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Kategorie: Internes

Wieder ein schwerer Unfall. Wieder das gleiche Muster.

Von Udo Skoppeck

Wieder hat ein Lkw einen Radfahrer beim Abbiegen schwer verletzt – diesmal wartete der Radler sogar. Ein Lkw biegt ab, ein Radfahrer, der wartet, wird überrollt.

135 Radfahrer sind 2024 allein durch Lkw ums Leben gekommen. Das sind 32 % aller tödlich verunglückten Radler.
Seit 2014 haben die Radunfälle um 64 % zugenommen, viele davon mit älteren Menschen auf Pedelecs, die keine Chance mehr haben, rechtzeitig zu reagieren.

Und ja, wir dürfen es aussprechen: In 81 % der Fälle liegt die Schuld bei uns, den Lkw-Fahrern. Es reicht. Diese Tragödien müssen aufhören.

Wir brauchen:

  • Pflicht für Abbiegeassistenten – sofort und für alle Lkw, nicht erst bei Neuzulassungen
  • Getrennte Ampelphasen für Lkw und Radfahrer – in jeder Großstadt
  • Schulungen und klare Regeln für Pedelec-Nutzer, besonders im höheren Alter
  • Sichere Radwege – raus aus der Gefahrenzone! Kein Vorbeifahren mehr an Lkw
  • Mehr Menschlichkeit in der Stadtplanung – Leben vor Logistik

Das Grundproblem, Abbiegeunfälle zwischen Lkw und Radfahrern sind kein neues Phänomen – sie sind seit Jahrzehnten bekannt.
Aber die Verkehrsinfrastruktur, der technische Standard der Fahrzeuge und teilweise auch das Verhalten der Beteiligten hinken der Realität hinterher. Niemand will Schuldige an den Pranger stellen.

Aber es geht hier um Leben. Um Familien. Um Menschen.

Ich fahre seit über 40 Jahren Lkw. Ich weiß, wie unübersichtlich Kreuzungen sein können. Aber ich weiß auch, jede Sekunde Unachtsamkeit kann ein ganzes Leben zerstören – oder mehrere.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass solche Unfälle nicht mehr passieren. Nicht durch Schuld – sondern durch Veränderung. Nicht irgendwann – sondern jetzt.

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Der tote Winkel ist kein statisches Problem – sondern ein situatives Risiko

Von Udo Skoppeck

„Es gibt ihn doch gar nicht mehr, den toten Winkel – oder?“

Das ist der Satz, an dem man schon merkt, wie verkürzt und falsch heute über Verkehrssicherheit gesprochen wird. Denn der tote Winkel ist nicht verschwunden – er ist nur nicht mehr sichtbar.
Weil er nicht nur im Spiegel entsteht, sondern in Köpfen, in Bewegungen, in Wettersituationen und in Sekundenbruchteilen.

Der tote Winkel – eine Begriffskritik

Allein der Begriff „toter Winkel“ ist schon irreführend. Er klingt technisch, abgegrenzt, fast harmlos – als wäre es ein fester, begrenzter Bereich irgendwo rechts unten neben dem Fahrzeug. Ein dunkler Fleck, den man einfach „wegdigitalisieren“ kann.

ansicht aus dem inneren eines lkw, mit sicht über die beifahrerseite nach außen - stichpunkt toter winkel

Aber die Realität ist anders. Der tote Winkel wandert – je nach Blickrichtung, Lichteinfall, Beladung, Fahrzeugmodell, Witterung.
Er vergrößert sich durch Stress, Ablenkung, schlechte Sicht oder fehlerhafte Einschätzung. Er betrifft beide Seiten: Fahrer wie Radfahrer und Fußgänger, Technik wie Mensch.

Und vor allem: Er ist nicht nur ein optisches Problem, sondern ein kognitives.

Warum Technik allein nicht reicht

Es gibt Kameras, 360°-Sensorik, Warnsysteme, Spiegel in jeder Ecke. Aber all das kann nur unterstützen – nicht erkennen, nicht handeln, nicht entscheiden. Technik sieht, aber sie versteht nicht.

Nur der Mensch kann abwägen, verlangsamen, reagieren, notfalls abbrechen.

