Von Udo Skoppeck
Ein Spannungsfeld zwischen Recht, Realität und Menschlichkeit, zwischen Gesetz, Gewissen und Wirklichkeit
2. Weihnachtstag, eine Raststätte an der Autobahn 2
Die Parkplätze sind überfüllt, die Fahrer sind im Lkw. Für viele Außenstehende ein gewohntes Bild. Für uns dagegen ein Anlass hinzuschauen.
Es geht dabei nicht um kulturelle oder religiöse Fragen. Natürlich gibt es Fahrer, die kein Weihnachten feiern.
Nein, es geht um etwas anderes: Wir haben ein Mobilitätspaket, wir haben Lenk- und Ruhezeiten, wir haben Gesetze, die genau verhindern sollen, dass Menschen monatelang im Lkw leben. Auf dem Papier ist vieles klar geregelt, nur in der Realität wird es zu oft nicht kontrolliert.
Wer mit den Fahrern spricht, bekommt meist ehrliche Antworten
Ja, es gibt einige, die freiwillig im Lkw leben. Aber die meisten sagen etwas anderes: „Ich würde gerne nach Hause. Aber es geht nicht.“
Teilweise sind sie drei bis sechs Monate unterwegs. Und weil kaum kontrolliert wird, scheint es egal zu sein.
Die kleinen Geschenktüten, die an solchen Tagen verteilt werden, sind ehrlich gemeint. Sie sind ein kurzer Moment des Glücks, ein Zeichen: Du wirst gesehen.
Aber sie ändern nichts an den Strukturen. Eine konsequente Kontrolle der bestehenden Regeln wäre für viele Fahrer das wertvollere Geschenk.
Gnade, Verantwortung und Scheinheiligkeit
Gleichzeitig gibt es eine andere, ebenso berechtigte Perspektive. Es ist Weihnachten. Muss an diesen Tagen wirklich das Recht über allem stehen?
Gibt es nicht Momente, in denen Menschlichkeit vor Paragrafen stehen darf?
Viele der Menschen, die Geschenke verteilen, fordern keine Strafen.
Sie wollen keine Anzeigen, keine Bußgelder. Sie wollen einfach nur eine kleine Freude in einen trostlosen Alltag bringen.

Der Vorwurf der Scheinheiligkeit trifft deshalb nicht die Helfer. Sondern eher die Gesellschaft insgesamt. Auf der einen Seite wird verteilt, getröstet, fotografiert.
Auf der anderen Seite bleibt ein System bestehen, das genau diese Zustände produziert und hinnimmt.
Wir wollen unsere Pakete pünktlich. Wir wollen volle Regale. Wir wollen niedrige Preise. Am besten ohne darüber nachzudenken, wer den Preis dafür zahlt.
Und wenn Fahrer über Weihnachten, Ostern oder an normalen Wochenenden auf Raststätten stehen, heißt es: „So war das doch nicht gemeint.“
Doch: Ein Preis, den man nicht sehen will, ist trotzdem ein Preis.
Mehr als ein Geschenk
Mein Dank gilt allen, die ihre Freizeit geopfert haben, um auf Raststätten ein Zeichen zu setzen. Diese Gesten sind wichtig. Sie zeigen den Fahrern, dass sie nicht völlig unsichtbar sind, auch wenn es oft nur Minuten sind.
Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir weiterdenken. Über den Tellerrand. Über Weihnachten hinaus.
Menschenwürde ist kein saisonales Gefühl. Sie bedeutet, dass niemand zum bloßen Mittel degradiert wird. Auch nicht im Namen von Logistik, Konsum oder Bequemlichkeit.
Vielleicht ist genau das der Punkt, an dem sich beide Sichtweisen treffen: Ohne Respekt, ohne Kontrolle, ohne Verantwortung bleibt selbst die schönste Geste nur ein Trostpflaster.
Und das kann auf Dauer nicht genug sein.

„Ein Preis, den man nicht sehen will, ist trotzdem ein Preis.“
Ein sehe schöner Satz, der auch für andere Dinge gilt. Ich denke da bspw. an Kinderarbeit, die es in Entwicklungsländern immer noch gibt.