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Schlagwort: Gebühren

Die Privatisierung der Autobahnraststätten war ein großer Fehler

Von Udo Skoppeck

Die systemische Entwürdigung alltäglicher Bedürfnisse, wie der Toilettengang, spiegelt in Wahrheit ein viel tiefer sitzendes Problem wider – nämlich das systematische Zurückweichen des Staates aus seiner Verantwortung für grundlegende Daseinsvorsorge.

Sanitäre Anlagen sind kein Luxus, kein Konsumgut und kein Bonus. Sie sind eine Grundbedingung für Würde, Gesundheit und Menschlichkeit.
Die Tatsache, dass diese Einrichtungen an Autobahnen fast ausschließlich in privatwirtschaftlicher Hand sind – etwa durch Sanifair – und mit einem Geschäftsmodell operieren, das auf Notdurft Profite schlägt, zeigt, wie sehr wir uns als Gesellschaft von dieser Selbstverständlichkeit entfernt haben.

Die Ironie, dass man sich durch einen Konsumtempel zwängen muss, um überhaupt auf Toilette gehen zu dürfen und dann durch Gutschein-Mechanismen suggeriert wird, man bekäme ja „etwas zurück“, ist nichts anderes als ein Feigenblatt.

Denn in Wahrheit zahlen wir mit jedem Besuch doppelt, mit Geld und mit Menschenwürde. Und wenn man diese „Gutscheine“ nicht direkt einlösen kann, sondern sie verfallen, dann ist das kein Service, sondern ein psychologischer Trick im Konsumkorsett.

Deshalb fordert meine Petition ein radikales Umdenken

Zurück mit dieser Verantwortung in öffentliche Hand. Toiletten an Autobahnen, in Bahnhöfen, in Städten, diese müssen in staatlicher Trägerschaft sein, kostenfrei und sauber.
Das ist kein überzogener Wunsch, sondern eine staatliche Grundpflicht im Sinne des Allgemeinwohls.

Die Finanzierung? Möglich und gerecht, z.B. über eine Umlage aus der Lkw-Maut (die ohnehin zweckgebunden für Infrastruktur verwendet werden soll), ergänzt durch eine Beteiligung der Bundesländer oder sogar durch gezielte Fördermittel aus dem Gesundheits- oder Arbeitsministerium.

Es geht dabei nicht nur um Lkw-Fahrer, sondern um alle Reisenden, Familien, Pendler. Also um die Menschen, die im öffentlichen Raum unterwegs sind.

Der Vorteil eines staatlichen Modells:

  • Kein Zwang zur Konsumverknüpfung.
  • Keine Schließzeiten mitten in der Nacht.
  • Keine heruntergekommenen Klohäuschen, weil man „kein Geld damit verdienen kann“.
  • Keine Diskriminierung von Berufsgruppen, die ohnehin ständig unterwegs sind.

Was wir zurückfordern, ist kein Luxus – sondern ein Mindestmaß an zivilisatorischer Normalität

Ein Staat, der seine Toiletten privatisiert, hat irgendwo ganz grundsätzlich vergessen, was seine Aufgabe ist. 

Der Link zur Petition im deutschen Bundestag:

https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2025/_07/_01/Petition_183324.html

Warum ich diese Petition gestartet habe? Hier eine notwendige Erklärung aufgrund der vielen Einwände dagegen. 

Immer wieder werde ich gefragt, warum ich mich so energisch für eine staatlich garantierte Grundversorgung an Autobahnen einsetze, insbesondere mit Blick auf kostenfreie sanitäre Einrichtungen, bessere Versorgung für Berufskraftfahrer und einen Rückbau privater Monopolstrukturen.

ein drehkreuz vor einer sanifair toilette. der preis steigt immer weiter
50 Cent, 70 Cent, ein Euro. Der Eintritt zu den Sanitair-Einrichtungen von SaniFair erhöht sich immer weiter

Einige sagen, es gäbe Wichtigeres, andere halten es für unrealistisch oder pauschal. Deshalb möchte ich hier klar und verständlich darlegen, worum es mir eigentlich geht – und warum es weit über das Thema „Toilettengebühr“ hinausgeht.