Ein Fahrer kann mit 6 Spiegeln und 3 Kameras trotzdem jemanden übersehen – weil er abgelenkt war, weil eine Spiegelheizung ausgefallen ist, weil der Radfahrer sich in einem Schatten bewegt hat oder weil ein Schild den Blick versperrte.

Dynamik des Straßenraums

Was unterschätzt wird: Der Straßenraum lebt. Ein statischer Testaufbau zeigt nicht, wie es im Alltag aussieht. Dort gibt es: 

  • Wetterverhältnisse, die Spiegel und Kameras blenden oder verschmutzen
  • Städtebau mit Hecken, Pollern, Werbetafeln und schrägen Einfahrten
  • Unübersichtliche Kreuzungen, bei denen sich mehrere Risikozonen überlagern
  • Verhaltensunsicherheit von Fußgängern und Radfahrern, etwa bei grünem Licht, aber nicht freier Sicht
  • Gegenseitige Erwartungsfehler, die gefährlich werden, wenn der eine den anderen nicht „sieht“

Der tote Winkel ist also kein „technisches Problem“ – sondern ein komplexer, situationsabhängiger Zustand, der immer dann gefährlich wird, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen.

Was bedeutet das für die Argumentation?

Wer behauptet, „den toten Winkel gibt es nicht mehr“, ignoriert genau diese Vielschichtigkeit. Er macht aus einem lebendigen Risiko ein lineares Technikthema – und verlagert die Verantwortung. Das kann und darf nicht sein.

Wir brauchen eine neue Sprache für diese Problematik. Mehr Bewusstsein, dass Risiko aus vielen kleinen, oft harmlos wirkenden Faktoren entsteht und eine Sichtweise, die Verkehr als Zusammenspiel versteht, nicht als Aneinanderreihung von Vorschriften. 

Fazit – oder: Der tote Winkel ist da, wo der Mensch fehlt

Der tote Winkel ist dort, wo Technik versagt. Wo Aufmerksamkeit fehlt.

  • Wo keine Zeit bleibt zum Nachdenken
  • Wo ein Kind im Schatten steht
  • Wo ein Erwachsener glaubt, er wird gesehen
  • Und vor allem dort, wo wir einander nicht mehr wahrnehmen

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Kostet ein Lkw mehr als er nutzt?

Von Udo Skoppeck

Die Bedeutung des Lkw für unsere Wirtschaft ist unbestritten: Er liefert Waren, Rohstoffe, Maschinen, Lebensmittel – kurz gesagt, alles, was unser tägliches Leben möglich macht.
Doch hinter jedem Lkw auf der Straße steht ein komplexes Geflecht aus Kosten, Nutzen, Verantwortung und Abhängigkeiten.

Ein moderner Lkw mit Auflieger kostet in der Anschaffung rund +/-150.000 Euro. Hinzu kommt der Fahrerlohn plus Lohnnebenkosten. Doch das ist erst der Anfang.
Im Betrieb fallen zahlreiche weitere Kosten an: Diesel schlägt schnell mit mehreren zehntausend Euro jährlich zu Buche.

AdBlue, Mautgebühren, Reifen, Wartung, Reparaturen, Waschanlagen – alles summiert sich. Und all diese Ausgaben unterliegen der Besteuerung: Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer, Versicherungssteuer, Lohnsteuer, Sozialabgaben, Kfz-Steuer und Gewerbesteuer.

ein blauer lkw daf steht auf dem gelände einer tankstelle

Die Spedition selbst muss darüber hinaus eine Vielzahl an Versicherungen tragen – nicht nur für den Fuhrpark, sondern auch für Transportgüter, Mitarbeiter, Haftungsrisiken, Rechtsstreitigkeiten und Ausfälle.
Pflichtversicherungen mischen sich hier mit betrieblicher Vernunft: Wer im Krisenfall nicht abgesichert ist, riskiert die Existenz.

Auch im Hintergrund entstehen laufend Kosten: für Verwaltungspersonal, Disponenten, IT-Systeme, Mieten, Energie, Steuerberatung, Schulungen, Fahrerausbildung.
Selbst Krankheitsfälle, Urlaub oder gesetzliche Pausenregelungen bedeuten finanzielle Vorleistungen.

Und während der Lkw auf der Straße rollt, verdienen viele mit: Werkstätten, Tankstellen, Raststätten, Versicherungen, Waschstraßen, Mautbetreiber – sie alle profitieren vom Betrieb des Fahrzeugs.

