Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Fahren und löhnen

Ein Berufskraftfahrer hat keinen Anspruch auf Erstattung von Bußgeldern gegenüber seinem Arbeitgeber. Dies gilt selbst dann, wenn der Spediteur den Mitarbeiter mit der Androhung einer Kündigung zu regelwidrigem Verhalten treibt, entschied das vor kurzen das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

In dem von der Deutschen Anwaltshotline in Nürnberg mitgeteilten Fall geht es um einen Lkw-Fahrer, der auf Weisung des Junior-Chefs der später beklagten Spedition regelmäßig zwischen dem Ruhrgebiet und dem süddeutschen Raum unterwegs war.

Der Fahrer wies seinen Arbeitgeber mehrfach darauf hin, dass die Touren ohne Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten nicht zu schaffen sind. Darauf bekam er zur Antwort, er solle gefälligst durchfahren, sonst sei er seinen Job los.
Da der Mann davor Angst hatte und aus verschiedenen Gründen seinen Lohn dringend benötigte, folgte er dieser Anordnung.

Der Fahrer wurde bei einer Verkehrskontrolle erwischt. Nach einer amtlichen Tiefenprüfung wurde Ihm ein summarischer Bußgeldbescheid in Höhe von 8.520 Euro nebst rund 430 Euro Gebühren zugestellt. Der Fahrer wollte, dass sein Arbeitgeber diese Strafe zahlt – eine Idee, die einerseits nachvollziehbar ist, andererseits aber der zugrunde liegenden Regelung widerspräche. So sah es das Arbeitsgericht Koblenz und auch später das als Berufungsinstanz angerufene Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Das die Firma wohl in der Vergangenheit entsprechende Bußgelder bezahlt hatte, kam dem Fahrer auch nicht zugute. In der Entscheidung heißt es, dass der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht gegeben sei (Urteil vom 26.01.2010, – 3 Sa 497/09 -). Und weiter: Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, sich den Anordnungen seines Arbeitgebers zu widersetzen.

Die im Bußgeldbescheid zitierten Bußgeldvorschriften dienten der Sicherheit im Straßenverkehr und damit auch dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Beachte der Kraftfahrer diese Vorschriften, habe er aufgrund der arbeitsrechtlichen Vorschriften keine rechtlichen Nachteile im und für das Arbeitsverhältnis (etwa in Form einer Kündigung) zu befürchten. „Den rechtstreuen Arbeitnehmer schützt die Rechtsordnung“, heißt es im Urteil wörtlich. Deswegen sei es dem Kläger zumutbar gewesen, sich den behaupteten, unzulässig erteilten Anordnungen zu widersetzen.

Desweiteren solle das Bußgeld im übrigen den jeweiligen Täter davon abhalten, künftig solche oder ähnliche Verkehrsverstöße zu begehen, so die Richter.
Würde die Rechtsordnung dem Täter einen Anspruch darauf zubilligen, von den finanziellen Belastungen freigestellt zu werden, dann würde die Geldbuße den mit ihr verfolgten Zweck verfehlen. Es bestünde die ernste Gefahr, dass das „Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung in Frage gestellt“ würde.

Der Fahrer muss nun neben der Geldbuße auch die Verfahrenskosten für zwei Instanzen tragen. Aus der Firma ist er inzwischen ausgetreten.

10 Kommentare

  1. Spacefalcon
    Spacefalcon 05/06/2010

    Dass die Richter jenseits von Gut und Böse stehen oder leben, ist doch nicht nur mir klar, oder?

    Wie naiv muss man sein, um so eine Begründung vom Stapel zu lassen?!?!

    Bei so einer geuierlten Scheiße fallen mir zwei Eier aus der Hose 🙁

  2. Luigi
    Luigi 05/06/2010

    Ich kann das Urteil nachvollziehen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Verlangt mein Chef von mir die Überschreitung der Lenkzeit oder andauernd das Gesamtgewicht zu überschreiten suche ich mir andere Arbeit und zeige wenn ich welche gefunden habe meinen Exchef an. Die Behörden haben da in der Regel ein sehr offenes Ohr wenn Fahrer gegen solche Spediteure und oder Disponenten vorgehen wollen.

