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Kategorie: Firmen

Toscanische Nächte

Irgendwann im August. Kurz vor 16.00 Uhr bin ich in einer Firma, irgendwo in der Toscana. Acht Paletten mit Stoffballen sollte ich laden, für einen Betrieb in der Nähe von Erfurt.

Bereits die Anfahrt war schwierig. Enge kurvenreiche Strassen, die sich über Hügel schlängelten, dazu nur vereinzelte Häuser, die verstreut in der Landschaft standen. Selbst mein Navigerät konnte sich nicht entscheiden, welchen Weg es mir empfehlen sollte.

Ein Bauer mit seinem Traktor kam mir entgegen. Wir hielten beide, ich fragte Ihn nach dem Weg. Er versuchte mir diesen zu erklären. Nach zwei Sätzen unterbrach ich Ihn, und reichte ich Ihm einen Zettel und einen Stift. Er begann, die Strecke auf zu zeichnen. Dann hielt er inne, schaute auf den Lkw, schüttelte seinen Kopf und fing von vorne an.

Nach einigen Minuten gab er mir den Zettel und sparte nicht mit Kommentaren. Diese untermauerte er mit eindrucksvollen Gesten, die wohl die Höhe und Länge meines Gefährts betrafen. Ich besah mir den Zettel. Er erinnerte mich an Strickmuster, welche ich als Kind bei meiner Oma gesehen hatte.

Nach einem Dank meinerseits setzte ich meine Fahrt fort, leises Fluchen inklusive. Zwei Kilometer weiter kam ich an eine Weggabelung. Ich schaute auf die Zeichnung des Bauern, von einer Kreuzung war jedoch nichts zu sehen. Im Zweifel immer links, ist meine Devise. Diesmal jedoch war es ein Irrglaube, denn 300 Meter weiter endete die Strasse an einem Sperrschild. Typisch Italien, aufregen bringt da nichts.

Also rückwärts schieben und die andere Richtung probieren. Pinien und Säulenzypressen säumten die Strasse, doch dafür hatte ich keinen Blick. Dieser wanderte nur zwischen Navigerät und dem Strickmuster des Bauern hin und her.

Ein Pkw überholte mich vorsichtig. Dessen Fahrer hielt vor mir an, kam zum Lkw und fragte, wo ich denn hin will. Wollen ist gut, eher müssen. Ich gab Ihm den Zettel mit der Ladeadresse und er bedeutete mir, Ihm nach zu fahren.

Nach knapp zehn Kilometern waren wir am Ziel. Er hupte, hielt seine Hand zum Gruß aus dem Fenster und fuhr ohne zu halten weiter. Ich hupte ebenfalls, dann war er verschwunden.

Die Firma war nicht sehr groß und befand sich am Rand eines kleinen Waldes. Von einer menschlichen Behausung war nichts zu sehen. Ich stellte den Lkw ab und suchte das Büro. In einer Halle kam mir ein Mitarbeiter entgegen.

Mit einem “Hi, ich soll laden für Deutschland. Tedesco, Otto Bancali*”, begrüßte ich Ihn. Aus seinem Mund kam ein langes “Ahhhh, Si“, gefolgt von einem “Domani*“.

“Nix da Domani“, antwortete ich. “Heute, jetzt“! Er schaute mich an und mir war klar, dass er keine Ahnung hatte, was ich eigentlich von Ihm wollte. Wir gingen zusammen durch die Werkhalle, an dessen Ende sich zwei Büros befanden.

Ein Mann gab mir die Hand und erklärte in einem Mix aus Deutsch und Englisch, dass die Ware noch nicht fertig sei. Sie würden sich aber beeilen, um spätestens am nächsten Vormittag mit der Beladung zu beginnen. Bei dem Gedanken, die Nacht in dieser Einöde zu verbringen, schauderte es mich etwas.

Zurück am Lkw telefonierte ich mit meinem Disponenten. “Nun gut, kann man halt nichts machen“, bekam ich zur Antwort. Meine Bedenken bezüglich der Nacht, weitab jeglicher Zivilisation, behielt ich natürlich für mich.

Den Lkw parkierte ich am Rand einer weiteren Halle. Kurz nach 17.00 Uhr gingen die Mitarbeiter in Ihren Feierabend, in der Halle lief noch eine Maschine. Ich startete den Motor, um die Klimaanlage laufen zu lassen.

Einige Stunden später – gegen halb zehn – wurde es dunkel. Ich stieg noch einmal aus, die Hitze des Abends knallte in mein Gesicht. Das Thermometer zeigte noch immer 30 Grad an. Das Brummen der Maschine in der Halle war verstummt.