1. Was war – und was nicht mehr ist: Von der Daseinsvorsorge zum Renditeobjekt

Früher gehörten Autobahnraststätten und ihre Infrastruktur zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Staat war verantwortlich für eine grundlegende Versorgung der Menschen auf Reisen und im Transportgewerbe, sauber, sicher und möglichst kostenlos. Das galt als selbstverständlich.

Mit der Privatisierung von Tank & Rast 1998 wurde dieser Grundsatz aufgegeben. Die Verantwortung wurde an ein privatwirtschaftliches Unternehmen übertragen – inklusive fast aller Tankstellen, Restaurants und Sanitäreinrichtungen an den deutschen Autobahnen. Seitdem zählen nicht mehr das Gemeinwohl oder Versorgungssicherheit, sondern Umsatz und Rendite.

2. Tank & Rast – ein Monopol mit weltweiten Investoren

Heute gehört Tank & Rast zu 90 % ausländischen Investoren: kanadische Pensionsfonds, chinesische Staatsfonds, Kapitalgesellschaften aus Abu Dhabi oder die Allianz.
Dieses Konsortium verwaltet über 400 Rastanlagen in Deutschland und besitzt damit de facto ein privates Monopol über ein öffentliches Gut.

Was das heißt? Preise, Öffnungszeiten und Qualität richten sich nach privatwirtschaftlichen Interessen. Wer pinkeln muss, zahlt. Wer günstig essen will, hat Pech.
Und wer als Berufskraftfahrer stundenlang keinen Stellplatz mit Dusche findet, erlebt täglich, wie menschenverachtend das System geworden ist.

3. Die Berufskraftfahrer als Spiegel der Missstände

Gerade Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer trifft diese Entwicklung mit voller Härte. Sie sind täglich unterwegs, halten unsere Wirtschaft am Laufen, arbeiten unter hohem Druck – und werden dabei von einem System behandelt, das ihnen die einfachsten Bedürfnisse wie Hygiene, Pausen oder Würde abspricht.

Ein kostenpflichtiges WC ist keine Nebensache, wenn man es täglich mehrfach braucht. Eine Dusche für 7 Euro ist kein Luxus, sondern eine hygienische Notwendigkeit.
Und fehlende, überfüllte Parkplätze bedeuten: Fahrer schlafen auf dem Standstreifen, sind erschöpft, gefährden sich und andere – und bekommen noch Bußgelder dafür.

4. Der Staat darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen

Es geht also nicht darum, ob Toiletten 70 Cent kosten oder ob man sich bei Sanifair einen Kaffee holen kann. Es geht um die grundsätzliche Frage: Ist Infrastruktur, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft essenziell ist, wirklich ein Spielball internationaler Kapitalinteressen?

Ich sage: Nein. Der Staat muss die Verantwortung wieder übernehmen – sei es durch eigene Betreiber, durch klare gesetzliche Vorgaben oder durch staatlich subventionierte Grundversorgung.
Andere Länder zeigen, dass es geht: In Slowenien, Italien oder Frankreich sind kostenfreie oder staatlich geregelte Rastanlagen Teil der Infrastrukturpolitik.

5. Es geht um mehr als nur Verkehrspolitik – es geht um Gerechtigkeit

Meine Petition richtet sich nicht nur an Verkehrspolitiker, sondern an eine Gesellschaft, die nicht länger zuschauen darf, wie essentielle Dienste privatisiert, verteuert und verschlechtert werden – und wie diejenigen, die am härtesten arbeiten, am meisten darunter leiden.

Ich fordere kein Luxuspaket. Nein, ich fordere einen Mindeststandard an Versorgung, den man einem entwickelten, wohlhabenden Land wie Deutschland eigentlich selbstverständlich zuschreiben sollte.
Und ich fordere, dass Berufskraftfahrer, wie auch Familien, Pendler oder Reisende, nicht länger wie lästige Bittsteller behandelt werden.

Fazit: Diese Petition ist ein Appell an den gesunden Menschenverstand

Es geht um Würde. Es geht um Fairness. Es geht um Verantwortung.

