Eine unterhaltsame Doku aus der Schweiz. Und wirkt so gar nicht, wie die „Trucker Babes„. Trotz leicht bekleideter Fahrerinnen, aber eben ohne „Scheiße“ oder andere abwertende Wörter zu blöken und anderen reißerisches Getöse.
Überhaupt nicht. Sondern eher gegenteilig. So kommt die ganze Kalamität, der Frauen grad im Güterfernverkehr ausgesetzt sein können, in der Reportage gut zur Sprache:
Es gibt viele Rasthöfe, wo es einfach komische Ecken gibt. Wo viele komische Leute auf einem Haufen sind. Oder auch einzelne, wo man merkt, dass einem jetzt nicht so wohl ist. Man muss die Augen immer offen halten und vorsichtig sein.
Es gab schon beklemmende Momente. Da konnte ich mich aber anderen anschliessen. Es ist wichtig, nicht allein zu sein. Es ist natürlich anders, wenn du um drei Uhr morgens auf Toilette musst. Da überlegt man schon zweimal, ob man es macht.
Janina Martig (Unternehmerin aus der Schweiz)
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Kurz zur Einleitung: Im Mai vor drei Jahren wurde ein Verein, „Pro Fahrer-Image“, kurz „Profi“ genannt, gegründet, der zur Unterstützung der Image-Verbesserung des Kraftfahrers beitragen soll. Gründungsmitglieder waren der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), die Fahrzeugwerke Bernard Krone GmbH & Co. KG und weitere neunzehn Mitglieder. Dazu gehörten Transportfirmen, Industriebetriebe, eine Zentralgenossenschaft und weitere Verbände. Mittlerweile ist die Zahl der Unterstützer weiter gestiegen.
Kurz drauf, im Spätsommer 2019, dachte ich mir, bemühe dich doch mal um eine Mitgliedschaft. Geht ja eigentlich ganz simpel über ein Kontaktformular und kostet für eine Einzelperson vierzig Euro pro Jahr. Nennt sich dann Fördermitgliedschaft. Also mit 3,34 Euro im Monat durchaus machbar. Auch wenn ich finde, dass mein Image am ehesten dadurch verbessert wird, wenn ich selbst meinen Teil dazu beitrage. Denn dazu brauche ich eigentlich normal keinen Verein.
Aber gut, es wurde einer gegründet. Und über Vereinsebene versuchen etwas an meinem Ruf zu verbessern? Ok., warum nicht? Versuch macht klug. Nur hörte ich dann lange Zeit nix. Nicht mal eine Bestätigung trudelte bei mir ein, ob meine Anfrage überhaupt eingegangen ist.
Anfangsschwierigkeiten? Kann passieren, selbst bei so hochkarätigen Gründungsmitgliedern. Und dann kam ja noch eine Pandemie dazwischen. Konnte ja keiner ahnen.
Noch ein Versuch
Ein Jahr später, also vor zwei Jahren, startete ich noch einen Versuch und füllte den Aufnahmeantrag erneut aus. Aber auch jetzt wieder keine Reaktion. Lag vielleicht noch immer an Corona? Keine Ahnung.
Mitte letzten Jahres, also mehr als zwei Jahre nach der Gründung, bekam ich eine Mail mit einem Einladungslink zu einer virtuellen Mitgliederversammlung oder ähnlichem. Genau weiß ich das nicht mehr. Dieses Meeting fand aber zu einer Zeit statt, zu der ich noch arbeiten darf. Also nix mit teilnehmen. Habe diese Zusammenkunft also ignoriert. Und die eMail gelöscht.
Aber dann, im Januar diesen Jahres, das erste greifbare Lebenszeichen von „Profi„: Die Beitragsrechnung für 2022 lag im Briefkasten. Vierzig Euro habe ich natürlich sofort überwiesen, mit der Hoffnung, wow, jetzt passiert etwas im Verein. Endlich wird was dafür getan, um mein Ansehen in der Bevölkerung zu verbessern.
Und schließlich auch die Hoffnung, vielleicht ein wenig mithelfen zu dürfen, konstruktive Vorschläge zu machen, was und wo etwas verändert oder verbessert werden könnte. Auch wenn ich als Fahrer nur ein einfaches, kleines Fördermitglied bin.