Auf dem Firmengelände war kein Mensch zu sehen. Aus dem Wald kroch die Dunkelheit, das Maisfeld auf der anderen Seite der Strasse rauschte leise. Dazu kam das zirpen der Grillen – so richtig wohl war mir nicht. Wieder im Lkw machte ich mich fertig für die Nacht. Ich zog die Vorhänge zu und legte mich in die Koje.

Durch ein Geräusch erwachte ich, draussen war es stockfinster. Ich horchte in die Stille, plötzlich war es wieder da – irgendein Scharren, kurz darauf ein kurzer heftiger Knall. Im dunklen fingerte ich nach meinem Handy, um nach der Uhrzeit zu schauen. Es war kurz nach zwei. In drei Stunden wird es erst hell, schoss es mir durch den Kopf. Mein Körper begann zu schwitzen. Ob von der Hitze oder vor Ungewissheit, war mir nicht klar.

Dann hörte ich Stimmen, genau am Lkw. “Jetzt nur nicht bewegen“, war meine Überlebenspraxis. Dann wird schon nichts passieren. Während ich diese in die Tat umsetzte, klopfte es an die Tür. Nicht laut und fordernd, wie es Gangster tun, sondern leise. Beinahe zärtlich.

“Oha“, dachte ich. “Nun hat mein letztes Stündlein geschlagen“. Eigentlich wollte ich immer in Thüringen sterben. Also irgendwann mal. So in 40 Jahren vielleicht. Aber man kann es sich ja nicht aussuchen.

Mit der einen Hand zog ich den Vorhang ein wenig zurück, mit der anderen suchte ich eine Deoflasche. Wenn mich schon der Tot ereilt, dann nicht kampflos. Und so ein Körperspray kann einen Angreifer schon etwas verwirren. Zumindest wenn man es auf Ihn richtet. In diesem Moment kam mir das sogar recht mutig vor.

Im dunklen erkannte ich die Umrisse zweier Gestalten, die von einem Licht, welches auf dem Firmengelände brannte, leicht angestrahlt wurden. Die eine machte eine Handbewegung, welche mich zum aussteigen aufforderte. Ich krabbelte auf den Fahrersitz, öffnete das Fenster etwas und erkannte den Büromenschen vom Nachmittag. “Was ist los“, fragte ich verwirrt.

“Wir haben fertig Paletten“, antwortete er. “Nun wir können laden“! “Ja, toll. Es ist zwei Uhr. Ich dachte, die Mafia holt mich“, erwiderte ich, noch immer die Spraydose in der einen Hand. “Hier nix Mafia“, lachte er und ging zu einem Stapler, der in einiger Entfernung stand.

Zitternd zog ich mich an und öffnete den Auflieger. Das Beladen selber war in 15 Minuten erledigt. Anschließend im Büro bei einem Kaffee unterhielten sich die beiden Italiener. Dann wandte sich der deutschsprechende an mich: “Kollege sagt, Du haben bestimmt Angst, wenn wir nachts klopfen”! “Ach wo“, antwortete ich lächelnd. “Hier in Italien gibt es doch keine Verbrecher“!

Der Rest der Nacht verlief ruhig, wenn auch mit wenig Schlaf. Gegen sieben Uhr am Morgen machte ich mich auf den Weg zur nächsten Ladestelle.

*Otto Bancali (Acht Paletten) *Domani (morgen)

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…und da sage noch einer, Marktwirtschaft wäre nicht sozial!

Was kostet es zu lernen, wie man einen störenden Arbeitnehmer kreativ aus der Firma entfernt? Gerade mal schlappe 795,00 Euro!
Achso: Natürlich zzgl. 19% Mehrwertsteuer. Dafür sind diese Kosten steuerlich abzugsfähig. Seminargetränke, Mittagessen, Parkgebühren sowie Seminarunterlagen sind natürlich im Preis inbegriffen.

Ich finde diese Lehrgänge gut. Kreativ gekündigt zu werden, tut nur halb so weh. Was ich aber vermisse, ist der künstlerische Aspekt. So eine kleine Gesangseinlage seines (noch) Vorgesetzten lindert die Sorgen über die bevorstehende eigene Finanznot doch ganz erheblich.

Wie wäre es z.B. mit: „Wer soll Dich bezahlen? Wer hat soviel Geld…?“ Anschließend gibt es dann die Kündigung. Natürlich nicht auf schnöden weißen Papier. Nein, dass geht überhaupt nicht. Farbenfroh und mit Ornamenten verziert, sollte das Blatt schon sein. Schließlich geht es hier um einen kreativen Rauswurf.