Doch der Lkw-Fahrer und der Spediteur stehen oft am Ende der Kette. Sie tragen die Hauptlast der Verantwortung – wirtschaftlich wie sozial. Gleichzeitig führt der Straßengüterverkehr zu enormen Belastungen: für Umwelt, Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit.
Die sogenannten „externen Kosten“ – wie CO₂-Ausstoß, Feinstaub, Unfallfolgekosten oder Straßenschäden – zahlt die Allgemeinheit mit.

Auf der anderen Seite sorgt jeder gefahrene Kilometer dafür, dass Regale gefüllt, Betriebe beliefert, Existenzen gesichert werden.
Ohne Lkw bräche ein Großteil unserer Logistikkette zusammen – mit dramatischen Folgen für Einzelhandel, Industrie, Landwirtschaft und letztlich für uns alle.

Im Ergebnis zeigt sich ein deutliches Spannungsfeld: Der Lkw ist unerlässlich – wirtschaftlich gesehen ein großer Multiplikator –, doch die ökonomische und gesellschaftliche Last wird nur unzureichend verteilt.
Während viele Branchen direkt oder indirekt vom Betrieb profitieren, konzentrieren sich die realen Kosten auf wenige Schultern: auf die Fahrer, auf die Unternehmer, auf die Gesellschaft.

Diese Zusammenhänge müssen sichtbar gemacht werden. Nur dann kann eine ehrliche Debatte über faire Rahmenbedingungen, nachhaltige Mobilität und soziale Verantwortung geführt werden – im Interesse aller, die auf Mobilität angewiesen sind.

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Verkehrswende ohne Ideologie: Patrick Schnieder’s Pragmatismus als Programm

Von Udo Skoppeck

Mit einer Rede, die weniger an große Visionen erinnerte als an ein gut kalkuliertes Werkstattgespräch, stellte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder am 15. Mai sein verkehrspolitisches Programm vor.

Wer sich eine ideologische Richtungsentscheidung erhofft hatte, wurde enttäuscht – doch vielleicht liegt gerade darin der stille Reiz dieses neuen Kurses: Er will nicht polarisieren, sondern reparieren.

Der Minister beschwor den schlichten, aber kraftvollen Grundsatz „Sanierung vor Neubau“. Deutschlands Brücken, Schienen, Straßen – sie ächzen unter dem Gewicht jahrzehntelanger Vernachlässigung.
Schnieder verspricht keine neue Hochgeschwindigkeitszukunft, sondern eine Rückbesinnung auf das Fundament: intakte Infrastruktur als Grundlage jedes Fortschritts.

Doch das Programm bleibt nicht im Technischen stecken. Die Prozesse sollen schneller werden, das Planungsrecht moderner, die Beteiligung effizienter.
Was bei anderen wie eine Drohung klänge – „Verfahrensbeschleunigung“ – wirkt bei Schnieder wie ein Befreiungsschlag für eine überregulierte Republik.

Wenig überraschend: Der CDU-Mann setzt auf Technologieoffenheit. Kein Bekenntnis zum batterieelektrischen Dogma, sondern eine Einladung an Innovation.
Es ist die Rückkehr zur bürgerlichen Vernunft: Antriebe werden nicht ideologisch bewertet, sondern nach Leistung und Nutzen.

Bemerkenswert ist die ausgesprochene Gleichbehandlung aller Verkehrsträger. Schnieder spricht weder vom Ende des Autos noch von der glorreichen Zukunft der Bahn – sondern von einem Mobilitätsmix, der den Menschen dient. Auto, Bahn, Bus, Fahrrad und Flugzeug – alle dürfen mitreden, keiner soll dominiert werden.
Es klingt fast sozialdemokratisch in seiner Ausgewogenheit.

In der Schiene sieht der Minister ein Schlüsselelement, insbesondere durch die Fortsetzung der Generalsanierung zentraler Korridore.
Hier dringt gar etwas wie Weitblick durch: Mehrjährige Streckensperrungen sollen nicht als Rückschritt, sondern als notwendige Transformation begriffen werden.

Ein kleiner, fast beiläufiger Satz dürfte die größte Wirkung entfalten: Das Deutschlandticket soll erhalten bleiben – mit gesicherter Finanzierung.
Das Signal: Auch in der bürgerlichen Mitte ist der ÖPNV kein Fremdkörper mehr.