Es herrscht Funkstille
Aber seit dem ich die Rechnung in den Händen hatte, ist wieder Funkstille. Vom Verein ist fast nichts zu hören, zu lesen, zu sehen. Keine Ahnung, womöglich hätte ich mal auf mich aufmerksam machen sollen. Irgendwie. Vielleicht mit ner eMail? Nach dem Motto: „Hallo, ich bin bei Euch Mitglied. Was geht ab?“ Ich weiß es nicht.
Klar, die Zeiten sind schwierig. Auch die Gründer, Partner und Mitgliedsunternehmen des Vereins müssen sehen, möglichst gut durch diese Phase zu kommen. Verstehe ich schon. Nur wenn als einzige News in diesem Jahr über den vollen Einsatz während des „Truck Grand Prix“ berichtet wird, ist das für einen Verein der unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur steht und „erste Sahne-Partner“ hat, schon ein bissel dürftig.
Warum also soll ich Mitglied in einer Gemeinschaft sein, die mir fremd ist? Nee, dass möchte ich nicht. Eine Kündigung ist schließlich schnell geschrieben und weg geschickt.
Aber och je. Selbst die kam zurück, weil der Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln ist.
Schreib mal wieder
Tja, schon irgendwie schade das ganze. Dabei hatte ich wirklich mal den Gedanken, vielleicht bewirkt dieser Verein ja was. Mit der Schlagkraft der Mitglieder dominanter gegenüber der Politik auftreten, Wirtschaft und Industrie mit einbinden, um bessere Bedingungen in vielen verschiedenen Punkten zu schaffen. Es gäbe ja schon so einiges zu verändern und zu verbessern.
Aber vielleicht passiert ja auch was im Hintergrund. Ich weiß es nicht. Woher auch, wenn nichts kommuniziert wird. Jetzt warte ich auf die Bestätigung meiner Kündigungs-Mail, hoffe ja, dass sowas kommt. Und dann hat sich das Thema „Pro Fahrer-Image“ für mich leider erledigt.
Sind die Regale in den Supermärkten gut gefüllt, fällt es niemanden auf. Denn das ist ja eigentlich normal. Wenn die Regale allerdings ziemlich leer sind, wie immer wieder in den vergangenen zwei Jahren, dann allerdings gibt es schnell Empörung und Verdruss.
Genau das ist aber auch ein Problem der Logistik. Funktioniert alles reibungslos, wird es als selbstverständlich hingenommen, als nicht besonders erwähnenswert. In Erinnerung bleibt nur, wenn etwas schiefläuft.
So wie die mittlerweilen endlosen Schlangen langsamer Lastwagen, wenn sie aus zweispurigen Autobahnen einspurige machen. Der Transporteur dahinter bleibt unsichtbar. Denn der Bote des Logistikers ist der Fahrer, den die Allgemeinheit sieht. Denn täglich sind allein in Deutschland mehrere hunderttausend Kraftfahrer unterwegs, um den Nachschub an Waren nicht abreißen zu lassen.
Unerbittlicher Preiskampf
Blöd nur, dass einheimische Spediteure bei dem Preiskampf innerhalb der EU kaum noch mithalten können. So hab ich grad mal geschaut: In den ersten drei Monaten des Jahres 2016. also vor sechseinhalb Jahren, betrug der Anteil ausländischer Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen an der Fahrleistung auf mautpflichtigen Straßen in Deutschland noch 40,8 Prozent.
Ein Jahr später, also 2017, lag er im gleichen Zeitraum schon bei 42,4 Prozent. Also um 1,6 Prozentpunkte höher. Der Marktanteil deutscher Lkw sank entsprechend in nur einem Jahr von 59,2 auf 57,6 Prozent.
Jetzt, sechs Jahre später, liegt der Anteil deutscher Lkw auf mautpflichtigen Straßen noch bei 50,9 Prozent. Also gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Fahrleistung wird noch von inländischen Fahrzeugen erbracht. Diese Zahl muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen.
Es gibt kein durchkommen
Dem gegenüber sieht man immer mehr polnische und litauische Lkw. Deren Anzahl ist gefühlt viel höher, als noch vor der Corona-Pandemie. Manchmal glaube ich, die Länder im Osten müssen doch leer sein, die fahren doch alle im Rest Europas.