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Blauer Montag Teil II

Kurz vor zwölf Uhr. Mein Disponent ruft zum widerholten mal an: „Und? Wie schaut es jetzt aus?“ Meine Antwort: „Der macht jetzt eine halbe Stunde Mittag und dann braucht er noch ungefähr eine bis anderthalb Stunden. Also zwischen halb und um zwei dürfte der Auflieger leer sein!

Die Reaktion meines Disponenten? Ein mittelschwerer Anflug von Verzweiflung…

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Wir haben einen Aufschwung! Nur kommt der nicht überall an!

Bodo Ramelow, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, war letzte Woche auf einer Tour durch Erfurt. Eingeladen dazu hatte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Zwischenziele waren verschiedene Betriebe der Provinzhauptstadt.

Angesprochen wurde auf dieser Reise auch das Lohnniveau in diesem Freistaat. So liest man bei Herrn Ramelow u.a. folgendes:

…dass Billiglohn keine Strategie mehr sein kann, die der hiesigen Wirtschaft weiterhilft.

Das klingt toll. Dann kann ich mir ja in naher Zukunft einen Arbeitgeber suchen, der in meinem Heimatort angesiedelt ist – und nicht 250 Kilometer entfernt.
Aber ich bleibe in der Realität: Ein Bekannter von mir fährt für eine Spedition, mit Sitz in einem Ort im thüringischen Eichsfeld. Sein Bruttoverdienst liegt bei 1 800 Euro. Netto sind das bei Steuerklasse 1 rund 1 220 Euro. Dazu kommen Spesen, die aber nicht mit zum regulären Lohn zählen.

1 220 Euro monatlich in der Lohntüte. Und das bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 240 – 260 Stunden im Monat. Da braucht man wirklich eine Menge Enthusiasmus. Oder was näher liegt: Man denkt besser nicht darüber nach.

In der „Thüringer Allgemeinen“ konnte man vor einigen Tagen ein Interview mit dem Präsidenten des Thüringer Arbeitgeberverbandes, Wolfgang Zahn, bewundern. Voller Stolz berichtete er auf die Frage, wie es der Thüringer Wirtschaft geht, folgendes:

Es brummt. Vor allem die Autobranche, Zulieferer, Kunststoffhersteller und jetzt auch der Maschinenbau laufen nach der Krise wieder auf vollen Touren.

Natürlich kam in diesem Interview auch das Thema Billiglohn und Leiharbeit zur Sprache. Als Antwort kamen Sätze wie „Da wird vieles übertrieben„, oder „Die im Arbeitgeberverband organisierten Firmen zahlen alle Tariflöhne, was ein grundsolides Auskommen bedeutet.“
Wie viel Prozent der Thüringer Unternehmen tatsächlich den offiziellen Tarif zahlen, kann oder will aber auch der Chef eines Wirtschaftsverbandes nicht sagen. Bei dieser Frage verliert er sich in diffusen Schätzungen.

In der Kunststoffindustrie brummt es also. Komisch, dass ein Arbeitnehmer davon nichts merkt. Ausser vielleicht durch eine erhöhte Arbeitsbelastung.
Ein weiterer Bekannter von mir arbeitet bei einem Zulieferer der Automobilindustrie. Dort, in Eisenach, werden diverse Kunstoffteile hergestellt. Selbst in der zurückliegenden Wirtschaftskrise gab es keine Entlassungen und auch keine Kurzarbeit. Trotzdem ist eine Lohnerhöhung für die dortigen Mitarbeiter Utopie.
Selbst der erwähnte Bekannte verdient als Vorarbeiter im 2 – Schichtsystem gerade einmal 1 400 Euro. Brutto natürlich. Wenn der Sätze hört, in denen es heißt, er hätte ein „grundsolides Auskommen“, wird er still. Ob vor Scham, seiner Familie kein grundsolides Auskommen bieten zu können oder einfach nur, weil Ihm die Worte fehlen, weiss ich nicht.

Aber ein wenig Hoffnung bleibt. Immerhin forderte der heutige stellvertretende Ministerpräsident, Christoph Matschie, im letzten Wahlkampf folgendes:

Eine SPD-Landesregierung mit Christoph Matschie an der Spitze wird für höhere Löhne in Thüringen kämpfen

Für ganz nach oben hat es für Matschie bekanntermaßen nicht gereicht. Als Ausrede kann das aber nicht gelten. Ansonsten ist er bald wieder in der Opposition – und der Ministerpräsident heißt Ramelow. Der ist bekanntlich für einen Mindestlohn.

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Drei von diesen Kunden an einem Montag und die Woche ist gelaufen…

Montagfrüh, erste Abladestelle – irgendwo in Mittelhessen:

Morgen, ich habe elf Kisten und Paletten für Euch!
Wo kommt das her?
Italien!

