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Trübe Aussichten

Am Zollamt in Weil am Rhein steht ein großes braunes Gebäude, in dessen oberen Stockwerken viele Speditionen und Agenturen Büros betreiben, in denen Zolldeklaranten sitzen. In eines dieser Büros durfte ich gestern, um eine Sendung Stühle, die für die Schweiz bestimmt waren, zu verzollen.

Um kurz nach vier gestern Nachmittag gebe ich meine Papiere bei der für mich zuständigen Zolldeklarantin ab. Nach einer Stunde fällt es der Frau auf, dass sie dieses Mal überhaupt nicht für mich zuständig ist und schickt mich in ein anderes Büro, ein Stockwerk höher.

Der Mann dort hat natürlich keine Lust mehr und schickt mich wieder weg. Früh um sieben wäre wieder einer für mich da.

Genau um diese Zeit stand ich auf der Matte. Ich sollte die Papiere auf den Holztresen legen und auf dem Korridor warten. Er würde mich dann rufen.
Das die Abfertigung aber drei Stunden dauern würde, hat der Deklarant nicht gesagt.

Irgendwie sind die in diesem Gebäude alle bräsig. Vielleicht liegt das an den Fenstern, die sich nicht öffnen lassen. Fehlender Luftaustausch lässt Menschen komisch werden.

Tja. Blöd nur, dass ich durch die achtzehn Stunden Zwangspause meine Stühle erst am Nachmittag entladen lassen konnte. Die zwei restlichen Entladestellen bei Turin und Cuneo schaffe ich deshalb erst morgen.
Laden darf ich natürlich auch noch. Das wird dann Freitag werden. Was sich dann Wochenende nennt, wird wieder einmal spät und extrem kurz.

14 Comments

  1. Ein Erfurter
    Ein Erfurter 19/05/2016

    Solche Erfahrungen kann man nur denjenigen wünschen, die die EU wieder abschaffen wollen. Dann ist wieder überall „Grenze“. Wir fahren familiär bedingt auch öfter in die Schweiz, als Ossi hat man da immer noch ein komisches Gefühl vor dem Zollhäuschen. Ich fahre jetzt immer über Rheinfelden, wirkt irgendwie nicht ganz so bedrohlich.
    @Maik: Dass du da so ruhig bleiben kannst, alle Achtung.

  2. Paul Panther
    Paul Panther 19/05/2016

    Ich wollte diesen Job nicht machen. Ich würde regelmäßig ausrasten.

  3. hajo
    hajo 19/05/2016

    @Ein Erfurter: wenn Maik jedes Mal ausrasten würde, wenn’s mal nicht so läuft wie „gewünscht“, dann würde er vermutlich einen spezialverstärkten „Knitterfreien“ benötigen – von den Mengen Tranquilizer gar nicht zu reden.
    Trotzdem: auch ich bewundere Dich, lieber Maik: in meiner Baustellenzeit (in „Vor-EU-Zeiten“) hatte ich auch wegen Mitnahme von Material/Ersatzteilen die Freude und im Nachhinein stelle ich fest, dass das auch an anderen Grenzen (in meinem Fall Benelux) ähnlich war.
    Grüsse und weiterhin gute Fahrt (Du wirst ja nicht für das Rumstehen bezahlt 😀 )
    Hajo

  4. Jürgen
    Jürgen 19/05/2016

    Hallo Maik,
    die Tätigkeit eines Zolldeklaranten erscheint mir ziemlich lässig. Haben die denn so viel zu tun? Sind das Beamte oder Mitarbeiter einer privaten Firma, die von den Schweizer Zollbehörden mit der Zolldeklaration betraut wurden?

    Lassen die einen genauso konsequent sitzen, wenn man zollpflichtige Medikamente für einen dringenden Notfall in der Schweiz einfuhren muss? Oder gibt es auch weniger bräsige Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen)?
    MfG,
    Jürgen

  5. maik
    maik 19/05/2016

    @Ein Erfurter: Sprüche wie „Grenzen dicht“ kommen von Leuten, die damit nichts zu tun haben. Für mich als direkt betroffener wäre es ein Graus.
    Zumal das an der eigentlichen Problematik, nämlich dem Flüchtlingen, nichts ändern würde. Diese Menschen würden sich trotzdem auf den Weg Richtung Europa machen. Der Grenzzaun, den Österreich am Brenner hochzieht, ist blanker Populismus. Damit versucht man die eigene Bevölkerung zu beruhigen, an den eigentlichen Ursachen ändert sich aber nichts.