Immer mehr osteuropäische Lkw
Aber klar. Die befördern ihre Waren alle im Transit zwischen Ost- und Westeuropa. Wenn schon inländische Transporte, Kabotage genannt, dann natürlich nur im legalen Format. Daran zweifelt doch keiner. Aber mal ernsthaft. Es befremdet mich, vorsichtig ausgedrückt, wie weitgehend kritiklos diese Praktiken hingenommen werden. Es ist eine einzige Bankrotterklärung
Denn so wird unsere Branche ausgerottet, wie einstmals die deutsche Hochseeschifffahrt. Denn zwei bis drei Prozent Rückgang im Jahr bedeutet, dass es in 25 Jahren kaum noch deutsche Transportunternehmen geben wird. Und es ist null erkennbar, dass dieser Trend gestoppt werden soll.
…da steht ein Lkw auf dem Standstreifen einer Autobahn, davor sitzt ein Mann. In der einen Hand hat er ein Schild, auf dem „112“ steht, mit der anderen zeigt er auf seine Brust. Was also tun. wenn man so etwas sieht? Langsam glotzend dran vorbei fahren? Oder anhalten und versuchen, Hilfe zu leisten? Beziehungsweise zumindest mal den Notruf zu wählen? Was ja auch schon ein guter Einsatz wäre.
Ja, ich weiß. Es gibt immer wieder Geschichten mit angeblich gefakte Notfällen, wo die Helfer oder Helferinnen anschließend ausgeraubt werden. Auf einem abgelegenen Parkplatz oder bei Nacht könnte ich diese Sorge oder Angst schon nachvollziehen. Aber bei Tag auf einer viel befahrenen Autobahn? Jetzt echt mal. Das ist schon eine peinliche Ausrede.
Denn wenigstens die bereits erwähnte „112“ anzurufen, sollte doch völlig gefahrlos möglich sein. Zumal heutzutage kaum jemand sein Haus oder seine Wohnung ohne Mobiltelefon verlässt. Und falls doch? Andere Leute ansprechen, wirkt manchmal Wunder. Denn das wäre das mindeste.
Aber gar nix tun? Ich verstehe es einfach nicht. Denn jeder Mensch kann doch mal in eine Situation kommen, wo sie oder er Hilfe braucht. Was ist, wenn dann, wie in diesem Fall, auch alle vorbeifahren, ohne zu helfen? Auch wenn ich mich jetzt wiederhole – aber ich verstehe es einfach nicht wo das Problem ist, mal anzuhalten oder zumindest den Notruf zu wählen.
Oder sind viele Menschen mittlerweile wirklich so abgestumpft oder gefühlsblind? Erwarten die nichts mehr von ihrer Umwelt, nur um selbst nicht enttäuscht zu werden? Klar. Wo nur genommen wird, ist dann irgendwann kein Entgegenkommen mehr da. Aber wo gegeben wird, kommt auch einiges zurück. Damit bin ich bisher immer gut durchs Leben gekommen.
Mag sein, dass das andere anders sehen. Trotzdem finde ich es widerlich, dass Menschen die bewusst in Not sind, nicht geholfen wird. Aber gut. Vielleicht es es auch nur aus der Mode gekommen, aufeinander zu achten.
Seit einigen Jahren wird ja oft gefragt, was man tun kann, um jungen Leuten den Job den ich ausübe, wieder schmackhaft zu machen. Hier also mein Beitrag dazu: Stau ist Gülle, Landschaft ist schön. Es ist demnach nicht alles scheiße.
Am Brenner ist selbst ein Stau Erholung pur1 Kommentar
Mal salopp ausgedrückt: Ich denke mal, autonom fahrende Lkw werde ich eh kaum noch erleben. Dieses Thema könnte mir also eigentlich völlig wumpe sein. Zumal es jetzt eh schon zu wenige Fahrer gibt und sich dieses Problem des Fahrermangels wohl noch verschärfen wird.
Sollte es aber soweit sein, wird der Übergang vom manuellen zum autonomen Fahren ja nicht abrupt kommen, sondern fließend verlaufen. Es wird also eine nicht gerade kurze Zeit geben, um seine eigene Arbeitswelt darauf vorzubereiten.
Aber Automatisierung ist doch eigentlich auch was schönes. Wir alle hätten endlich wieder mehr Zeit für uns und andere. Zeit, in der wir uns sinnvoll beschäftigen könnten, wie kaputte Dinge zu reparieren, statt die weg zu schmeißen. Oder eigenes Gemüse anzubauen, denn so würden wir weniger industriell hergestellte Lebensmittel verzehren. Schon wären wir gesünder und hätten auch bessere Beziehungen zuhause, statt viel Zeit in Werkhallen, Büros, in Supermärkten oder Führerhäusern zu verbringen.