Schließlich der Luftverkehr. Während grüne Träume vom Nachtflugverbot noch durch die Talkshows geistern, plant Schnieder Steuererleichterungen für Flughäfen. Es ist die stille Rückkehr zum Globalismus in Zeiten der Standortdebatte.
Schnieders Programm ist kein flammender Appell. Es ist eine nüchterne Bestandsaufnahme mit Handlungsempfehlungen.

Wer eine große Mobilitätsutopie erwartete, könnte enttäuscht sein. Wer jedoch die Kraft der kleinen, klugen Schritte schätzt, findet in diesem Minister einen Technokraten mit Rückgrat – und vielleicht genau den richtigen Mann für eine Republik, die nicht träumen, sondern endlich handeln muss.

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Ein Kommentar zum aktuellen WDR/SZ-Bericht über illegale Lkw-Beschäftigung in Deutschland

Von Udo Skoppeck

Der neue Bericht von Westpol und der Süddeutschen Zeitung macht erneut sichtbar, was viele in der Branche schon lange wissen – aber worüber zu viele in der Politik und Gesellschaft hinwegsehen: Der Straßengüterverkehr in Europa wird zunehmend von einem System unterwandert, das auf Ausbeutung, Scheinselbstständigkeit und gezieltem Sozialbetrug basiert.

Es ist kein Geheimnis mehr, dass über Briefkastenfirmen in Litauen, Polen oder sogar auf den Bermudas Fahrer aus Nicht-EU-Staaten wie Indien, Belarus, Usbekistan oder Tadschikistan mit falschen Versprechen nach Deutschland gebracht werden – für 75 Dollar am Tag, ohne Zugang zu sauberen Unterkünften, ohne Arbeitsrechte, ohne Sozialabsicherung.

Ein Lkw steht mit offener kühlerklappe auf einem Parkplatz, an dieser Klappe hängt Wäsche zum trocknen.
Leben und wohnen im Lkw. Wäsche waschen inklusive.

Sie schlafen monatelang im Lkw, oft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Währenddessen werden ehrliche Unternehmen in Deutschland vom Markt gedrängt, weil sie bei diesen Dumpingpreisen nicht mithalten können.

Die Folgen?

  • Millionenschäden für die Sozialkassen
  • Entsolidarisierung der Branche
  • Unfaire Wettbewerbsverzerrung zulasten derer, die sauber arbeiten
  • Zunehmende soziale Spannungen unter den Fahrern auf Europas Straßen

Und das alles unter den Augen von Behörden, die mit ihren veralteten Strukturen und der fehlenden Zusammenarbeit untereinander schlicht überfordert scheinen.
Wenn ein Ermittler wie „Matthias Wagner“ offen sagt, dass es keine funktionierende Koordination zwischen Zoll, Polizei und Arbeitsbehörden gibt, dann ist das ein Offenbarungseid.

Was wir brauchen?

  • Eine EU-weite Taskforce gegen Sozialdumping und organisierte Ausbeutung im Transportsektor
  • Eine zentrale Ermittlungsstelle mit Zugriffsrechten auf Unternehmensregister in der gesamten EU
  • Deutlich verschärfte Kontrollen an der Straße und in den Firmen – digital unterstützt und in Echtzeit
  • Eine klare Durchsetzung des Mobilitätspakets I – nicht nur auf dem Papier

Und nicht zuletzt: Solidarität mit den betroffenen Fahrern. Denn viele von ihnen sind keine Täter, sondern Opfer eines Systems, das ihre Notlagen gnadenlos ausnutzt.

Es darf nicht sein, dass sich die deutsche Logistikbranche durch unfaire Ausbeutung selbst demontiert.
Wenn wir eine zukunftsfähige und sozial gerechte Transportwirtschaft wollen, müssen wir jetzt handeln – konsequent, gemeinsam, europäisch.

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Der letzte macht den Motor aus

Von Udo Skoppeck

Ein Feuilleton über Lkw-Fahrer, Ausbeutung und die Illusion der grünen Wende

Wenn irgendwo in Deutschland ein Lkw-Fahrer um vier Uhr morgens den Motor startet, denkt kaum jemand darüber nach, welche Geschichte hinter diesem Moment steckt.
Der Brummi rollt, die Waren kommen an, der Supermarkt ist voll – das System funktioniert. Doch was ist mit den Menschen hinter dem Steuer?

