Bodo Ramelow, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, war letzte Woche auf einer Tour durch Erfurt. Eingeladen dazu hatte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Zwischenziele waren verschiedene Betriebe der Provinzhauptstadt.
Angesprochen wurde auf dieser Reise auch das Lohnniveau in diesem Freistaat. So liest man bei Herrn Ramelow u.a. folgendes:
…dass Billiglohn keine Strategie mehr sein kann, die der hiesigen Wirtschaft weiterhilft.
Das klingt toll. Dann kann ich mir ja in naher Zukunft einen Arbeitgeber suchen, der in meinem Heimatort angesiedelt ist – und nicht 250 Kilometer entfernt.
Aber ich bleibe in der Realität: Ein Bekannter von mir fährt für eine Spedition, mit Sitz in einem Ort im thüringischen Eichsfeld. Sein Bruttoverdienst liegt bei 1 800 Euro. Netto sind das bei Steuerklasse 1 rund 1 220 Euro. Dazu kommen Spesen, die aber nicht mit zum regulären Lohn zählen.
1 220 Euro monatlich in der Lohntüte. Und das bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 240 – 260 Stunden im Monat. Da braucht man wirklich eine Menge Enthusiasmus. Oder was näher liegt: Man denkt besser nicht darüber nach.
In der „Thüringer Allgemeinen“ konnte man vor einigen Tagen ein Interview mit dem Präsidenten des Thüringer Arbeitgeberverbandes, Wolfgang Zahn, bewundern. Voller Stolz berichtete er auf die Frage, wie es der Thüringer Wirtschaft geht, folgendes:
Es brummt. Vor allem die Autobranche, Zulieferer, Kunststoffhersteller und jetzt auch der Maschinenbau laufen nach der Krise wieder auf vollen Touren.
Natürlich kam in diesem Interview auch das Thema Billiglohn und Leiharbeit zur Sprache. Als Antwort kamen Sätze wie „Da wird vieles übertrieben„, oder „Die im Arbeitgeberverband organisierten Firmen zahlen alle Tariflöhne, was ein grundsolides Auskommen bedeutet.“
Wie viel Prozent der Thüringer Unternehmen tatsächlich den offiziellen Tarif zahlen, kann oder will aber auch der Chef eines Wirtschaftsverbandes nicht sagen. Bei dieser Frage verliert er sich in diffusen Schätzungen.
In der Kunststoffindustrie brummt es also. Komisch, dass ein Arbeitnehmer davon nichts merkt. Ausser vielleicht durch eine erhöhte Arbeitsbelastung.
Ein weiterer Bekannter von mir arbeitet bei einem Zulieferer der Automobilindustrie. Dort, in Eisenach, werden diverse Kunstoffteile hergestellt. Selbst in der zurückliegenden Wirtschaftskrise gab es keine Entlassungen und auch keine Kurzarbeit. Trotzdem ist eine Lohnerhöhung für die dortigen Mitarbeiter Utopie.
Selbst der erwähnte Bekannte verdient als Vorarbeiter im 2 – Schichtsystem gerade einmal 1 400 Euro. Brutto natürlich. Wenn der Sätze hört, in denen es heißt, er hätte ein „grundsolides Auskommen“, wird er still. Ob vor Scham, seiner Familie kein grundsolides Auskommen bieten zu können oder einfach nur, weil Ihm die Worte fehlen, weiss ich nicht.
Aber ein wenig Hoffnung bleibt. Immerhin forderte der heutige stellvertretende Ministerpräsident, Christoph Matschie, im letzten Wahlkampf folgendes:
Eine SPD-Landesregierung mit Christoph Matschie an der Spitze wird für höhere Löhne in Thüringen kämpfen
Für ganz nach oben hat es für Matschie bekanntermaßen nicht gereicht. Als Ausrede kann das aber nicht gelten. Ansonsten ist er bald wieder in der Opposition – und der Ministerpräsident heißt Ramelow. Der ist bekanntlich für einen Mindestlohn.
Aus einem gestrigen Gespräch, mit dem Fahrer einer im westeuropäischen Ausland beheimateten Spedition möchte ich gerne folgenden Satz zitieren:
Für 2.000,00 Euro stelle ich mir nicht einmal den Wecker!
(Ob das jetzt netto oder brutto ist, überlasse ich der Phantasie der hier lesenden…)
Merkwürdig, dass es im Ausland machbar ist, aber bei uns in good Old Germany nicht.
@spacefalcon: Welches westeuropäische Ausland war das denn? Jetzt sag bitte nicht Holland. Ich bin für eine deutsche Spedition in Holland gefahren. Und die Holländer wollten alle den Job haben, allerdings zu deutschen Konditionen. Niederländische Fahrer verdienen oft so um die 1.400 Euro Brutto. Sicherlich gibt es dort auch Fahrer die deutlich mehr verdienen, aber bei Krankenkassenbeiträgen um die 20% relativiert sich das ganze recht schnell.
Bei den meisten Fahrern die solche Sprüche klopfen habe ich das Gefühl das es wirklich nur Sprüche und sie selber recht arme Würstchen sind.
Ich selber verdiene deutlich über 2.000 Euro (Brutto) zuzüglich Spesen&Zulagen. Allerdings mussten wir im vergangenen Jahr auf 2,5% Lohn, Überstundenbezahlung sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Wirtschaftskrise halt. Lohnkürzung ist mittlerweile rückgängig gemacht, Rest bleibt gestrichen. Trotzdem bin ich noch recht zufrieden mit dem was ich verdiene, komme damit zumindest ganz gut klar.