Ein PR-Video von Scania zeigt, wie alles in einigen Jahren aussehen soll >>>
Also eher keine Abwehrhaltung meinerseits. Denn ich finde es super, wenn es Lösungen für Tätigkeiten gibt, die im Prinzip nur noch wenige wirklich gerne machen möchten, die aber trotzdem noch lange gebraucht werden. Und bitte nicht übersehen: Schon heute spielt sich der Verdrängungswettbewerb nicht nur im immer kleiner werdenden Bereich von minderqualifizierten oder gar unqualifizierten Jobangeboten ab. Denn inzwischen werden auch längst andere Jobs „rationalisiert“. So werden in Banken immer mehr personelle Tätigkeiten durch Onlinebanking, optimierten Rechenzentren usw. ersetzt. Da hat auch niemand gefragt.
Seit dem ich Lkw fahre, also seit einunddreißig Jahren, träume ich davon, es denen da oben in Brüssel oder Berlin, oder falls die mich nicht hören wollen oder können, zumindest den Leuten auf der Straße mal zu zeigen, welche Macht ich habe und ausüben kann. Nämlich die Stärke, mit einem Lkw wichtige Infrastruktur nicht nur zu blockieren, sondern lahmzulegen. Aber so richtig. Bis zum Stillstand. Komplett.
Ja, keine Sorge. Es sind nur Gedanken, wie sie gefühlt und geschätzt achtzig, fünfundachtzig Prozent aller Lkw-Fahrer irgendwann mal haben. Also ähnlich wie der Wunsch nach Selbstständigkeit. Auch diesen erfüllen sich nur die wenigsten. Glücklicherweise.
Widerstand ist ein Fremdwort
Denn wirklicher Widerstand ist in der Fahrerschaft fast ein Fremdwort. Logo. Denn einen Einfluß von Gewerkschaften gibt es bei uns Fahrern kaum. Man kann durchaus sagen, dass unsere scheinbare Unabhängigkeit uns nicht gerade zu fanatischen Gewerkschaftsanhängern macht. Der Anteil der Organisierten liegt vielleicht bei sieben, acht Prozent, auf jeden Fall viel niedriger als zum Beispiel bei den Eisenbahnern. Allein das sagt schon viel über eine passive oder gar aktive Beteiligung bei Lohn- oder gar Arbeitskämpfen aus.
Neidvoll wird immer wieder auf Frankreich, Spanien oder auch Italien geschaut. Denn die Fahrer dort, die haben es drauf. Wenn denen etwas stört oder widerstrebt, geht es sofort rund. Dann werden Fahrbahnen blockiert, so das zumindest der Straßengüterverkehr sofort zum erliegen kommt. Das aber oft Unternehmerverbände zu Ausständen aufrufen, um über Fahrer die Forderungen ihrer Mitgliedsfirmen durchzusetzen, geschenkt.
Aufräumen nach vier Tagen Streik italienischer Lastwagenfahrer bei Neapel – Dezember 2007
Wie diese Woche in Italien. Da kündigte „Trasportounito“ an, dass ist der Verband italienischer Transportunternehmen, sämtliche Transporte aufnationaler Ebene „aus Gründen höherer Gewalt“ einzustellen. Auch ein Verband kleinerer Spediteure, „Ruote Libere“ schloss sich diesem Aufruf zumindest teilweise an. Deren Mitglieder würden zwar nicht jegliche Arbeit niederlegen. Dennoch sollten viele Transporter und Lkw stehen bleiben, da die Spediteure aufgrund der gestiegenen Preise schlicht nicht in der Lage seien, zu fahren.
Nur spielten da viele Fahrer nicht mit. Denn es fanden sich nur wenige, die den Streik ihrer Arbeitgeber unterstützen wollten, da ihre Belange, wie Arbeitsbedingungen, Rentenanspruch, Lohnniveau usw. in keine der Forderungen der Arbeitgeber mit eingeflossen sind. Der Ausstand wurde also abgesagt. So muss das sein. Gefällt mir.