Fahre da an die Rampe!
Das ist schlecht. Besser wäre von der Seite!
Nee, fahre an die Rampe!

Zwei Minuten später steht der Lkw an der Rampe. Der Lagerkappo kommt, schaut und spricht:

Die Kisten bekomme ich mit dem Stapler von hinten nicht raus. Wir müssen doch von der Seite abladen!

Sag ich doch!

Montagvormittag, zweite Abladestelle – irgendwo im Siegerland:

Morgen, ich habe acht Regalteile für Euch!
Wo kommen die her?
Italien!

Italien ist groß. Geht es nicht genauer?
Von CamoMaf*!
Ah ja!

Dann wendete sich der Lagerkappo an einen Staplerfahrer:

Sag dem Fahrer, der soll sich an die Seite stellen und den Auflieger öffnen!

Ehe der Staplerfahrer zu Wort kam, blöffte ich den Lagerkappo an:

Kannst Du mir das nicht selber sagen? Oder bin ich Luft für Dich?

Nein, nein. Das war nicht so gemeint„, bekam ich zur Antwort. „Aber der muß das lernen!“ „Was muß der lernen„, unterbrach ich Ihn. „Doch nicht etwa, wie man einen Lkw – Fahrer anspricht“!

Montagnachmittag, dritte Abladestelle – irgendwo im Sauerland:

Hallo, ich habe einige Paletten für Euch!
Das ist schön. Da warten wir schon drauf. Fahre da an die Rampe!

Das die unteren Kartons dem Gewicht der oberen nachgegeben haben und sich die gesamten Paletten in „leichter“ Schieflage befinden, verschweige ich erstmal.

Fünf Minuten später. Mittlerweile schaut sich der Chef dieser Firma die Paletten an: „Sowas habe ich noch nicht gesehen. Da muß ich Fotos machen
Tja, dass liegt am Absender. Der hat die Paletten falsch gepackt„, antworte ich.

Ach wo„, antwortet er. „Ihr habt die bei Euch umgeladen. Das weiss ich genau!

Das Gegenteil zu behaupten, bringt nichts. Ich versuche es trotzdem, auch wenn ich wenig Lust dazu habe, mich dauernd rechtfertigen zu müssen.
Letztlich rufe meinen Disponenten an, schildere kurz die Situation und damit ist für mich die Sache erledigt. Soll der sich darum kümmern. Schließlich wird er dafür bezahlt. Basta…

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Immer diese leeren Versprechungen

Entladestelle in Mittelhessen:

Da hast Du aber Glück gehabt. Fünf Minuten später und wir wären weg gewesen!
Tja, da wäre ich halt am Montag wieder gekommen!

Warum muß ich mir jeden Freitag die gleichen Sprüche anhören? Glauben Staplerfahrer, ich küsse denen die Füße, wenn die mich noch abladen?
Nee, eher nicht 🙂

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Das ist ein Telefon

Es gibt Firmen, die verzichten auf eine seperate Wareneingangs- oder Versandannahme. Stattdessen muß man sich als Ankommender per Telefon anmelden, welches meist vor einer verschlossenen Schranke deponiert ist. Nach der Wahl einer hinterlegten Nummer wird man mit irgendeinem Büro verbunden und erhält alle nötigen Instruktionen.

Im Prinzip habe ich damit kein Problem. Es sei denn…

dreckiges Telefon

…der Apparat sieht so aus. Nicht mal mit Arbeitshandschuhen habe ich dieses Teil angefasst.

Es scheint aber Besucher dieser Firma zu geben, die in solchen Dingen schmerzfrei sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Tasten welche gedrückt werden müssen, ohne weiteres erkennbar sind:

Tasten weis

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Klar doch. Kein Problem.

Werbeslogans und Werbesprüche sind allgegenwärtig und unverzichtbar. Wie sonst verklickert man seinen potenziellen Kunden die eigene Firmenphilosophie. Mitunter wird anhand solcher Slogans aber auch deutlich, dass Ihre Erdenker nicht besonders gründlich nachgedacht haben.

Was andere nicht bewältigen, ist für uns selbstverständlich…

ist so ein Beispiel. Eine Problemlösung so anzubieten, wirkt irgendwie billig. Werbung sollte einen Mehrwert erzeugen und nicht als einfache Anmache daher kommen.

Was ich mir als Fahrer in einer Firma mit solch platten Spruch antun muß, kann ich mir schon vorher denken. Wenn andere Transportunternehmen Touren ablehnen – weil diese (aus was für Gründen auch immer) nicht zu schaffen sind – heißt es hier: „Natürlich, kein Problem!

Wir fahren alles

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