfüllen sich nur die wenigsten. Glücklicherweise.

Widerstand ist ein Fremdwort

Denn wirklicher Widerstand ist in der Fahrerschaft fast ein Fremdwort. Logo. Denn einen Einfluß von Gewerkschaften gibt es bei uns Fahrern kaum. Man kann durchaus sagen, dass unsere scheinbare Unabhängigkeit uns nicht gerade zu fanatischen Gewerkschaftsanhängern macht.
Der Anteil der Organisierten liegt vielleicht bei sieben, acht Prozent, auf jeden Fall viel niedriger als zum Beispiel bei den Eisenbahnern. Allein das sagt schon viel über eine passive oder gar aktive Beteiligung bei Lohn- oder gar Arbeitskämpfen aus.

Neidvoll wird immer wieder auf Frankreich, Spanien oder auch Italien geschaut. Denn die Fahrer dort, die haben es drauf. Wenn denen etwas stört oder widerstrebt, geht es sofort rund. Dann werden Fahrbahnen blockiert, so das zumindest der Straßengüterverkehr sofort zum erliegen kommt.
Das aber oft Unternehmerverbände zu Ausständen aufrufen, um über Fahrer die Forderungen ihrer Mitgliedsfirmen durchzusetzen, geschenkt.

streik italieninischer lkw fahrer im dezember 2007 bei neapel
Aufräumen nach vier Tagen Streik italienischer Lastwagenfahrer bei Neapel – Dezember 2007

Wie diese Woche in Italien. Da kündigte „Trasportounito“ an, dass ist der Verband italienischer Transportunternehmen, sämtliche Transporte auf nationaler Ebene „aus Gründen höherer Gewalt“ einzustellen.
Auch ein Verband kleinerer Spediteure, „Ruote Libere“ schloss sich diesem Aufruf zumindest teilweise an. Deren Mitglieder würden zwar nicht jegliche Arbeit niederlegen. Dennoch sollten viele Transporter und Lkw stehen bleiben, da die Spediteure aufgrund der gestiegenen Preise schlicht nicht in der Lage seien, zu fahren.

Nur spielten da viele Fahrer nicht mit. Denn es fanden sich nur wenige, die den Streik ihrer Arbeitgeber unterstützen wollten, da ihre Belange, wie Arbeitsbedingungen, Rentenanspruch, Lohnniveau usw. in keine der Forderungen der Arbeitgeber mit eingeflossen sind. Der Ausstand wurde also abgesagt. So muss das sein. Gefällt mir.

Es geht an die Existenz

Was das mit Deutschland zu tun hat? Eigentlich ziemlich viel. Denn auch hier stöhnen Transporteure, vor allem kleine und mittlere, über gestiegene Preise. Nicht nur Diesel und Gas sind in den letzten Wochen extrem teuer geworden, auch diverse Ersatzteile. Es geht bei einigen echt um die Existenz. Verstehe ich durchaus.
Aber. Viele haben selbst in krisenfreien Zeiten sich einen harten Preiskampf mit Konkurrenten geliefert. Da pisste doch einer dem anderen ans Bein. So gilt eine Marge zwischen drei bis fünf Prozent doch schon als guter Gewinn. Tja, so ist das, wenn eine Branche über Jahre immer wieder selbst gegen die Wand fährt.

Konvois und Blockaden

Ein Spediteur, ich glaube aus dem Sauerland, organisierte letzten Samstag den ersten Protestkorso. Da fuhren um die hundert Lkw laut hupend einige Runden in und um Köln herum. Kann man so machen. Nur muss man sich dann auch den Vorwurf gefallen lassen, dass herumfahren um gegen hohe Spritpreise zu demonstrieren, doch nicht so ganz durchdacht ist.

Aber mehr noch. Auf WhatsApp wurden Gruppen gegründet, in denen man sich organisieren konnte. Zwei dieser Gruppen, nach Bundesländern geordnet, trat ich bei. War ganz easy, Einladungslinks dazu wurden auch über Facebook geteilt.