Die unsichtbaren Lastenträger der Wirtschaft

Lkw-Fahrer sind nicht die gefeierten Stars der Wirtschaft – und das s(w)ollen sie wohl auch nicht sein. Schließlich läuft das System auch dann reibungslos, wenn sie kaum jemand wahrnimmt.
Die Regale füllen sich wie von Geisterhand, die Industrieproduktion bleibt stabil, und der Onlinehandel boomt. Wer braucht da schon Gesichter hinter dem Lenkrad?

Während in Talkshows über die Zukunft der Mobilität debattiert wird, verbringen Fahrer ihre Nächte auf staubigen Rastplätzen, schlafen in ihren Kabinen und ernähren sich von Tankstellen-Sandwiches.
Fern der Heimat, mit Arbeitszeiten, die kein Büroangestellter jemals akzeptieren würde – aber wer würde sich darum kümmern?

Wichtig ist nur, dass der Transport billig bleibt und die Lieferkette funktioniert. Und wenn es um Löhne geht?
Nun ja, man kann ja immer noch billigeres Personal aus fernen Ländern holen, das sich nicht so anstellt. Lkw-Fahrer, die in der Realität aber systematisch ausgebeutet wird.

Die Abwärtsspirale begann nicht gestern. Schon vor über einem Jahrzehnt habe ich, gemeinsam mit Gleichgesinnten, Alarm geschlagen. Während Politiker über Verkehrsprojekte philosophierten, rollten osteuropäische Speditionen mit Dumpinglöhnen über die Autobahnen, angetrieben von einer Logistikbranche, die immer günstigere Preise forderte.
Speditionen, die Fahrer aus Drittstaaten für Hungerlöhne durch Europa schickten – wochen-, manchmal monatelang in den Kabinen lebend. Und was tat die Politik? Sie schaute zu.

CO₂-Preis: Die moderne Ablasszahlung der Politik

Nun, in Zeiten der Klimadebatte, tritt ein neuer Akteur auf die Bühne: der CO₂-Preis. Offiziell soll er Anreize schaffen, klimafreundlicher zu wirtschaften.
In der Praxis trifft er aber vor allem diejenigen, die ohnehin kaum noch Luft zum Atmen haben.

Symbolbild der letzte macht den Motor aus

Höhere Dieselpreise verteuern die Transporte, doch statt die Mehrkosten fair auf alle zu verteilen, werden sie auf die Fahrer und Speditionen abgewälzt.
Kleine Unternehmen gehen kaputt, während Großkonzerne mit politischem Rückenwind weiter expandieren.

Die Ironie dabei? Diesel-Lkw werden verteufelt, doch Alternativen fehlen. E-Lkw? Eine nette Idee, aber in der Praxis kaum einsetzbar für den Fernverkehr. Wasserstoff? Noch nicht marktreif.
Während die Politik Luftschlösser baut, stehen Fahrer vor der harten Realität: höhere Kosten, gleichbleibende Löhne, schlechtere Bedingungen.

Die Grünen feiern sich für ihre Klimapolitik, während auf den Rastplätzen Europas Fahrer aus ärmeren Ländern in ihren Kabinen hausen, weil sich die Übernachtung im Hotel nicht lohnt. Nachhaltigkeit? Für wen?

Engagement gegen die Windmühlen

Seit Jahren kämpfe ich mit Kollegen, Aktivisten und Unterstützern gegen diese Entwicklungen. Wir haben demonstriert, Petitionen gestartet, Gespräche mit Politikern geführt. Manchmal wurden wir gehört, oft ignoriert.
Die wahren Machtverhältnisse liegen nicht in den Parlamenten, sondern in den Chefetagen der Logistikkonzerne und bei den Lobbyisten in Brüssel.

Doch Aufgeben ist keine Option. Wenn sich eines gezeigt hat, dann, dass Veränderung nur durch Beharrlichkeit kommt. Wir haben es geschafft, das Thema Ausbeutung in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Aber es reicht nicht, nur darüber zu reden – es braucht politische Konsequenzen.
Faire Löhne, klare Regeln, effektive Kontrollen. Und eine Verkehrswende, die nicht auf dem Rücken derjenigen ausgetragen wird, die ohnehin schon den härtesten Job haben.