Ein Fahrer aus dem Raum Meppen sagte mir mal, dass er rund 1.700 (Brutto) plus Spesen&Zulagen bekommt und damit sehr zufrieden ist. Klar, kann er auch. Zahlt für seine 100m² Wohnung ja auch nur knappe 300 Euro (warm). Hier bei uns zahlt man dafür gut und gerne das drei- bis vierfache.
Über Löhne zu diskutieren ist recht schwer, denn die Lebenshaltungskosten sind sehr unterschiedlich. Klar kann man neidisch werden wenn jemand erzählt er würde 2.500 verdienen. Muss man aber nicht wenn man dann mal fragt was nach Abzug aller Kosten tatsächlich unterm Strich übrig bleibt. Und hier ist dann auch das Problem mit den Mindestlöhnen. Wie soll man denn einen halbwegs gerechten Mindestlohn finden? Ist er z.B. in Düsseldorf hoch angesetzt und z.B. in Erfurt niedrig, angepasst an den Lebenshaltungskosten, gäbe es auf Stellenausschreibungen in D’dorf überdurchschnittlich viele Bewerber aus den östlichen Bundesländern. Dann kann man das mit den Mindestlohn auch gleich bleiben lassen.
vorab mal ein Wort zu den Mehrbelastungen bei den div. Herstellern:
Maik, es handelt sich hier i.d.R. um Mittelständler und die haben dankenswerterweise vielfach auf Entlassungen verzichtet und dies auch mit den Betriebsräten in Vereinbarungen festgehalten. Teil dieser Vereinbarungen war dann sicherlich auch eine Aussage zum „handling“ nach der Krise. Dsas das nicht bis zum St-Nimmerleinstag so gehen kann, ist sicherlich auch allen bewusst.
.. nur: diese Betriebe sind meist Inhaber-geführt und diese haben ein ganz anderes Bewusstsein als die 5-Jahresvertrags-Manager der Konzerne (nach mir die Sintflut).
Was die Aussage der zitierten Politiker betrifft: Du nimmst doch „die“ nicht etwa ernst? Die reden doch jedem nach dem Mund – vor Allem im Sommerloch 🙁
Gruß + gute Fahrt
Hajo
@hajo: „Dsas das nicht bis zum St-Nimmerleinstag so gehen kann, ist sicherlich auch allen bewusst.“
Das sehe ich etwas anders. Deutschland ist ein Hochlohnland und konnte sich bisher hauptsächlich durch Hochtechnologie von den Nachbarländern absetzen. Die sind aber auch nicht dumm und haben in den letzten Jahrzehnten deutlich aufgeholt. Viele Standorte wurden dicht gemacht und in andere Länder mit niedrigeren Löhnen verlegt. Früher hatte man Befürchtungen das man die Qualität im Ausland aufgrund geringerer Bildung nicht die gleiche sei, dies ist aber mittlerweile nicht mehr so.
aber auch Arbeiten die man nicht so einfach ins Ausland verlegen kann, z.B. Transporte, werden mehr und mehr von günstigen ausländischen Firmen durchgeführt. Dank der Osterweiterung der EU ist dies auch kein Problem mehr. So werden Autotransporte fast nur noch von osteuropäischen Speditionen durchgeführt. Dies ging dann so weit, dass Deutschland ein Kabotageverbot für Polen als Voraussetzung für deren Beitritt zur EU machte.
Derzeit deutet alles darauf hin das sich deutsche Löhne dem Lohnniveau im benachbarten Ausland angleichen. Und das bedeutet Löhne runter, nicht Löhne im Ausland rauf.
Die Wirtschaftskrise wurde von sehr vielen Betrieben genutzt um „überhöhte“ Löhne dauerhaft den Markt anzugleichen und zum Teil auch um Personal abzubauen.
Demnach wird der Aufschwung sich wohl nicht in der Lohntüte bemerkbar machen. Auch das zeichnet sich jetzt schon deutlich ab. Es gibt zwar sehr viele offene Stellen, jedoch zu untragbar niedriger Bezahlung. Wenn es nicht gleich Minijobs für 400 Euro sind.
@Ralf:
Natürlich gebe ich Dir insofern recht, dass man Aussagen von Kollegen nicht uneingeschränkt vertrauen kann bzw. sollte.
In diesem einen Fall, bin ich aber wirklich geneigt, den Aussagen glauben zu schenken.
Der Grund ist recht einfach, mit über 70 Fahrern dieser Spedition habe ich in den letzten Jahren gesprochen, die Aussagen waren fast deckungsgleich. Bei einer Fahrzeugstärke jenseits der 1.200 Züge ist es aber auch nicht schwer, mit so vielen verschiedenen Leuten zu sprechen.
Auch in den weiten Welten des Internet, habe ich bislang nichts nennenswert Negatives über die Firma finden können.
Das persönliche Empfinden, wann man der Meinung ist, genug zu verdienen, ist sehr subjektiv.
14,50 Euro / Stunde, für den Einen ist es eine Menge, für den Anderen wiederum eine lächerliche Vergütung.
Ich zum Beispiel bin der Meinung dass mein Stundenlohn, recht hoch ist, wenn ich da mal den Schnitt bilde.
Bislang habe ich noch keinen Fahrer / Kollegen erlebt, der bei der Angabe nicht die Augen aufgerissen hat.
Dennoch bin ich der Meinung, es könnte mehr sein. 🙂
Will mich aber nun wirklich nicht beklagen, das wäre gegenüber anderen doch sehr anmaßend und käme mehr als arrogant rüber, auch wenn es so nicht gemeint ist.