Es geht an die Existenz
Was das mit Deutschland zu tun hat? Eigentlich ziemlich viel. Denn auch hier stöhnen Transporteure, vor allem kleine und mittlere, über gestiegene Preise. Nicht nur Diesel und Gas sind in den letzten Wochen extrem teuer geworden, auch diverse Ersatzteile. Es geht bei einigen echt um die Existenz. Verstehe ich durchaus. Aber. Viele haben selbst in krisenfreien Zeiten sich einen harten Preiskampf mit Konkurrenten geliefert. Da pisste doch einer dem anderen ans Bein. So gilt eine Marge zwischen drei bis fünf Prozent doch schon als guter Gewinn. Tja, so ist das, wenn eine Branche über Jahre immer wieder selbst gegen die Wand fährt.
Konvois und Blockaden
Ein Spediteur, ich glaube aus dem Sauerland, organisierte letzten Samstag den ersten Protestkorso. Da fuhren um die hundert Lkw laut hupend einige Runden in und um Köln herum. Kann man so machen. Nur muss man sich dann auch den Vorwurf gefallen lassen, dass herumfahren um gegen hohe Spritpreise zu demonstrieren, doch nicht so ganz durchdacht ist.
Aber mehr noch. Auf WhatsApp wurden Gruppen gegründet, in denen man sich organisieren konnte. Zwei dieser Gruppen, nach Bundesländern geordnet, trat ich bei. War ganz easy, Einladungslinks dazu wurden auch über Facebook geteilt.
In den Gruppen ging es vor allem um Blockade hier und Blockade da. Für diese Aktionen wurde der 16. März ausgewählt, also der letzte Mittwoch. Nur wurde es immer undurchschaubarer. Viele haben ihren Senf dazu gegeben, einiges hat sich immer weiter hochgekocht, auch Nonsens wurde geteilt. Und es wurden Pläne geschmiedet, wer wo welche Autobahn oder Bundesstraße blockieren will. Da hat so manch einer ne feuchte Unterhose bekommen.
Ob wirklich viel blockiert oder geschlichen wurde? Keine Ahnung, ich war ja in Italien. Mitbekommen habe ich deshalb nicht viel. Ausser das es auf der A2 bei Dortmund zu Unfällen kam, weil Lkw die Autobahn kurz dicht machten. Einem der Fahrer wurde wohl später der Führerschein entzogen. Tja nun, Dummheit rächt sich.
Aktion Schnecke
Ab Montag, also übermorgen, soll es aber weitergehen mit den Protesten. Dann sind Schleichfahrten angesagt. Heißt auf Landstraßen werden 50 km/h und auf Autobahnen um die sechzig Sachen befohlen. Das nennt sich dann „Schnecken-Tempo-Woche“, ich nenne es einfach mal „Aktion Schnecke„. Klingt besser. Ausserdem soll sich jede Mitwirkende oder jeder Mitwirkender eine gelbe Warnweste an den linken Spiegel knoten. So als Zeichen des Zusammenhaltens.
So was mit Warnweste am Spiegel gab es übrigens schon mal. Wurde von Tschechen initiiert und sollte genau das gleiche bewirken. Nämlich ein zusammen darstellen. Einige Wochen fuhr ich mit Weste am Spiegel, was wurde ich belächelt. Übrigens auch von Leuten, die heute großfressig nach Blockaden brüllen.
Aber zurück zu nächster Woche. Bei der „Aktion Schnecke“ geht es natürlich nicht nur um die hohen Spritpreise. Nee, von den Organisatoren wurde gleich ein ganzer Forderungskatalog erstellt. Die Punkte sind:
sofortige Treibstoffpreisbremse
die Einführung eines Gewerbediesels
temporäre Hilfen
Appell an die Auftraggeber, die Frachtraten an die Situation anzupassen
ein Ende der willkürlichen Verlängerung der Zahlungsziele. Zu Lasten der Unternehmen wird Liquidität geschaffen. Wir plädieren für ein gesetzlich festgelegtes Zahlungsziel von 14 Tagen
Stringente Überwachung des Mobilitätspakets 2 in Bezug auf Kabotage, MiLoG, Verbringung der Wochenruhezeit außerhalb des LKW, vollständige Mautdatenfreigabe zur Überwachung
Gespräche mit der Politik über strukturelle Änderungen um das jetzt vorhandene Sozialdumping zu beenden
Ach ja, ehe ich es vergesse zu erwähnen. Die Organisatoren sind übrigens ein (Achtung-) temporärer Krisen-Verbund, bestehend aus dem Bundesverband Logistik & Verkehr – BLV-pro e.V., sowie u. a. Udo Skoppeck vom „AidT e.V„., Jörg Schwerdtfeger von „Ich bin Berufskraftfahrer und habe Respekt verdient„, Kevin Hudson von „Truck Lovers Germany„, dazu noch „Schwarze Schafe für Spedition und Logistik“, Ralf Kalabis von „LKW- Fahrer stehen zusammen“ und weiteren (auch hier Achtung-) Influencern aus der Transportbranche.
