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Potemkinsches Dorf

Vor dreißig Jahren erschallten Rufe wie „Hoch lebe der Generalsekretär“ durch Eisenach. Die Stadt war mit Fahnen und Wimpeln übersät und glich einer Festung. Der Grund? Erich Honecker kam zu Besuch, um die oberhalb der Stadt gelegene Wartburg nach deren Restaurierung wiederzueröffnen.

Um das empfindsame Auge des Staatsratsvorsitzenden nicht zu beleidigen, wurden an der Honecker-Route durch die Stadt die Fassaden zum Abbruch vorgesehener Häuser frisch gestrichen, hinter den Fenstern provisorisch Gardinen aufgehängt. Quer durch eine Seitenstraße mit Abbruchhäusern wurde eine Mauer gezogen, die den Blick auf das trostlose Gemäuer dahinter versperrte. So warte man den schönen Schein.

Kleiner Zeitsprung: Vor einigen Tagen tauschte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann für einen Nachmittag seinen Schreibtisch gegen den Beifahrersitz eines Lkw. Damit wollte er bewusst mal die Rolle wechseln, um die Perspektive eines Fahrers zu erleben. Die Tour führte durch den Stuttgarter Raum.
Vorgesehen waren drei Enladestellen in Markgröningen, Kornwestheim und Ostfildern sowie ein Abstecher auf den Rasthof Sindelfinger Wald an der A 8. Soweit ist alles toll.

Was ich aber nicht so schön finde ist, dass die Unternehmen die der Lkw-Fahrer anfuhr, über den Besuch des Ministers bereits im Vorfeld unterrichtet wurden. So erhält das Fahrzeug z.B. an der zweiten Abladestelle sofort Einlass und wird umgehend entladen. Also ideale Bedingungen, die in meinem Arbeitsalltag kaum vorkommen. Nicht einmal selber abladen mussten Sie. Das erledigten die werkseigenen Lagermitarbeiter.
Diese ganze Aktion, die übrigens von der Zeitschrift „trans aktuell“ initiiert wurde, hat also mit der wirklichen Realität des Fahrerberufes wenig zu tun. So bin ich wieder beim schönen Schein. Schade eigentlich.

Bericht auf „trans aktuell“

7 Kommentare

  1. Chris
    Chris 25/08/2013

    Nun stell Dir mal vor ein Minister, sogar noch einer von den Grünen, würde erleben was wirklich draussen los ist. Wir als Volk können doch nicht zulassen das ein Minister gefährdet wird…

  2. Werner
    Werner 25/08/2013

    Maik, was verlangst Du? Einen Minister der Realität aussetzen? Das geht gar nicht, das will der auch gar nicht. Dem Wahlvieh will er nur vortäuschen, daß er sich „kümmert“, nach der Wahl ist alles vergessen.
    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag.
    PS: Eisenach. Ich habe mir das 1990 angesehen und war entsetzt. Häuser, die 500 Jahre gehalten hatten, die wurden in 50 Jahren runtergewirtschaftet, besser gesagt, man ließ sie bewußt von Staats wegen verkommen. Auch das ist inzwischen vergessen.

  3. EUROTRANSPORT
    EUROTRANSPORT 27/08/2013

    Hallo Maik,
    danke für den Beitrag. Über das Für und Wider des eigentlich zu kurzen Besuchs kann man durchaus streiten – das war auch uns schon bewusst. Fakt ist aber auch, dass Politker im Wahlkampf chronisch Zeitmangel haben. Wir haben ihn vor Ort immer wieder darauf hingewiesen, dass sein Besuch nicht repräsentativ ist – und er hat sich immerhin mit Fahrern und Mitarbeitern der Spedition über die wahren Probleme unterhalten, die er an dem Tag nicht sehen konnte. Ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger.

    Grüße,
    Onlineredaktion EUROTRANSPORT

  4. Chris
    Chris 27/08/2013

    @EUROTRANSPORT,
    und was wird nun weiter passieren nachdem ihr ja den Herrn Minister darauf hingewiesen habt, dass sein Besuch nicht repräsentativ ist und er sich mit Fahrern und Mitarbeitern der Spedition über die wahren Probleme unterhalten hat? Nichts wird passieren! Zumindestens nichts was unserer Branche nützen wird. Ich lebe in Bremen und wie bekannt ist haben wir seit Jahren Rot- Grün. Schön anzusehen wie eine Stadt langsam vor die Hunde geht, wie sich grüne Senatoren (Minister) hier z.B. öffentlich hinstellen und sagen das ihnen Arbeitsplätze egal sind und es ihnen nur um die Umwelt geht.
    Ach ja, Jürgen Trittin ist z.B. Bremer….

  5. EUROTRANSPORT
    EUROTRANSPORT 29/08/2013

    @Chris. Wie es weitergeht steht im nächsten FERNFAHRER (und später auch auf Eurotransport). Minister Hermann ist ein „Realo“ und passt nicht zu den stereotypen Vorstellungen, die man allgemein von den Grünen hat. Wir lesen sehr häufig, dass „ohnehin nichts passieren“ wird. Wenn wir auf Kurzbesuche von Politikern verzichten, wird sich das auch nicht ändern. Wir tun unser möglichstes – und das sollten sowohl Politker als auch Fahrer ebenso tun. Nur wenn man miteinander spricht, hat man die Chance, dass sich etwas verändert.

  6. Chris
    Chris 29/08/2013

    Na was ich doch für ein Glück habe den Fernfahrer noch zu lesen, im gegensatz zu diesem Produkt aus München. Obwohl ihr auf dem besten Wege dazu seit genau zu werden, muß ich mir doch nur die Seiten ansehen die für die „Truckerfreunde“ und den Herrn Dieckmann reserviert sind….
    Ob „Realo“ oder „Fundi“ oder oder ist doch egal. Bei jedem Politiker passt der alte Satz, alle in den sack und mit dem Knüppel drauf! Man trifft immer den richtigen!
    Ich mache auch mein Möglichstes, am 22.09. ist eine der Möglichkeiten dafür!

  7. Anonymous
    Anonymous 29/08/2013

    Kurzbesuche von Politikern? Jetzt vor der Wahl macht sich das besonders gut, natürlich für die Politiker. Wir Fahrer sind doch nur lästiges Beiwerk um Politikern die Macht zu sichern und Unternehmen den Profit zu steigern. Überall wird Personal eingespart, der Fahrer wirds schon richten. Begehrt einer dagegen auf, bekommt er Hausverbot und kann sich einen neuen Job suchen, da er seine Spedition in Miskredit gebracht hat.

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