In den Gruppen ging es vor allem um Blockade hier und Blockade da. Für diese Aktionen wurde der 16. März ausgewählt, also der letzte Mittwoch. Nur wurde es immer undurchschaubarer. Viele haben ihren Senf dazu gegeben, einiges hat sich immer weiter hochgekocht, auch Nonsens wurde geteilt. Und es wurden Pläne geschmiedet, wer wo welche Autobahn oder Bundesstraße blockieren will. Da hat so manch einer ne feuchte Unterhose bekommen.

Ob wirklich viel blockiert oder geschlichen wurde? Keine Ahnung, ich war ja in Italien. Mitbekommen habe ich deshalb nicht viel. Ausser das es auf der A2 bei Dortmund zu Unfällen kam, weil Lkw die Autobahn kurz dicht machten. Einem der Fahrer wurde wohl später der Führerschein entzogen. Tja nun, Dummheit rächt sich.

Aktion Schnecke

Ab Montag, also übermorgen, soll es aber weitergehen mit den Protesten. Dann sind Schleichfahrten angesagt. Heißt auf Landstraßen werden 50 km/h und auf Autobahnen um die sechzig Sachen befohlen. Das nennt sich dann „Schnecken-Tempo-Woche“, ich nenne es einfach mal „Aktion Schnecke„. Klingt besser.
Ausserdem soll sich jede Mitwirkende oder jeder Mitwirkender eine gelbe Warnweste an den linken Spiegel knoten. So als Zeichen des Zusammenhaltens.

So was mit Warnweste am Spiegel gab es übrigens schon mal. Wurde von Tschechen initiiert und sollte genau das gleiche bewirken. Nämlich ein zusammen darstellen. Einige Wochen fuhr ich mit Weste am Spiegel, was wurde ich belächelt. Übrigens auch von Leuten, die heute großfressig nach Blockaden brüllen.

Aber zurück zu nächster Woche. Bei der „Aktion Schnecke“ geht es natürlich nicht nur um die hohen Spritpreise. Nee, von den Organisatoren wurde gleich ein ganzer Forderungskatalog erstellt. Die Punkte sind:

  • sofortige Treibstoffpreisbremse
  • die Einführung eines Gewerbediesels
  • temporäre Hilfen
  • Appell an die Auftraggeber, die Frachtraten an die Situation anzupassen
  • ein Ende der willkürlichen Verlängerung der Zahlungsziele. Zu Lasten der Unternehmen wird Liquidität geschaffen. Wir plädieren für ein gesetzlich festgelegtes Zahlungsziel von 14 Tagen
  • Stringente Überwachung des Mobilitätspakets 2 in Bezug auf Kabotage, MiLoG, Verbringung der Wochenruhezeit außerhalb des LKW, vollständige Mautdatenfreigabe zur Überwachung
  • Gespräche mit der Politik über strukturelle Änderungen um das jetzt vorhandene Sozialdumping zu beenden

Ach ja, ehe ich es vergesse zu erwähnen. Die Organisatoren sind übrigens ein (Achtung-) temporärer Krisen-Verbund, bestehend aus dem Bundesverband Logistik & Verkehr – BLV-pro e.V., sowie u. a. Udo Skoppeck vom „AidT e.V„., Jörg Schwerdtfeger von „Ich bin Berufskraftfahrer und habe Respekt verdient„, Kevin Hudson von „Truck Lovers Germany„, dazu noch „Schwarze Schafe für Spedition und Logistik“, Ralf Kalabis von „LKW- Fahrer stehen zusammen“ und weiteren (auch hier Achtung-) Influencern aus der Transportbranche.

Das „Influencer“ kommt nicht von mir, steht so in der Ankündigung zur „Aktion Schnecke„. Was ich nicht verlinkt habe, sind übrigens alles Gruppen auf Facebook.