Ich lade alle ein, sich mit den Hintergründen auseinanderzusetzen und nicht vorschnell über „WC-Gebühren“ zu diskutieren.
Diese Petition steht exemplarisch für eine Entwicklung, die sich durch viele Bereiche zieht: Staatliche Infrastruktur wird privatisiert, die Versorgung verschlechtert sich, die Kosten steigen – und am Ende zahlt die Allgemeinheit doppelt: an der Kasse und mit dem Vertrauen in die Politik.

Ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass es dafür Mut braucht, politisch und gesellschaftlich. Aber genau deswegen schreibe ich diese Zeilen.
Nicht um zu klagen, sondern um anzupacken.

Es ist Zeit, dass wir wieder über Gemeinwohl reden – und nicht nur über Gewinnmaximierung.

19 Kommentare

Hohe Gebühren

Ich finde es erheiternd, wenn man an einem Geldautomat neben Englisch, Italienisch oder Französisch auch Boarisch als gewünschte Sprache anzeigen lassen kann. Wie an der Raststätte Hochfelln zwischen München und Salzburg.
Der Spass vergeht mir aber, wenn man 6.50 Euro Gebühren berechnet – nur weil ich die Dienste einer fremden Bank in Anspruch nehmen muß.

6 Kommentare

Sie haben Post

Natürlich interessiert es mich schon, wie diverse Autohöfe Ihre doch mittlerweile recht hohen Gebühren für diverse Dienstleistungen rechtfertigen. Denn schlieslich zahle ich diese mit meinen Spesen, mit denen ich – nebenbei erwähnt – von Jahr zu Jahr mehr haushalten muß.
So schickte ich folgende Anfrage an den Autohof Tennenlohe, dessen Parkgebühren mir letzte Woche (vorsichtig augedrückt) negativ aufgestossen sind:

> Sehr geehrte Damen und Herren,

am Samstagabend gegen 20.00 Uhr wollte ich mit einem Lkw meine Pause auf Ihrem Autohof machen – und zwar genau 26 Stunden. Für eben diese Zeitspanne sollte ich 30 Euro Parkgebühren zahlen.
Erklären Sie mir bitte, wie Sie zu solchen Preisen kommen. Denn, mal nebenbei erwähnt: Das ist ja schon ziemlich heftig, oder?

Kundenzufriedenheit fängt bei Kleinigkeiten an. Nur wird das leider zu oft ignoriert.

Mit freundlichen Grüßen!
Maik Erdmann

Natürlich ließ eine Antwort nicht lange auf sich warten. Diese klingt so:

Sehr geehrter Herr Erdmann,

wir wollen keine Fernfahrer bestrafen, aber wir müssen dafür sorgen, dass unsere Fernfahrer – unsere Kunden einen Parkplatz bekommen.
Wir sind ein kleiner Autohof, mit wenig Parkplätzen, haben aber dafür höhere Kosten, denn wir müssen durch Auflagen der Stadt Erlangen, kostenlos Strom für Kühler abgeben, wir müssen 24 Stunden einen Parkwächter vor Ort haben und wir müssen den Abfall von den Fahrern entsorgen. Das „Alles“ kostet viel Geld und wir sind kein Autobahnparkplatz, wo die Steuerzahler die Kosten tragen.
Sie lösen bei uns einen Gutschein und nicht wie bei anderen Autohöfen, wo Sie eine Parkplatzgebühr bezahlen.
Ich hoffe, Sie verstehen unser Problem, dass wir über einen Umsatz in unserem Geschäft, die Kosten erwirtschaften müssen, um den Parkplatz zu unterhalten.

Freundliche Grüße
Ihr Autohof Team

Na ja, liebes Autohof Team,

Ihr Problem verstehe ich durchaus. Nur es ist nunmal Fakt: Ich kann und vor allem will es mir nicht leisten, 30 Euro nur für Parkgebühren zu bezahlen. Selbst der komplett angerechnete Verzehrgutschein löst dieses Problem nicht. Einfach deshalb, weil ich Ihn nie voll einlöse.
Aber solange es Fahrer gibt, die diesen Preis zu zahlen gewillt sind, wird sich an dieser Praxis nichts ändern. Nur mich haben Sie als Kunden verloren.

