Von Udo Skoppeck
Was als sozialer Fortschritt verkauft wurde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als politische Kulisse, deren Fassade längst bröckelt.
Die Verhandlungen um das sogenannte „Mobilitätspaket I“ begannen mit hehren Zielen: Fairness, sozialer Ausgleich, Eindämmung von Lohn- und Sozialdumping.
Es war ein Hoffnungsschimmer für viele, die den ruinösen Wettbewerb im europäischen Straßengüterverkehr nicht mehr ertragen konnten.
Allen voran die selbstfahrenden Unternehmer, die KMU, die inländischen Berufskraftfahrer. Doch was folgte, war ein zermürbendes Schauspiel zwischen Lobbyismus, Ignoranz und politischem Kalkül.
Von Beginn an ein ungleiches Spiel
Schon während der Verhandlungen zum Mobilitätspaket wurde deutlich, wer am Tisch sitzt und wer draußen vor der Tür stehen muss. Vertreter großer Konzerne, Verbände mit wirtschaftsnaher Ausrichtung, Regierungen mit eigenen nationalen Interessen.
Sie alle bestimmten die Richtung. Die eigentlichen Betroffenen, die zigtausend Fahrer, die mittelständischen Transportunternehmer, wurden allenfalls am Rande gehört, wenn überhaupt.
Die Rückkehrpflicht von Fahrzeugen und Fahrern sollte der Durchbruch gegen Briefkastenfirmen und Ausbeutung sein.
Es wurde kaum ein Jahr nach ihrer Einführung durch politische Einflussnahme und neoliberale Interessengruppen systematisch aufgeweicht und abgeschafft.
Die Ausrede: Klimaschutz. Das eigentliche Ziel: weitere Marktöffnung unter dem Deckmantel ökologischer Vernunft. Eine Farce sondergleichen.
Auf Petition und Verfassungsbeschwerde folgt die Sprachlosigkeit der Demokratie
Eine Petition an die Bundesregierung und eine Verfassungsbeschwerde waren ein Akt demokratischen Aufbegehrens.
Ein Versuch, Gerechtigkeit auf juristischem Weg einzufordern. Wir haben uns auf geltendes EU-Recht gestützt, insbesondere auf Artikel 5 (3) EUV sowie Artikel 114 (2) AEUV. Wir haben dargelegt, dass der Wettbewerb im europäischen Güterkraftverkehr nicht nur unlauter, sondern regelrecht ruinös ist, für Arbeitnehmer wie für Unternehmer.
Doch die Bundesregierung blieb stumm. Kein Wort zur Begründung, keine inhaltliche Auseinandersetzung. Man verwies auf das Mobilitätspaket als sei damit alles geregelt.
Dabei wurden genau jene Missstände, die wir benannt haben, von diesem Paket nur neu verpackt, nicht beseitigt.

Die Artikel 151 bis 155 AEUV, auf die sich gerne berufen wird, sind in Wirklichkeit bloße Beteiligungsrechte für Tarifpartner ohne jede Entscheidungskompetenz.
Die Wahrheit ist: Diese „Sozialpartner“ dürfen informieren, kritisieren, einreichen aber nicht mitentscheiden. Die soziale Säule der EU ist ein Papiertiger.
Und das Bundesverfassungsgericht? Es kann die Beschwerde jahrelang liegen lassen oder sie kommentarlos ablehnen. Eine Instanz, die über so grundlegende Fragen wie die Zerstörung eines ganzen Berufszweigs urteilen soll, aber von der Materie keine praktische Ahnung hat, ist auf die Aussagen einer Bundesregierung angewiesen, die längst zum Mitverwalter eines Systems der Ausbeutung geworden ist.
Wirklichkeit auf den Straßen. Die Realität in den Fahrerkabinen
Während die Politik von Fortschritt redet, schlafen Fahrer auf Parkplätzen ohne sanitäre Einrichtungen.
Während Minister vom „starken Mittelstand“ sprechen, brechen deutsche Unternehmen unter dem Druck osteuropäischer Dumpinganbieter zusammen.
Während EU-Gesetze Schutz versprechen, finden Kontrollen nur auf dem Papier statt.
Während man von „Wettbewerbsgleichheit“ faselt, werden Sozialstandards systematisch unterlaufen.
Was bleibt, ist eine Realität voller Absurditäten: Fahrer, die sechs Wochen und mehr quer durch Europa irren, ohne zu wissen, ob sie nächsten Monat noch Arbeit haben oder wann sie nach Hause kommen.
Unternehmer, die sich an Vorschriften halten und dafür bestraft werden, weil sie nicht billig genug sind. Und eine Politik, die Gesetze schafft, deren Einhaltung sie weder kontrolliert noch einfordert.
Wenn Recht zur Kulisse wird, verliert die Demokratie
Das Mobilitätspaket hätte ein großer Wurf zur Gesundung einer Branche sein können. Stattdessen wurde es zum Vorwand, Reformen zu unterlassen, Proteste zu ignorieren und Kritik abzutun.
Die Rückkehrpflicht wird geopfert, die Marktzugangsregeln ausgehöhlt, der soziale Dialog zur Fassade degradiert. Was bleibt?
Ein ruinöser, systemisch geduldeter Wettbewerb, gespeist durch Briefkastenfirmen, unregulierte Subunternehmerketten und fehlende Kontrollen.
Eine Politik, die sich hinter dem Mobilitätspaket I versteckt, obwohl sie weiß, dass dessen Wirkung durch Ausweichstrategien längst unterwandert ist.
Ein Justizapparat, der auf Einschätzungen der Bundesregierung zurückgreift, die wiederum von realitätsfernen oder lobbygetriebenen Einschätzungen geprägt ist.
Wir haben nicht nur die Stimme erhoben, wir haben sauber gearbeitet, fundiert argumentiert und auf geltendes Recht berufen.
Das dies bis heute folgenlos bleibt, zeigt die wahre Fratze europäischer Verkehrspolitik: neoliberal, marktkonform, systemblind, und tief undemokratisch.
Doch auch wenn man uns ignoriert, verspottet oder bekämpft, wir haben den Finger in die Wunde gelegt. Und wir haben dokumentiert, was andere verschweigen.
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