  3. Sven
    Sven 05/06/2010

    @Luigi:
    Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur widersprechen, leider!
    Ich habe das Thema selbst am eigenen Leibe durch – da war NULL Bereitschaft/Verständnis/Entgegenkommen seitens der Behörden.
    Im Gegenteil. Man hat nur darauf gewartet, nach dem Erhalt der Info dem Fahrer ans Knie pinkeln zu können.

    Ich finde es einfach nur schäbig, wie man es sich besonders einfach macht und sämtliche Schuld dem Arbeitnehmer zuschiebt.
    Wenn ein Arbeitnehmer am Fließband beispielsweise täglich aufgefordert wird, mehr als 9 Stunden zu arbeiten, kannst Du genausowenig sagen „Leck Fett, ich kündige“ – da hätte absolut niemand Verständnis für!

    Klar geht es auch um die Sicherheit im Straßenverkehr, keine Frage, aber warum zum Geier geht man immer denen an die Nüsse, welche die Konsequenzen (welche auch immer) am deutlichsten spüren?

    Hier bedarf es einem radikalen Umdenken in der Gesellschaft, denn die Firmen, welche zu 100% innerhalb der Legalität agieren, kannst Du mittlerweile an einer Hand abzählen. Klingt traurig, ist aber so. Spätestens dann, wenn es am Firmensäckel zwickt, werden Vorstände kreativ, was das Ausschöpfen der Ressource Fahrer betrifft, und genau die sind es, denen man als erstes ganz gewaltig zwischen die Beine latschen muss, und nicht immer nur dem Fahrer. Der hat meist garkeine andere Wahl, denn Kündigung bedeutet auch keinen Lohn und erstmal keine Unterstützung seitens des Staates, denn dann wird nur allzugerne mit zweierlei Maß gemessen, nach dem Motto „wir haben da schon zig Fahrer hinvermittelt, aber keiner hat selbst gekündigt“. Es kann sich bei diesen Hungerlöhnen schlicht keiner mehr leisten, mal eben die Firma zu wechseln, denn meist bedeutet Firmenwechsel auch Abstriche beim Lohn, da die Löhne seit Jahren stetig am Sinken sind.

    Das ist Deutschland!

  4. hajo
    hajo 05/06/2010

    Es ist schon korrekt und das, was Luigi schreibt, trifft den Nagel auf den Kopf.
    Schon mein Vater (in grauer Vorzeit) sagte in diesem Fall: „Wenn der .. sagt: spring in den Main, dann springst Du doch auch nicht!“
    Der Fahrer befindet sich in einer Zwickmühle: weigert er sich, ist er möglicherweise seinen Job los, aber
    1. wird es der Unternehmer wirklich darauf ankommen lassen? (hat er Alternativen?) und
    2. gibt es möglicherweise eine strafrechtliche und/oder zivilrechtliche Klagemöglichkeit.
    Nur, da die Mühlen der Justiz recht langsam mahlen ist da schnell die Grenze für den Kläger) erreicht.
    Scheiss Situation!

  5. Sven
    Sven 05/06/2010

    @hajo:

    Ja, der Unternehmer wird es definitiv darauf ankommen lassen, hat er doch ein seit Jahren erfolgreich seine Strategien verfeinert und ausgeklügelt.

    Klar bedeutet ein sich verweigender Fahrer erstmal den Verlust einer Tour, aber der Fahrer ist innerhalb von 12 Stunden ersetzt, denn es gibt genügend Fahrer, welche aus der Arbeitslosigkeit heraus durch das Arbeitsamt vermittelt werden, wo dann der Fahrer erstmal muss. Dieses wissen die Arbeitgeber nur zu genau!

