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Monat: Juni 1999

Die guten alten Zeiten

An der Ladestelle hatte ich mich wieder einmal aufgeregt. Was bilden sich diese Lageraffen eigentlich ein. Die sind doch auch nichts besseres als ich. Aber die sitzen nun mal am längeren Hebel. Um was es eigentlich ging, weiss ich auch nicht mehr. Mir ist es eigentlich egal, zumahl ich in dieser Firma eh nur selten lade.

Mein Ärger verflog so langsam. Ich war schon längst auf der Autobahn. Im Radio spielten sie mal wieder die Top Ten rauf und runter, einen anderen Sender zu suchen hat auch keinen Sinn. Manchmal glaube ich, dass sich sämtliche Radiostationen absprechen. Die senden alle das Gleiche, schon nehmen sie sich nicht gegenseitig die Hörer weg.

Aber mir war das in diesem Augenblick völlig egal. Der Verkehrsfunk meldete freie Fahrt, der Verkehr auf der rechten Spur lief trotz Überholverbot mit guten 85 km/h und auf der linken Spur war auch wenig Verkehr. Es war Donnerstagnachmittag und ich freute mich auf das Wochenende. Ich erwartete Besuch von einem alten Freund, den ich schon gut zehn Jahre nicht mehr gesehen hatte. Das der Kontakt in all dieser Zeit nicht abriss, lag wohl an unserer Hartnäckigkeit. Wir hatten schon lange vorgenommen uns einmal gegenseitig zu besuchen, aber immer wieder kam etwas dazwischen. So blieb uns halt nichts weiter übrig, als miteinander zu telefonieren oder Briefe zu schreiben.

Ich dachte gerade an die „guten alten Zeiten“, als ich plötzlich vor mir Warnblinker aufleuchten sah. Ich fluchte wieder einmal auf den Verkehrsfunk uns schaltete mein Funkgerät an. Ein Kollege erzählte irgendetwas von einem Unfall und das es nicht gut aussehe. Dieser Unfall mußte gerade erst passiert sein, denn keine zweihundert Meter vor mir bildete sich eine Menschentraube. Ich stieg ebenfalls aus um zu sehen ob ich helfen konnte.

An der linken Leitplanke sah ich einen Pkw stehen, der sich um 180 Grad gedreht hatte. Als ich an der Unfallstelle angelangt war, sah ich einen weiteren Pkw, der im Strassengraben lag. Die Menschentraube wurde immer größer, aber ausser einem weiteren Lkw – Fahrer machte keiner Anstalten zu helfen. Dieser Fahrer fragte in diese Menschentraube, ob denn bereits einer den Rettungsdienst verständigt hätte. Er bekam nur ungläubiges Kopfschütteln zur Antwort. Schließlich rief doch ein dabeistehender Pkw – Fahrer mit seinem Handy den Rettungsdienst.

Mit Werkzeug und Eisenstangen versuchten wir zwei den Fahrer des im Strassengraben liegenden Fahrzeuges zu befreien. Uns kamen schlieslich noch weitere Leute zu Hilfe. Wir hatten ihn gerade befreit, als die Feuerwehr eintraff. Ich hinterlies meine Personalien der Polizei. Nach einer Weile wurde der Verkehr an der Unfallstelle vorbeigeführt und der Verkehr lief weiter.
Einige Wochen später kam ich Samstagvormittag mit dem Lkw in meine Spedition. An den Unfall dachte ich schon lange nicht mehr. Auf dem Gelände standen mehrere Fahrzeuge, doch das war nichts ungewöhnliches. Ich stieg aus und trabte zur Disposition. Im Büro sah ich erst einmal einen großen Blumenstrauss und dahinter einen etwas schmächtigen Mann. Er kam auf mich zu und drückte mir mit einem Dank den Strauss in die Hand und bedankte sich ganz herzlich für die erste Hilfe am Unfallort. Es war der Fahrer des im Graben liegenden Pkw.

Ich, der noch nicht einmal seiner Frau zum Geburtstag Blumen schenkt, bekam nun selber einen Strauss. Unser Disponent und mehrere Fahrer konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber das war mir in diesem Augenblick völlig egal.
Ach so, dass Wochenende mit meinem alten Freund war traumhaft. Wir haben uns zwar vorgenommen uns öfters zu sehen, aber ob wir das wirklich schaffen…?

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