Vor dreißig Jahren erschallten Rufe wie „Hoch lebe der Generalsekretär“ durch Eisenach. Die Stadt war mit Fahnen und Wimpeln übersät und glich einer Festung. Der Grund? Erich Honecker kam zu Besuch, um die oberhalb der Stadt gelegene Wartburg nach deren Restaurierung wiederzueröffnen.
Um das empfindsame Auge des Staatsratsvorsitzenden nicht zu beleidigen, wurden an der Honecker-Route durch die Stadt die Fassaden zum Abbruch vorgesehener Häuser frisch gestrichen, hinter den Fenstern provisorisch Gardinen aufgehängt. Quer durch eine Seitenstraße mit Abbruchhäusern wurde eine Mauer gezogen, die den Blick auf das trostlose Gemäuer dahinter versperrte. So warte man den schönen Schein.
Kleiner Zeitsprung: Vor einigen Tagen tauschte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann für einen Nachmittag seinen Schreibtisch gegen den Beifahrersitz eines Lkw. Damit wollte er bewusst mal die Rolle wechseln, um die Perspektive eines Fahrers zu erleben. Die Tour führte durch den Stuttgarter Raum.
Vorgesehen waren drei Enladestellen in Markgröningen, Kornwestheim und Ostfildern sowie ein Abstecher auf den Rasthof Sindelfinger Wald an der A 8. Soweit ist alles toll.
Was ich aber nicht so schön finde ist, dass die Unternehmen die der Lkw-Fahrer anfuhr, über den Besuch des Ministers bereits im Vorfeld unterrichtet wurden. So erhält das Fahrzeug z.B. an der zweiten Abladestelle sofort Einlass und wird umgehend entladen. Also ideale Bedingungen, die in meinem Arbeitsalltag kaum vorkommen. Nicht einmal selber abladen mussten Sie. Das erledigten die werkseigenen Lagermitarbeiter.
Diese ganze Aktion, die übrigens von der Zeitschrift „trans aktuell“ initiiert wurde, hat also mit der wirklichen Realität des Fahrerberufes wenig zu tun. So bin ich wieder beim schönen Schein. Schade eigentlich.