    @Chris: So einfach ist das nicht. Ich muss zu dem Deklarantenbüro gehen, welches mir die Firma für die ich fahre, vorgibt. Und das ist i.d.R. irgendein Partner von denen.

    @Hajo: Das rum stehen ist belastend, klar. Zumal mir später die Zeit fehlt. Das merke ich, ganz klar. So bin ich statt Freitagabend erst Samstagabend zu hause. Mir wird also meine eh schon knapp bemessene Freizeit noch weiter geklaut. Genau das stört mich ungemein.

    @Jürgen: Zolldeklaranten sind Angestellte privater Firmen. Meist sind das Speditionen.
    Ob die Stress haben, weis ich nicht. Am Morgen ist es vielleicht etwas hektischer, b.z.w. am Nachmittag im Schweiz Export. Aber die sitzen ja auf der anderen Seite der Autobahn.

    Es gab mal eine Zeit, in der ich wöchentlich in die Schweiz gefahren bin. Da hatte ich feste Deklaranten, mit denen kam ich prima aus. Weil ich eben oft mit denen zu tun hatte.
    Es gibt also auch nicht ganz so bräsige Leute da drin :-). Man soll ja nicht alle über einen Kamm scheren.
    Trotzdem habe ich das Gefühl, viele mögen ihren Job nicht besonders. Aber vielleicht verstecken die ihre Freude auch nur geschickt.

    Zu deiner letzten Frage kann ich nichts schreiben. Eben weil ich da wenig Einblick habe.

  6. Enrico
    Enrico 20/05/2016

    Mit dem warten kenne ich zur genüge,fahre ja auch allerdings ne Nummer grösser und Schwerer im Güterverkehr der Bahn neulich fast 6 Stunden vor nem Haltsignal gewartet da ein Fensterzug nach dem nächsten hinter mir war!Nur ich sag nach genau 10 Stunden Feierabend und dann muss sich der Disponet kümmern wie er den Zug weg bekommt! Im LKW wäre ich schon öfters ausgerastet glaub ich!!

  7. hajo
    hajo 20/05/2016

    Hallo Maik, Du hast selbstverständlich Recht, wenn’s an meine Freizeit geht, wäre ich auch angepisst. Sorry fü meinen flapsigen Kommentar 😉

  8. Börni
    Börni 20/05/2016

    Wo ist das Problem? Geht dein Wochenende halt bis Montag abend und fährst Dienstag erst wieder los.

  9. maik
    maik 20/05/2016

    @Enrico: Fensterzüge sind Personenzüge?

    @Hajo: Nein, alles gut. An Deinen Kommentare gibt es nichts zu meckern 🙂

    @Börni: Wochenende ist für mich Samstag und Sonntag. Denn an diesen beiden Tagen finden meine freizeitlichen Aktivitäten statt. Und nicht Sonntag und Montag.
    Noch Fragen? Nein? Gut, dann wäre dieses Thema auch geklärt.

  10. Enrico
    Enrico 22/05/2016

    Richtig sind Personenzüge! Könnte ich auch fahren will ich aber nicht

  11. Chris
    Chris 22/05/2016

    Lieber Maik,
    dies ist mir natürlich bekannt. Ist wohl fast überall so. Aber, es gibt auch Disponenten die dankbar sind wenn der Fahrer ihnen mitteilt das es Firmen gibt die es besser können und man dadurch viel Zeit und Geld spart!
    Es gibt auch die Möglichkeit, dies hatte ich auch schon, das einem die Firma sagt „Egal wo du verzollst. Denn du bist vor Ort und kannst besser abschätzen wo es besser läuft.“

  12. maik
    maik 22/05/2016

    @Enrico: Aha. Für Personenzüge braucht man eine extra Ausbildung? Sorry für die dumme Frage, aber ich kenne mich damit null aus.

    @Chris: Ich will meine Disponenten nicht dankbar sehen. Dann habe ich was gut bei denen und das bereitet mir Schuldgefühle. Ganz schlimm sowas.

  13. Enrico
    Enrico 23/05/2016

    Du brauchst eigentlich für jeden Loktyp eine Ausbildung und Prüfung! Personenzüge haben ein anderes Bremssystem (teilweise)und dafür braucht man wieder eine Ausbildung! Mit PKW/LKW Führerschein darfst ja alles fahren ob nun Actros, MAN usw wenn ich die Berechtigung für ne Taurus hab darf ich damit keine Vectron oder ne 101 fahren!Ist alles etwas komplizierter bei der Bahn!

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