Auch interessant:
Lkw-Fahrerstreik in Frankreich
Ich wurde bestreikt
Wir streiken dann mal
Italien: Streik teilweise abgesagt
Fortsetzung mit einen Donnerwetter … zu Pfingsten


Aber nochmal zu den Forderungen. Fällt Euch was auf? Jep, bestimmt. Das sind alles Punkte, die Arbeitgeber betreffen. Ich als Arbeitnehmer gehe da, gut, abgesehen vom letzten Teil des letzten Punktes, also dem Sozialdumping, völlig leer aus. Tolle Wurst.

demostration mit lkw in mannheim lugwigshafen 2014
Actie – Demo in Mannheim / Ludwigshafen 2014

Ist doch schon komisch, dass Lkw-Fahrer gegen hohe Spritpreise protestieren sollen, aber nicht gegen schlechte Bezahlung und miese Arbeitsbedingungen.
Obwohl. Genau das haben ich und andere Kollegen auch schon gemacht. Nämlich 2013/2014. Da bin ich alle paar Wochen durch halb Deutschland gefahren, um für meine Ziele zu demonstrieren.

Und so etwas wie die „Aktion Schnecke“ soll jetzt echt der letzte Rest sein, was davon übrig geblieben ist? Ich bin erstaunt.
Ne ne, ich mache da nicht mit. Schleicht von mir aus ab Montag mit 60 über deutsche Autobahnen. Umso schneller bin ich mit 85 vorbei.


Leseprobe::

Der große Streik in Frankreich

Wie es der Zufall so will, bin ich genau am richtigen Ort und kann sozusagen live vom großen Streik in Frankreich berichten, und genau das tue ich jetzt auch.

Sonntag, 3.9.2000

Die Fischer beenden ihren Streik wegen zu hoher Benzinpreise. Zur allgemeinen Belustigung hatten sie die Regierung aufgefordert, die Benzinpreise zu senken. Fischer zahlen keine Mineralölsteuer, bekommen also den Liter Sprit für um die FF2-3, knapp unter einer Mark. Aus irgendeinem Grund fordern sie jetzt FF1.5 als Preis, und um diese Forderung zu untermalen, blockieren sie ein paar Tage lang den einen oder anderen Hafen. Irgendwie kautzig, diese Fischer.
Gerüchte über einen bevorstehenden Streik der LKW-Fahrer machen die Runde, Bernhard entdeckt am Abend erste Schlangen an den Tankstellen.
Ich beschließe, das ganze als Gerücht zu behandeln und erstmal ganz locker zu bleiben, obwohl mein Tank fast leer ist. Ich habe halt keine Lust, eine halbe Stunde an irgendeiner Tanke anzustehen.

Montag, 4.9.2000, erster Tag des Streiks

LKWs blockieren die Zufahrt zum Flughafen. Man kommt noch ans Terminal heran, aber nur im Schritttempo. An einigen Tankstellen fallen mir Schlangen auf. Ich gebe ein paar Dias bei Carrefour ab und habe Schwierigkeiten, wieder rauszukommen, weil die Schlange vor den Zapfsäulen fast über den halben Parkplatz geht.
Ts… die streiken also tatsächlich.
Ich ärgere mich, nicht am Vorabend getankt zu haben, über den Daumen gepeilt habe ich noch genug Sprit für zwei Fahrten nach Nice und zurück. Ich mache mir aber keine Sorgen, schließlich geht so ein Streik genau so schnell vorbei, wie er angefangen hat, und letztesmal waren es nur zwei Tage.
Abends erfahre ich, daß jetzt auch Paris bestreikt wird, was den Vorteil hat, daß sich dann die Regierung tatsächlich um den Streik kümmern wird. Ich bin erleichtert.