Ein System am Abgrund

Transportiert wird immer, auf die eine oder andere Weise. Die Frage ist nicht ob, sondern wie und zu welchem Preis – und wer ihn zahlt.

Seit Jahren kämpfen wir gegen Dumpinglöhne, Sozialdumping und die Ausbeutung von Fahrern, aber die grundlegenden Probleme bleiben bestehen oder verschärfen sich sogar.
Die CO₂-Bepreisung und die steigenden Dieselpreise treffen nicht die Konzerne, sondern die, die ohnehin schon am Limit arbeiten.

Kleine und mittelständische Speditionen sterben, während große Logistikkonzerne mit politischen Seilschaften im Rücken weiterwachsen.
Und die Fahrer? Sie werden durch noch billigere Arbeitskräfte ersetzt, aus Drittstaaten angeworben und unter Bedingungen gehalten, die kaum jemand für menschenwürdig hält.

Was kann man noch tun?

1. Politischer Druck und öffentlicher Diskurs

Die Wahrheit ist: Ohne politischen Druck ändert sich nichts. Wir müssen weiter laut sein – in den Medien, in der Öffentlichkeit, in den politischen Gremien.
Es reicht nicht, dass das Thema mal in einem Bericht auftaucht. Es muss dauerhaft auf der Agenda bleiben. Ein EU-weiter Mindestlohn für Fahrer, verpflichtende Sozialstandards und eine bessere Kontrolle des Kabotageverkehrs sind längst überfällig.

2. Klare Verantwortlichkeiten und Sanktionen

Das Problem ist nicht der osteuropäische Fahrer, der für einen Hungerlohn fährt. Das Problem sind die Auftraggeber, die sich um soziale Verantwortung drücken.
Großkonzerne lagern die Verantwortung aus und tun so, als hätten sie mit den Arbeitsbedingungen auf der Straße nichts zu tun. Das muss sich ändern. Wer von Dumping profitiert, muss zur Rechenschaft gezogen werden – finanziell und juristisch.

3. Technologie und faire Transformation statt blinder CO₂-Steuern

Eine echte Verkehrswende kann nicht bedeuten, dass die Preise steigen und die Schwächsten zahlen. Es braucht echte Alternativen: Infrastruktur für alternative Antriebe, praktikable Konzepte für den Güterverkehr, eine Stärkung der Bahn ohne die Vernachlässigung des Lkw-Verkehrs.
Wer einfach nur verteuert, ohne Lösungen anzubieten, betreibt Politik auf Kosten derer, die keine Lobby haben.

4. Fahrer stärken – nicht ersetzen

Es gibt immer mehr Ideen, Fahrer durch autonomes Fahren zu ersetzen, statt ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Doch bis selbstfahrende Lkw wirklich eine flächendeckende Alternative sind, wird es noch Jahrzehnte dauern.
In der Zwischenzeit bräuchte es bessere Löhne, vernünftige Arbeitszeiten und menschenwürdige Bedingungen für Fahrer. Aber das kostet Geld – und daran scheitert es.

Fazit: Weiterkämpfen oder zuschauen?

Wir stehen vor der Entscheidung: Nehmen wir diese Ungerechtigkeit einfach hin, oder kämpfen wir weiter? Die Politik wird nicht von allein aktiv.
Große Konzerne werden nicht plötzlich freiwillig fairer. Aber wenn die Betroffenen selbst nicht mehr aufstehen, dann passiert gar nichts.

Also bleibt nur eins: Laut bleiben, unbequem sein und weiter Druck machen. Denn wenn sich nichts ändert, dann zahlen am Ende alle – nur eben nicht die, die am meisten profitieren. 

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Die erschreckende Realität der Transportbranche

Von Udo Skoppeck

1. Historische Parallelen: Jahrzehnte des Missbrauchs

Bereits in den 1980er Jahren kam es in Deutschland zu wilden Streiks, beispielsweise von Fahrern der Firma Stadler in Hengersberg, die auf dem Autohof Feuerecker protestierten.

Die Missstände waren schon damals ähnlich: Unbezahlte Löhne, miserable Arbeitsbedingungen und ein völlig aus dem Ruder gelaufener Wettbewerb, der nur noch auf Lohndumping und Ausbeutung basierte.