Das „Influencer“ kommt nicht von mir, steht so in der Ankündigung zur „Aktion Schnecke„. Was ich nicht verlinkt habe, sind übrigens alles Gruppen auf Facebook.
Aber nochmal zu den Forderungen. Fällt Euch was auf? Jep, bestimmt. Das sind alles Punkte, die Arbeitgeber betreffen. Ich als Arbeitnehmer gehe da, gut, abgesehen vom letzten Teil des letzten Punktes, also dem Sozialdumping, völlig leer aus. Tolle Wurst.
Actie – Demo in Mannheim / Ludwigshafen 2014
Ist doch schon komisch, dass Lkw-Fahrer gegen hohe Spritpreise protestieren sollen, aber nicht gegen schlechte Bezahlung und miese Arbeitsbedingungen. Obwohl. Genau das haben ich und andere Kollegen auch schon gemacht. Nämlich 2013/2014. Da bin ich alle paar Wochen durch halb Deutschland gefahren, um für meine Ziele zu demonstrieren.
Und so etwas wie die „Aktion Schnecke“ soll jetzt echt der letzte Rest sein, was davon übrig geblieben ist? Ich bin erstaunt. Ne ne, ich mache da nicht mit. Schleicht von mir aus ab Montag mit 60 über deutsche Autobahnen. Umso schneller bin ich mit 85 vorbei.
Leseprobe::
Der große Streik in Frankreich
Wie es der Zufall so will, bin ich genau am richtigen Ort und kann sozusagen live vom großen Streik in Frankreich berichten, und genau das tue ich jetzt auch.
Sonntag, 3.9.2000
Die Fischer beenden ihren Streik wegen zu hoher Benzinpreise. Zur allgemeinen Belustigung hatten sie die Regierung aufgefordert, die Benzinpreise zu senken. Fischer zahlen keine Mineralölsteuer, bekommen also den Liter Sprit für um die FF2-3, knapp unter einer Mark. Aus irgendeinem Grund fordern sie jetzt FF1.5 als Preis, und um diese Forderung zu untermalen, blockieren sie ein paar Tage lang den einen oder anderen Hafen. Irgendwie kautzig, diese Fischer. Gerüchte über einen bevorstehenden Streik der LKW-Fahrer machen die Runde, Bernhard entdeckt am Abend erste Schlangen an den Tankstellen. Ich beschließe, das ganze als Gerücht zu behandeln und erstmal ganz locker zu bleiben, obwohl mein Tank fast leer ist. Ich habe halt keine Lust, eine halbe Stunde an irgendeiner Tanke anzustehen.
Montag, 4.9.2000, erster Tag des Streiks
LKWs blockieren die Zufahrt zum Flughafen. Man kommt noch ans Terminal heran, aber nur im Schritttempo. An einigen Tankstellen fallen mir Schlangen auf. Ich gebe ein paar Dias bei Carrefour ab und habe Schwierigkeiten, wieder rauszukommen, weil die Schlange vor den Zapfsäulen fast über den halben Parkplatz geht. Ts… die streiken also tatsächlich. Ich ärgere mich, nicht am Vorabend getankt zu haben, über den Daumen gepeilt habe ich noch genug Sprit für zwei Fahrten nach Nice und zurück. Ich mache mir aber keine Sorgen, schließlich geht so ein Streik genau so schnell vorbei, wie er angefangen hat, und letztesmal waren es nur zwei Tage. Abends erfahre ich, daß jetzt auch Paris bestreikt wird, was den Vorteil hat, daß sich dann die Regierung tatsächlich um den Streik kümmern wird. Ich bin erleichtert.