Dienstag, 5.9.2000, zweiter Tag des Streiks

Der Streik wird Gesprächsthema Nummer 1.
Ich fahre morgens an einer Tankstelle vorbei, an der die Schlange nur etwa 50m lang ist, bin aber zu faul, tatsächlich zu tanken.
Gerüchte besagen, daß es in der ganzen Region kein Benzin mehr gibt. Mein Kollege Eric findet im Web eine Karte, auf der eingezeichnet ist, in welchen Regionen das Benzin knapp ist. 06 und 83, die beiden Regionen hier…

Hier gehts weiter…

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Wie ein Stern Instinkte wecken kann

Der „Stern“ schreibt in seiner aktuellen Ausgabe etwas über die Filipinos bei DinoTrans. Toll, dachte ich mir – und da es sich nicht ziemt, eine Zeitschrift quasi schwarz am Zeitschriftenregal zu lesen, investierte ich drei Euro siebzig und kaufte mir ein Exemplar.

Hat sich diese Investition gelohnt? Für mich eher nicht. Der Tenor des Artikels geht dahin, dass sowohl die Filipinos, wie auch Ihr Arbeitgeber Staffan Resare, der Besitzer von DinoTrans, weltoffene Menschen sind, die natürlich nur gutes wollen. Dagegen sind alle anderen böse und gemein.
Russen und Ukrainer saufen zu viel, von westeuropäischen Fahrern werden die Südostasiaten beäugt, gemieden oder sogar gehasst. Der von einem Redakteur des „Stern“ begleitete phillipinische Fahrer erzählte, dass er sich jede Nacht vor Angst einschließen muß.

Genau das mache ich auch. Also die Türen verriegeln. Sowohl unterwegs im Lkw, als auch zuhause in der eigenen Wohnung. Für mich ist das ein menschlicher Instinkt, der nicht nur auf Asiaten beschränkt ist.
Instinkte bestimmen unser aller Leben. Sie sind notwendig zum Überleben, etwa wenn ein bewusster Denkvorgang zu langsam abläuft. Beispielsweise kann man eine eventuelle Unfallsituation im Straßenverkehr oft schon erahnen, bevor sie überhaupt eintritt. Instinktiv bremst man ab, um einen möglichen Unfall zu verhindern oder zumindest abzumildern.

Aber zurück zum Thema: Das Problem in der Berichterstattung ist die Nähe zur Macht bzw. zur Politik. Niemand berichtet wirklich unbefangen. Natürlich auch ich nicht. Nur ich beschäftige mich hier ja auch mit mir selbst. Oder eher mit meinem Job. Aber das macht mich auch unabhängig. Zumindest in meinem Sinne.
Von einem Magazin wie dem „Stern“ erwarte ich aber mehr. Etwa einen Autor, der sich die Mühe macht hat, außer den „üblichen Verdächtigen“ auch die „Gegenseite“ zu befragen bzw. deren Statements zu veröffentlichen.

Sätze oder Aussagen wie…

Seit Sommer protestieren deutsche Fahrer immer wieder gegen die philippinische Konkurrenz, zuletzt vor wenigen Tagen in Dresden…

oder:

Der Hass auf die Filipinos hat um sich gegriffen

…sind ein schlimmer Fall von Zensur und Falschinformation. Ich habe auf den von mir besuchten Demos keinen anderen Teilnehmer getroffen, der Unmut gegen ausländische Fahrer gezeigt hat. Im Gegenteil: Es wurde und wird immer wieder betont, dass Beleidigungen und Diffamierungen gegen osteuropäische oder philippinsche Fahrer nicht geduldet werden.

Ein Blick auf die Seite der „Actie in de Transport“ hätte genügt, um die wirklichen Ziele zu erkennen. Nämlich Perspektiven zu schaffen, auch für ausländische Lkw-Fahrer. Von Hass oder Vorurteilen lese ich da nichts.

Aber der „Stern“ zeigt viel mehr eine andere, eigene Demonstration. Nämlich wie unfähig oder überfordert Redakteure sein können und wie leicht es ist, bestimmten Leuten auf den Leim zu gehen. Das die denen damit immer neue Munition liefern, wird bewußt in Kauf genommen. Mehr noch. Lieber ergeht man sich in Verallgemeinerungen. Das ist traurig. Und schade.