2. Die Streiks von Gräfenhausen: Das erste Aufbäumen der Fahrer im April 2023

Rund 60 Fahrer einer polnischen Spedition legten ihre Arbeit nieder, da sie monatelang keinen Lohn erhalten hatten.
Nach zähen Verhandlungen zahlte der Arbeitgeber die ausstehenden Gehälter.

September 2023: Ein weiterer Streik folgte, diesmal mit Hungerstreik von etwa 30 Fahrern. Nach massivem öffentlichen Druck kam es erneut zu einer Lohnzahlung.
Ergebnis: Zwar erhielten die betroffenen Fahrer ihr Geld, aber an den grundsätzlichen Problemen änderte sich nichts. Politik und Kontrollbehörden schauten tatenlos zu.

3. Die neuen Opfer: Simbabwische Fahrer und der Fall Hegelmann im Januar 2025

Zehn Fahrer aus Simbabwe protestieren, nachdem sie monatelang in ihren Lkw hausen mussten und mit nur dreißig Euro pro Tag abgespeist wurden.

Berichte über Einschüchterung, Bedrohung und sogar versuchte Entführungen häufen sich.
Ihr Arbeitgeber? Eine slowakische Tochterfirma des deutschen Logistikriesen Hegelmann.

Die Fahrer fordern lediglich ihr verdientes Geld – doch ihr Kampf zeigt, dass sich in der Branche nichts verändert hat.

4. Der Fall Sherbodzek Khudayberdiev

Der usbekische Fahrer, angestellt bei Baltic Transline (Litauen), bleibt Ende Januar 2025 in Venlo stehen.
Seine Forderung: Zahlung seines ausstehenden Lohns, den er seit über sechs Monaten nicht vollständig erhalten hat.

Sein „Verbrechen„: Er nutzt sein gesetzlich verbrieftes Zurückbehaltungsrecht, um seinen Lkw und die Ladung nicht herauszugeben, bis er bezahlt wird. Reaktion des Arbeitgebers: Versuche, den Anhänger gewaltsam zu entfernen.
Einschüchterung durch eine litauische Schlägertruppe. Sperrung seiner Temporary Resident Card (TRC), um ihn in einen illegalen Status zu drängen und seine Abschiebung zu erzwingen.

Seine Angst: Er schläft kaum noch, aus Angst, überfallen oder getötet zu werden. Die erschreckende Realität: Eine Branche im moralischen Verfall.
Die Branche ist so verrottet, dass selbst bestehende Gesetze – wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Generalunternehmerhaftung nicht greifen.

Ein weißer lkw daf aus Osteuropa
Eine typische Kombination: Zugmaschine neutral weiß. Auflieger meist graue oder wie hier rote Plane oder weißer Kühler. Oft ohne Werbung, um nicht aufzufallen.

Unternehmen haben ein perfektes System entwickelt, um Fahrer aus Drittstaaten auszubeuten: Sie rekrutieren gezielt Arbeitskräfte aus armen Ländern.
Sie halten sie in völliger Abhängigkeit, indem sie Dokumente einbehalten oder sperren.Sie setzen auf Gewalt und Einschüchterung, um ihre Profite zu schützen.

Ein Versagen auf ganzer Linie

Nationale Behörden versagen auf ganzer Linie: Das BALM (Bundesamt für Logistik und Mobilität) kontrolliert kaum.
Verstöße gegen EU-Vorschriften werden oft nicht an ERRU (Europäisches Register für Verkehrsverstöße) gemeldet.

Unternehmen wie Hegelmann oder Baltic Transline agieren nahezu rechtsfrei, da sich die Politik nicht bewegt.
Schlussfolgerung: Wann wacht die Exekutive endlich auf? Es gibt genug Gesetze! Das Problem ist nicht die fehlende Regulierung, sondern die fehlende Durchsetzung.

Gräfenhausen war der Anfang

Wie viele Fahrer müssen noch leiden? Wie viele müssen noch von Schlägertrupps bedroht werden, bevor Politik und Behörden reagieren?
Deutschland und Europa brauchen eine knallharte Exekutive, die gegen diese Machenschaften endlich durchgreift!

