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Kategorie: Presse

Presserat missbilligt BILD-Berichterstattung

BILD berichtete am 19. August diesen Jahres unter der Überschrift „Brummifahrer tot im Bordell über einen Lastwagenfahrer, der zu viel Viagra genommen hatte und im Bett einer Prostituierten in Halle/S. starb.
Über den Mann schreibt die Zeitung, dass er Rainer H. heißt, 55 Jahre alt ist und aus Quedlinburg in Sachsen – Anhalt stammt. Die Veröffentlichung ist mit einem Foto von Rainer H. bebildert.
Die Augenpartie ist mit einem schwarzen Balken versehen.

Ein Leser (also ich) sah in dieser Berichterstattung die Ziffer 11 des Pressekodex verletzt. Nach dieser verzichtet die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid.
Er sieht zudem die Würde des Verstorbenen missachtet. Ausserdem werde der Verstorbene unter dem Vorwand, auf die Gefahren von Viagra hinzuweisen, zu einem Objekt herabgewürdigt.
Dieses Verfahren wurde in der Vorprüfung des Presserat auf die Ziffer 8 ausgeweitet.

Die Rechtsabteilung von BILD weist in einem Schreiben vom 8. September den Vorwurf zurück, der Mann werde in dem Artikel zu einem blosen Mittel herabgewürdigt.
Eine Woche vor dem Erscheinungsdatum habe die Redaktion von einem „nicht natürlichen Todesfall“ in einem Bordell erfahren. Die Polizei habe auf Nachfrage eine Straftat ausgeschlossen. Die Redaktion habe zunächst entschieden, nicht zu berichten.

Zwei Tage später habe der Notarzt darüber informiert, dass die Todesursache „Herzinfarkt, ausgelöst durch missbräuchliche Verwendung von Viagra“ gewesen sei. Desweiteren habe er erklärt, dass Männer häufig Potenzmittel in Unkenntnis der damit verbundenen Gefahren anwendeten.
Daraufhin habe sich die Redaktion für einen Bericht entschieden, um auf die Gefahren missbräuchlicher Verwendung von Potenzmitteln hinzuweisen.
Wie wichtig diese Entscheidung gewesen sei, belege ein Schreiben, dass der Viagra – Hersteller Pfizer an die Redaktion gerichtet habe. Der Pharmakonzern habe den Todesfall als „Verdachtsfall einer unerwünschten Arzneimittelnebenwirkung“ verzeichnet und bitte um weitere Informationen.

Anders als vom Beschwerdeführer (also ich) behauptet, sei der Hinweis auf die Schädlichkeit von Viagra in der Berichterstattung also nicht vorgeschoben, sondern vielmehr Kern der Berichterstattung.
Dies ergebe sich bereits auch aus der Dachzeile „Zu viel Viagra“, sowie aus dem Infokasten „Wie gefährlich ist Viagra?“
Es bestehe somit ein öffentliches Interesse an dem Vorgang. Im übrigen sei der Bericht sehr sachlich gehalten.

Mit Schreiben vom 16. 11. 2010 ergänzt die Rechtsabteilung Ihre Stellungsnahme in Bezug auf Ziffer 8. Ein Verstoß läge auch hier nicht vor.
Der Mann sei durch einen großen Augenbalken auf dem Foto und der nur abgekürzten Wiedergabe seines Namens für niemanden erkennbar, der Ihn und damit die Umstände seines Todes nicht schon vorher gekannt habe.

Der Beschwerdeausschuss 1 gelangt zu dem Ergebnis, dass die BILD – Zeitung mit Ihrer Berichterstattung unter der Überschrift „Brummifahrer tot im Bordell“ auf der Titelseite, sowie der fortgesetzten Berichterstattung unter der Überschrift „Als diese Hure sich auszog, kippte der Trucker um“ im Innenteil der Ausgabe gegen die Ziffer 8, Richtlinie 8.1 verstoßen hat.

Nach Richtlinie 8.1 veröffentlicht die Presse bei Unglücksfällen in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern ermöglichen. Der Ausschusses ist der Ansicht, dass der Mann, der im Verlaufe eines Bordellbesuches verstarb, durch die Details der Berichterstattung identifizierbar wird.
Er sieht deshalb die Kriterien der Richtlinie 8.1 verletzt. Eine Ausnahme für die identifizierende Abbildung kann nicht erkannt werden. Zwar durfte über den ungewöhnlichen Todesfall aufgrund der Überdosierung des Medikaments grundsätzlich berichtet werden, um vor den möglichen Folgen der Einnahme von Potenzmitteln zu warnen. Ein öffentliches Interesse an einer identifizierenden Darstellung des einzelnen Betroffenen sieht das Gremium jedoch nicht gegeben.

Presseethisch bewertet der Ausschuss den Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex als so schwerwiegend, dass er gemäß §12 Beschwerdeordnung eine Missbilligung ausspricht.

Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen 81 Beschwerden behandelt. Neben 15 öffentlichen Rügen gab es 16 Missbilligungen und 19 Hinweise. In 29 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In einem Fall wurde eine Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde verzichtet. Eine Beschwerde war nicht aufklärbar.

Wurde gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat folgendes aussprechen:

1. einen Hinweis
2. eine Missbilligung
3. eine Rüge.

Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen sollten in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Wer es aber nicht macht, dem passiert auch nichts.

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Aufklärung tut not

Huch. Es schneit schon wieder. Na ja, so langsam gewöhnt man sich daran. Ausserdem ist in fast sechs Monaten Sommeranfang. Das ist doch auch ein netter Gedanke.
Aber bis dahin ist noch Zeit. Und das ist gut so – denn diese Aufklärung würde mir wirklich fehlen:

Warum nur, Herr Polizeichef

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Mein Lieblingszitat…

…von heute:

Staus und Verzögerungen gab es im Raum Sonneberg auch durch Fahrer, die trotz Winterreifen Angst auf den verschneiten Straßen haben und im ersten Gang fahren, ohne dahinterfahrende Autos vorbeizulassen.

Gefunden und gelesen hier >>>

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Fernfahrer sind Einzelkämpfer

Während französische LKW-Fahrer wochenlang für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen streiken, hätten die deutschen Fahrer zwar ebenfalls Grund genug zu klagen. Von Streik und Straßenblockaden ist die Bundesrepublik aber weit entfernt.
Die französische Streikkultur ist wie ein Lauffeuer„, sagt Verkehrssoziologe Alfred Fuhr. Dagmar Wäscher, Vorsitzende des Bundesverbands der Transportunternehmen, erklärt das Verhalten der Deutschen: „Fernfahrer sind eher Einzelkämpfer. Die Solidarität untereinander und die Streikfähigkeit fehlen.
Und wie schon Lenin 1918 spottete: „Wenn ein Deutscher einen Bahnhof bestreikt, kauft er sich erstmal eine Bahnsteigkarte.

Gelesen bei: trucker.de

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Immer wieder gern gelesen

Bei einer Schwerverkehrskontrolle an der A5 bei Heidelberg monierten Polizisten einen mit Stahlplatten beladenen Lkw. Die 23,7 Tonnen schwere Fracht war nach Polizeiangaben lediglich mit sechs Spanngurten gesichert.

Zur ordnungsgemäßen Sicherung der Ladung mit dieser Gewichtsklasse wären 150 weitere Gurte notwendig gewesen.

hieß es im Polizeibericht über den Vorfall vom Mittwoch.

Leider habe ich den erwähnten Polizeibericht im Netz nicht finden können, sondern nur diese Meldung: Schau hier…

Die Aussage von 150 benötigten Gurten wurde sicher durch die kontrollierenden Beamten nicht einfach so in den Raum gestellt. Ich nehme doch an, dass es selbst Polizisten klar sein dürfte, dass das Anbringen einer solchen Zahl von Gurten überhaupt nicht möglich ist.

Vielmehr sind das theoretische Zahlen, die sich im praktischen Teil durch Verwendung weiterer sinnvoller Ladungssicherungsmethoden wie Antirutschmatten oder Formschluss in Fahrtrichtung auf ein tatsächlich zu handhabendes Maß senken lassen.
Das heißt, dass der Fahrer bei Verwendung weiterer Hilfsmittel die Ladung mit zehn oder fünfzehn Spangurten hätte sichern können, ohne das es zu einer Anzeige gekommen wäre.

Nur leider wird das in der Berichterstattung nicht erwähnt. 150 fehlende Gurte klingt ja auch besser, als z.B. zehn fehlende Antirutschmatten.

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Saure Gurken Zeit

Diekmann hat es geschafft: Ich habe mir die gestrige Ausgabe der „BILD“ gekauft. Der Grund war folgende Schlagzeile:

Sex Sex Sex

Tja – Sex und Tod reichen noch immer für eine Story, so ekelhaft die auch sein mag. Ich sehe es etwas anders: Lieber einen Herzinfarkt im Bordell als moralisch ruiniert.

PS. Mit moralisch ruiniert meine ich nicht den Toten…

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Ursachenforschung

Gefunden im morgenweb:

Schlecht ist es einem 61-jährigen Pkw-Fahrer ergangen, der gestern Mittag in Dudenhofen von der Auestraße auf ein Firmengelände abbiegen wollte und dabei wegen des Gegenverkehrs langsam machen musste. Die Polizei teilte mit, dass ein nachfolgender 64-jähriger Lkw-Fahrer über den Abbiegevorgang so böse wurde, dass er zunächst wild hupte…

Tja, liebe Pkw – Fahrer: Kurz vor einem Lkw aus einer Nebenstrasse rausfahren und hundert Meter weiter links abbiegen wollen oder müssen. Da werde ich auch grantig.

Aber vielleicht hat der verlinkte Vorfall auch ganz andere Ursachen… 🙂

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