Actie in de Transport
Stern.de
DinoTrans

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Demo in Lübeck

Vor genau drei Monaten berichtete ich über eine Demonstration der „Actie in de Transport“ in Berlin. Die Teilnehmerzahl war gering. Auch deshalb war ich damals der Meinung, dieses Strohfeuer würde schnell erlöschen.

Seit vorgestern muss ich meine Meinung etwas revidieren. Zum dritten Mal (zwischendurch gab es eine Demo in Köln) riefen die Organisatoren dazu auf, gegen Lohndumping und weitere Missstände in der Transportbranche zu protestieren. Als Versammlungsort wurde Lübeck ausgewählt. Lübeck deshalb, weil dort die lettische Firma „DinoTrans“ ihren deutschen Standort hat.
Diese Firma, nach eigenen Angaben eine der führenden Unternehmen im Bereich Trailer-Trucking, setzt u.a. philippinische Fahrer ein, die nicht einmal 700 Euro im Monat verdienen.

Aber zurück zur Veranstaltung vom Samstag. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass dieser Tag der „Actie“ und ihren Zielen einen Schub nach vorn gegeben hat. Auch wenn die Teilnehmerzahl mit ungefähr dreihundert Leuten auch diesmal noch überschaubar blieb, war die Entschlossenheit nicht zu übersehen und vor allem auch nicht zu überhören.

Die nächste Demonstration wird voraussichtlich am 5. Oktober in Dortmund stattfinden. Ich denke es ist nicht all zu sehr vermessen, dort mit einer vierstelligen Zahl an Teilnehmern zu hoffen. Also Leute, bekommt Euren Arsch Pops hoch und zeigt, dass auch deutsche Kraftfahrer den Willen und die Kraft haben, etwas zu verändern.

Demo in Lübeck

Weitere Berichte:

Protest gegen Billigkräfte am Lkw-Steuer
Dann sind die Autobahnen dicht!
Brummifahrer demonstrieren lautstark gegen Lohndumping (nur für Abonnenten der Lübecker Zeitung)
Lkw-Konvoi gegen Sozialdumping

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Die Actie sinkt

An diesem Wochenende protestieren Schäfer aus ganz Deutschland in Berlin für bessere Arbeitsverhältnisse. Damit wollen sie unter anderem auf den Rückgang der Schafspopulation in den vergangenen Jahren aufmerksam machen. Diese ging innerhalb von vier Jahren um rund 400 000 Tiere zurück. Die Schäfer fordern von den Politikern, dass die Pacht für Weideland subventioniert wird.
Heute haben auf Berliner Straßen Radfahrer Vorfahrt. Auf freien Wegen können sie durch die Stadt rollen. Zudem ist gegen 14 Uhr eine große Abschlusskundgebung geplant. Erwartet werden bis zu 250 000 Radfahrer.

Ach ja. Dann gab es noch eine Demonstration von Lkw-Fahrern. Diese wurde von einer Fahrergemeinschaft, die sich „Actie in Transport“ nennt, initiiert. Der Name kommt aus dem niederländischen und bedeutet soviel wie „Aktion im Transportwesen“. Ursprünglich waren Holländer die Gründer dieser Gruppierung. Das eigentliche Ziel war, Verbesserungen in der Transportbranche zu erreichen. Wohlgemerkt als Fahrer und nicht als Unternehmer.
Der deutsche Ableger entstand Ende Februar diesen Jahres. Anfänglich wollte man auf diesen Weg versuchen, den Beruf des Kraftfahrers wieder attraktiver zu machen. Später kamen weitere Forderungen hinzu, wie z.B. der Wunsch nach einheitlich angepassten Mindestlöhnen innerhalb der EU oder die Aussetzung der weiteren Liberalisierung der EU-Kabotage.