Gräfenhausen war nur der Anfang. Wenn sich nichts ändert, werden wir noch viele solcher Streiks erleben – mit Fahrern, die um ihr Leben fürchten müssen.

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WmDedgT 5.02.25

Es ist mal wieder der fünfte eines Monats. Und an diesem fragt „Gut gebrüllt“, wie denn von anderer Leute Blogger der Tag so war. Das nennt sich dann „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag„.? Oder eben in Kurzform „WmDedgT„.
Hier ist, zum siebten Mal – joa mei, wie die Zeit vergeht – meine Ausgabe:

3.24 Uhr, mir ist kalt, ich werde munter. Toll. Im dunklen such ich den Schalter für die Standheizung. Eine geile Erfindung.
Der erste Lkw den ich fahren musste, damals vor dreiunddreißig Jahren, hatte sowas nicht. Keine Ahnung, wie ich da zurecht kam. Na ja, ich war jung und zäh. Und ein bissel naiv.

Kurzer Blick aufs Handy. Oh, ich kann noch zwei Stunden pennen.

5.15 Uhr, die Weckfunktion vom Handy reißt mich aus dem Schlaf. Waren das echt zwei Stunden? Ich überlege kurz, wo ich eigentlich stehe. Ah, irgendwo bei Sirmione.
Dann die übliche Routine. Aus der Koje krabbeln, anziehen, Vorhänge auf, Motor starten, Tacho auf Arbeitszeit stellen.

Die kleine Tankstelle auf dessen Gelände ich stehe, hat noch geschlossen. Also pieseln ins Gras und Kanisterwäsche. Die finde ich nie angenehm, bei zwei Grad.
Während ich Zähne putze, mach ich nen Rundgang um den Lkw. Beleuchtung funktioniert, kein Reifen platt, Tanks geschlossen, Plane nicht zerschnitten, an der Sattelkupplung hat sich auch niemand zu schaffen gemacht. 

5.34 Uhr, los geht’s. Ist ein purer Fahrtag heute. Brauch also keinen Kunden anfahren. Die einzigen die mir und denen ich auf die Nerven gehe, sind Auto- und Lkw-Fahrer um mich herum.

5.56 Uhr, erster kurzer Stopp an einer Tankstelle kurz vor Affi. Ich hole mir nen Kaffee Americano und ein Brioche. Mit Pistaziencreme. Und weil die grad aus dem Ofen kommen, gleich noch eines. Gefüllt mit Marmelade.
Und wieder stelle ich mir die Frage, wieso bekommt man sowas nicht in Deutschland hin? Preiswerter Kaffee, der auch noch toll schmeckt und was leckeres süßes dazu.

Aber ich darf nicht zu lange überlegen, muss weiter. Immerhin hat es für ne Viertelstunde Pause gereicht.

7.50 Uhr, die Leuchtschilder über der Brennerautobahn zeigen Stau zwischen Bozen-Süd und Bozen-Nord an. Da hab ich wenig Lust drauf. Also fahr ich ab und quer durch die Stadt.
Trotz Berufsverkehr läuft das gut. Denke mal, ich hab zumindest keine Zeit verloren.

Kurz vor neun, irgendwo hinter Innsbruck. Halbe Stunde Pause. Eigentlich nehme ich mir vor, in dieser Zeit mal ein bissel draußen rumlaufen.
Aber meist bleibt es beim Vorsatz. Viel öfter stell ich den Wecker und döse die dreißig Minuten.

Später bei Kufstein noch tanken. Seitdem sich die Spritpreise in Tirol und Bayern kaum noch unterscheiden, gibt es da nur noch selten Wartezeiten. Vor einiger Zeit war das mal ganz anders.

12.03 Uhr, nochmal ne Pause. Dieses Mal am Irschenberg. Da fix duschen und ein Brötchen mit Leberkäs. Beides ist Pflicht.

16.34 Uhr, Feierabend. Oder fertsch wie der Sachse sagt. Stehe auf nen Rasthof zwischen Nürnberg und Würzburg.
Könnte zwar noch ne knappe Stunde fahren, aber das passt so. Morgen früh noch dreieinhalb Stunden bis zur ersten Abladestelle, von daher alles gut.

Jetzt noch fix diesen Beitrag tippen, nebenbei was Essen und ein Bierchen schlabbern. Dann Zähne putzen und ab in die Koje.

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