    Strafrechtliche Relevanz kommt bei den Unternehmern faktisch verdammt selten vor. Solange man den Fahrer als das Hauptübel aller Übel dingfest machen kann, wird sich kein Staatsanwalt weiter reinknien.

    Es ist zudem die allgemeine (und meist dumme) Meinung über LKW-Fahrer, welche die gesammte Situation unerträglich werden lässt.

    Und nochmal: für jeden Fahrer, welcher aus eigenen Stücken geht, stehen seitens der Jobcenter/Arbeitsämter 10 andere zur Verfügung, welche erstmal gezwungen sind, den Job anzunehmen – ein hoch auf unsere Politik…der Rattenschwanz fängt an zurückzubeissen…

  6. […] hat gerade einen Artikel online, welcher die aktuelle Rechtsprechung und die teils antiquierte Einstellung von Richtern […]

  7. Armin
    Armin 05/06/2010

    Im Namen des Volkes? Soll ich mal lachen? Selbst die Justiz zieht vor der Wirtschaft den Schwanz ein. Hier wurde nicht mal annähernd bedacht, dass der Fahrer auf Anweisung handeln mußte und der Arbeitgeber zumindest eine Teilschuld hat.
    Die Begründung des Gerichtes

    Zitat: das Bußgeld im übrigen den jeweiligen Täter davon abhalten, künftig solche oder ähnliche Verkehrsverstöße zu begehen, so die Richter.
    Würde die Rechtsordnung dem Täter einen Anspruch darauf zubilligen, von den finanziellen Belastungen freigestellt zu werden, dann würde die Geldbuße den mit ihr verfolgten Zweck verfehlen. Es bestünde die ernste Gefahr, dass das “Prinzip der Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung in Frage gestellt” würde.

    ist an Scheinheiligkeit und Zynismus nicht mehr zu überbieten.
    Damit wird Arbeitgebern Tür und Tor geöffnet, Ihre Fahrer weiter gegen Gesetze verstosen zu lassen.

  8. buntklicker.de
    buntklicker.de 05/06/2010

    Man hätte hier ein gesondertes Verfahren gegen den Arbeitgeber gebraucht, in dem er zu Schadenersatz an den Fahrer hätte verurteilt werden müssen. Und zu Weiterem.

    Es kann nicht angehen, daß der Fahrer ohne weiteren Beweis das Bußgeld an den Arbeitgeber durchreicht, für den das wahrscheinlich nur eine Delle in der Portokasse ausmacht.

    So sehr ich dafür bin, den Fahrer nicht alleine die Zeche zahlen zu lassen, so wenig mag ich den Arbeitgeber einfach nur in die Forderung nach dem Bußgeld eintreten lassen.

  9. Spacefalcon
    Spacefalcon 06/06/2010

    Wer wirklich so naiv ist, und meint, es hätte für den jeweiligen Fahrer, der sich den Anweisungen seiner Firma widersetzt, keine Konsequenzen, der geht wohl mit Watte ins Bett!

    Natürlich kann sich der Fahrer widersetzen, direkten Anweisungen Folge zu leisten. Aber wer ist denn dann wohl der Erste der auf absehbare Zeit aus der Firma ausscheiden kann und wird?

    Begründungen für eine Kündigung, sind schnell gefunden, da sollte sich keiner was vormachen!

    Und einen Ersatzfahrer hat man schneller gefunden, der obendrein sämtliche Anweisungen befolgt, als so Mancher bis drei gezählt hat.

  10. zappi
    zappi 07/06/2010

    Was ich nun so absolut überhaupt nicht verstehe ist, wieso zum Teufel ist er damit zum Arbeitsgericht gegangen. Das wäre was für einen schicken Zivilprozess gewesen, und wenn er die fortgesetzte schwere Nötigung angezeigt hätte auch für den Staatsanwalt. Mit sowas geht man nicht zum Arbeitsgericht, die haben schlicht und ergreifend keine Ahnung davon…

Die Kommentarfunktion wird nach dreißig Tagen geschlossen