Über den Sinn oder Unsinn dieser Wünsche will ich mich nicht auslassen. Diese wurden von deutschen Brummifahrern vorgeschlagen und in den Forderungskatalog der „Actie in Transport“ übernommen. Also muss man das akzeptieren, wenn man sich mit dieser Gruppe identifiziert.
Die Kommunikation zwischen den Mitgliedern läuft fast ausschließlich über Facebook. Der dortige Umgang ist nicht immer reibungslos – vorsichtig ausgedrückt. Ein gegenseitiges Hauen und Stechen ist an der Tagesordnung. Normale Diskussionen sind nur selten möglich. Mit einem Tunnelblick den viele im Lkw haben, wird halt auch im Internet dispuniert und konferiert.

Anfangs stiegen die Mitgliederzahlen relativ schnell an. Dreitausend wurden schnell erreicht. Derzeit liegt die Zahl der deutschen Gruppe bei knapp 4 700. Die meisten dürften aber sogenannte Karteileichen sein. Viele wurden einfach durch bereits angemeldete User hinzugefügt. Trotzdem hat sich ein fester Stamm von Diskutierenden gebildet. Auch ich gebe ab und an meinen Senf hinzu. Das ist nichts weltbewegendes, im Gegenteil. Solch eine kleine Gruppe kann eh nichts verändern.

Bereits kurze Zeit nach der Gründung begannen die Administratoren und Macher der „Actie“ kleinere Regionaltreffen abzuhalten. Diese fanden Samstags auf verschiedenen Autohöfen statt. Wie ich aus den Berichten der Besucher dieser Zusammenkünfte herausgelesen habe, war die Resonanz unterschiedlich. Einige waren wohl gut besucht. Andere dagegen, wie z.B. in Berg, eher schwach.
Trotzdem entschloss man sich, schnell größere Ziele anzupeilen. Eine richtige Demonstration sollte es sein. Am besten an zentraler Stelle, zwischen Siegessäule und Reichstagsgebäude, mitten in Berlin. Ein Datum war schnell gefunden: Der 1. Juni.
Viele Gruppenmitglieder waren Feuer und Flamme. Diese Demo sollte ein Anfang werden, für noch größere Aktionen. Von Streik wurde geschwärmt oder eher fantasiert. Endlich könnte man der Bevölkerung zeigen, dass in diesem Land ohne den geschundenen Lkw-Fahrer nichts läuft. Die Macher der „Actie in Transport“ distanzierten sich von solchen Aufrufen. In den Griff bekamen Sie diese Meinungen aber nicht immer.

Über die gestrige Veranstaltung kann man nur berichten, wenn man auch dabei war. Also machte ich mich auf den Weg nach Berlin. Zuerst meine positiven Eindrücke: Die Demo war gut organisiert. Drei Lkw begleiteten den Zug, Protestplakate wurden mit Phantasie und Liebe hergerichtet. Ordner waren in ausreichender Anzahl vorhanden und auch die mediale Aufmerksamkeit kam nicht zu kurz. Gerade die Reaktionen auf letztere fielen mir aber negativ auf. Die Anwesenheit von TV-Sendern waren für einige wichtiger, als die Anzahl der Teilnehmer. Und schon bin ich beim schlechtesten Punkt. Die mitlaufende Gruppe war mehr als überschaubar. Es war enttäuschend, wie wenige Fahrer sich beteiligten.
Im Internet und am Stammtisch geben sie sich Ihrer Frustration hin. Doch gestern hat man gesehen, dass es unter deutschen Fahrern kaum noch echte Solidarität gibt. Es ist nur noch gespielte Kumpanei und jeder kämpft für sich allein. Was für ein trauriges Bild.

Ich glaube nicht, dass es eine Fortsetzung dieser Aktionen gibt. Über kurz oder lang wird sich diese Gruppe auflösen. Ganz sicher liegt das aber nicht an den Machern im Hintergrund. Die haben ihr bestes gegeben. Zwar nicht immer frei von Fehlern, aber das konnte und durfte keiner erwarten. Meinen Respekt haben die dafür.

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