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Pause? Nie mehr in Tennenlohe!

Erlangen – Tennenlohe. Dieser Autohof war mir noch nie besonders sympathisch. Das hat sich heute nicht grundlegend geändert. Der Parkplatzwächter wollte 30 Euro Parkgebühren von mir – für 26 Stunden Standzeit.
Trotzdem parkten dort Lkw. Wer als Fahrer diesen Preis bezahlt, ist in meinen Augen gestört. Noch gibt es andere und vor allem billigere und bessere Alternativen.

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Neues von der Mautfront

In der Slowakei gab es zum Start der Lkw – Maut am Jahresanfang erhebliche Probleme. Nach Berichten slowakischer Medien müssen die LKW-Fahrer an den Grenzen zu Tschechien und Ungarn bis zu eineinhalb Tage auf eine On-Board-Unit (OBU) warten. Bis der Engpass behoben wird, will das slowakisch-französische Konsortium Sky Toll ein manuelles Ticketing-System anbieten.
Sky Toll setzt auf eine dem österreichischen Mautsystem ähnliche Technik.
Ausserdem gibt es im ganzen Land Straßenblockaden von LKW-Fahrern, die gegen die Maut generell protestieren.

In Frankreich sollen ab 2012 auf der A35 im Elsass Kilometergebühren von bis zu 20 Cent gezahlt werden. Eingeschlossen in diese Streckengebühr sind Routes Nationales, die als Zubringerstraßen zur A35 von der deutschen Grenze aus dienen.
Bereits in diesem Jahr haben sich die Mautgebühren für den Mont Blanc- (+ 2,05%) und dem Frejus-Tunnel (+ 3,5 %) geändert. Lkw mit zwei Achsen zahlen jetzt 134,90 Euro, Lkw mit drei und mehr Achsen über 270 Euro im Mont Blanc-Tunnel. Die Tarife sind jeweils nach der Ausstattung mit Euro-Motoren gestaffelt.

In Deutschland will die Bundesregierung die LKW-Maut für Fahrzeuge der Schadstoffklasse 3 im Jahr 2011 um zwei Cent pro Kilometer erhöhen. Eine Ausdehnung der Maut auf leichtere LKW unter 12 Tonnen ist nicht geplant.
Unterdessen sind die Mauteinnahmen in Deutschland rückläufig. Für 2009 erwartet man noch 5 Milliarden Euro, für 2012 nur noch 4,67 Milliarden Euro Einnahmen.

In Italien müssen Autobahnbenutzer seit dem 1. Januar diesen Jahres höhere Mautgebühren bezahlen. Je nach Betreiber-Gesellschaft liegen die Mehrkosten zwischen 0,74 % und maximal 15,83 %.
Für die Brennerautobahn A 22 z.B. wurden die Gebühren um 1,06 % erhöht.

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Geiz ist geil

Dieser Zettel hing heute Mittag eingeklemmt hinter dem Scheibenwischer meines Lkw:

Lieber Lkw – Kunde,

Sie parken auf privatem Gelände. Wir als Tankstellenbetreiber sind berechtigt von Uhnen eine Parkplatzgebühr von 5 Euro pro Nacht zu erheben, da unsere Parkplätze begrenzt sind.

Dieser Beitrag wird fällig, wenn Sie länger als 3 Stunden diesen Parkpltz benutzen. Gerne können Sie diese 5 Euro in unserem ARAL – Shop wieder einlösen, wenn Sie hierfür einkaufen oder speisen.

Ihr Kfz – Kennzeichen wurde von uns notiert um ein nochmaliges Parken ohne Parkgebühr zu vermeiden. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr ARAL – Team

Ich finde es wirklich nett, dass man erst beim nächsten Halt an diesem Autohof Gebühren von mir verlangt. Zumindest verstehe ich das so.
Was jedoch mit den angeblich notierten Kennzeichen passiert, weiss ich nicht. Jeder der hier parkenden Lkw hat solch eine Aufforderung hinter dem Scheibenwischer klemmen. Wenn das jeden Tag passiert, dürfte man ziemlich schnell den Überblick verlieren.

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