Dienstag, 5.9.2000, zweiter Tag des Streiks
Der Streik wird Gesprächsthema Nummer 1. Ich fahre morgens an einer Tankstelle vorbei, an der die Schlange nur etwa 50m lang ist, bin aber zu faul, tatsächlich zu tanken. Gerüchte besagen, daß es in der ganzen Region kein Benzin mehr gibt. Mein Kollege Eric findet im Web eine Karte, auf der eingezeichnet ist, in welchen Regionen das Benzin knapp ist. 06 und 83, die beiden Regionen hier…
Gerade wird in vielen Fahrergruppen auf Facebook der Link zu einer Petition geteilt, in der es, mal wieder, um das Thema „mehr Licht, mehr Sicht“ geht. Also darum, dass Zusatzbeleuchtung an Lkw legal wird und somit sowohl Halter als auch Fahrzeugführer nicht mehr für zusätzlich angebaute Lämpchen bestraft werden können.
So steht in dieser Petition unter anderen folgendes:
Bedingt durch die vermehrten Unfallzahlen, gerade in der dunklen Jahreszeit, ist mehr Licht an LKW’s nicht von Nachteil, sondern erhöht die Sicherheit im Straßenverkehr. Mehr Licht, mehr Licht, mehr Sicherheit.
Es kann nicht sein dass LKW Fahrer bestraft werden, weil sie versuchen die Sicherheit im Strassenverkehr, durch zusätzliche Beleuchtungseinheiten enorm zu erhöhen.
Diese Petition wurde vom Ersteller vor fünf Tagen gestartet und hat mittlerweile knapp 5 100 Unterstützer. Also Unterzeichner. Da gab es schon die ein oder andere Petition, die schlechter lief. Mehr Licht am Lkw polarisiert halt.
Kleines Detail am Rande: Dieses Bittgesuch wurde an „Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister“ adressiert. Das der bereits seit Wochen Geschichte ist und der neue Volker Wissing heißt, nein, nicht geschenkt. Denn wer ein wirkliches Interesse an einer Sache hat und etwas ändern will, dem sollte so eine Verwechslung eigentlich nicht passieren.
Aber wieder zum eigentlichen Thema. Gaslampen mit Karbid gehören ja schon lange der Vergangenheit an. Wer also in heutigen Nächten einen ordnungsgemäß beleuchteten Lkw nicht wahrnimmt oder gar übersieht oder aus einem solchen nichts erblickt, sollte vielleicht mal zum Augenarzt gehen. Dieses „mehr Licht, mehr Sicht“ klingt daher eher nach einer Pseudoausrede, um der Forderung nach mehr Zusatzbeleuchtung zusätzlichen Vorschub zu verleihen.
Ein Lkw mit „Bling Bling“
Aber nichtdestotrotz schaue ich auch mal gern hin, wenn mir ein Lkw mit einigen Lampen mehr entgegenkommt. Die Betonung liegt hier auf „einige Lampen„. Denn zu viel Beleuchtung wirkt überbordend, ganz schlimm sind diese fahrenden Weihnachtsbäume. Da bekomme ich echt Augenkrebs.
Aber natürlich gibt es auch andere, gegensätzliche Meinungen. Eine Diskussion auf Facebook wurde zum Beispiel so begonnen:
Faire Löhne, Parkplätze, die Zustände an den Rampen, die Einhaltung des ArbZG… Es gibt so viel, wofür man sich starkmachen sollte. Aber nein, es wird eine Petition für Zusatzbeleuchtung gestartet.
Eine Meinung in einer „privaten“ Facebookgruppe
Ist doch eine völlig berechtigte Ansicht, der auch ich zustimme. Denn das fehlende Engagement vieler Fahrer für andere und je nach Sichtweise wichtigere Dinge kann und darf man kritisieren. Aber letztlich hat jede*r ihre oder seine Vorlieben.
Wenn aber in den Antworten auf obige Meinung hämisch gemeinte Ausdrücke wie „Elite“ oder „Oh Gott, schick Hirn“ geschrieben werden, denke ich, dass es bei solchen Kritikern zu mehr als dem eigenen Broterwerb auch nicht reicht.
Denn jede oder jeder hat unterschiedliche Auffassungen von dem Job, den sie oder er macht. Die einen mögen viele bunte Lämpchen, andere wollen verändern und der oder dem dritten reicht ein gutes Essen am Abend.
Da fällt mir ein, heute ist übrigens der internationale Tag der Akzeptanz. Der Schauspieler Peter Ustinov, die älteren unter uns werden ihn noch kennen, sagte einmal:
Die Akzeptanz der Unterschiede ist Voraussetzung für die Überraschung von Gemeinsamkeiten.
Peter Ustinov (1921 – 2004)
Wird, glaube ich, mein Lieblingszitat für den Rest der Woche.