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Bis 45 Sekunden ist ok

Dauert der Überholvorgang auf einer Autobahn mehr als 45 Sekunden, handelt es sich um ein rechtswidriges Verkehrsmanöver, das zu ahnden ist. Auf diese Faustregel hat sich in einem jetzt veröffentlichten Beschluss das Oberlandesgericht Hamm festgelegt (Az. 4 Ss OWi 629/08).

Im vorliegenden Fall fuhr ein Sattelzug auf der A 1 mehrere Kilometer links neben einem anderen Lkw, ohne diesen überholen zu können oder zu wollen.
Der Überholvorgang dauerte insgesamt 80 Sekunden. Pech für den Überholenden, dass auch ein Wagen der Autobahnpolizei hinter Ihm fuhr. So konnten laut „Deutscher Anwaltshotline“ die Beamten vor Gericht mit exakten Daten zum umstrittenen Verkehrsgeschehen aufwarten.
Sie bezeugten, dass das überholte Fahrzeug während des Überholvorgangs seine Geschwindigkeit gleichmäßig beibehalten hatte.

Zunächst wurde dem Fahrer des überholenden Lkw eine Geldbuße wegen „Überholens trotz nicht wesentlich höherer Geschwindigkeit“ auferlegt, die er allerdings nicht bezahlen wollte.
Der Fahrer berief sich dabei auf die Straßenverkehrsordnung, in der es lediglich heiße: „Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt“.

Da die Straßenverkehrsordnung keine genauen Angaben darüber macht, was eine „wesentlich höhere Geschwindigkeit“ ist, die zum Einleiten eines Überholvorganges berechtigt, war es nach Meinung der Hammer Richter an der Zeit eine Faustregel zu schaffen, die praktikabel ist und für Lkw und Pkw gleichermaßen gilt.

Die Richter entschieden: Bußgeldrechtlich sind alle Überholvorgänge auf zweispurigen Autobahnen zu ahnden, die bei einer Dauer von mehr als 45 Sekunden beziehungsweise einer Differenzgeschwindigkeit von unter zehn Stundenkilometern zu einer deutlichen Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führen.

Siehe auch hier: www.burhoff.de

“Es gilt daher im Rahmen des § 5 Abs. 2 S. 2 StVO eine sowohl für Lkw- als auch für Pkw-Fahrer zumutbare und für Verkehrsüberwachungsmaßnahmen praktikable Lösung zu finden. Danach bleibt als wesentliche Voraussetzung festzuhalten, dass eine Ahndung nach § 5 Abs. 2 S. 2 StVO unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Regelung nur dann in Betracht kommt, wenn der Verkehrsfluss durch einen Lkw-Überholvorgang unangemessen behindert wird.

Das ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn sich ein solcher Vorgang zu verkehrsarmer Zeit auf einer dreispurigen Autobahn abspielt, und der schnellere Pkw-Verkehr ohne weiteres auf die dritte (äußere linke) Spur ausweichen kann. Gleiches kann für eine ansonsten leere zweispurige Autobahn gelten.
Ahndungswürdig ist ein Überholen von/durch Lkw (sog. „Elefantenrennen“) jedoch dann, wenn ein solcher Vorgang wegen zu geringer Differenzgeschwindigkeit eine unangemessene Zeitspanne in Anspruch nimmt und der schnellere Pkw-Verkehr nicht nur kurzfristig behindert wird.

8 Comments

  1. seyrah
    seyrah 01/02/2009

    werden dann eigentlich stoppuhren pflicht in fahrzeugen? 🙂

  2. Thomas Gigold
    Thomas Gigold 01/02/2009

    Imho schwieriger dürfte die 10 km/h-Regelung für Euch werden, denn wann ist man schon mal 10 km/h schneller als der zu Überholende?

    Auf der anderen Seite ist es doch eh unerheblich, wenn sich ein Herr Tiefensee durchsetzt, dann dürft ihr eh alle bald nicht mehr überholen *sic*

  3. Ralf
    Ralf 01/02/2009

    Ich möchte den beiden die vor mir kommentiert haben ja nicht zu nahe treten, aber wie wäre es mit erst mal lesen und dann kommentieren?

    Zum einen mal ist es eine Faustregel. Dauert der Überholvorgang 46 Sekunden, wird das mit Sicherheit keine Auswirkungen haben. Ausgenommen die, das nun hunderte PKW-Fahrer sich beschweren das der LKW 45,5 Sekunden fürs Überholen gebraucht hat und dem Fahrer der Führerschein entzogen werden muss.

    Zum anderen sollte diese Faustformel nur dann herangezogen werden, wenn der Verkehrsfluss behindert wird. Ich sehe schon massig Autofahrer die sich im Recht fühlen wenn sie nachts um 3 auf dem 4-spurigen Kölner Ring wild mit der Licht rumblinken nur weil ein LKW den Blinker links gesetzt hat.
    Sicherlich gibt es die eine oder andere Situation wo man auch bei starken Verkehr auf einer 2-spurigen Autobahn überholen will bzw. kann. Normalerweise hat man aber nicht die Möglichkeit da sich links von einem eine Wand aus PKWs auftut die jedes Ausscheren verhindert.

    Übrigens gilt die Faustregel nicht nur für LKWs, sondern gleichermaßen für PKW! Wer also meint er könne minutenlang ungestraft neben einem LKW herfahren um ihn z.B. am Überholen zu hindern, der darf sich über einen knackfrischen Punkt in Flensburg freuen.
    Für’s Beschleunigen während man überholt wird, was ein sehr beliebtes Hobby bei PKW-Fahrern ist, gibt es leider nur 30 Euro und kein Punkt. Sollte auch mal geändert werden.

  4. Cohn Structa
    Cohn Structa 01/02/2009

    …ich kann mich an eine Nachtfahrt (mit PKW) von Köln in Richtung Paris erinnern – da ist die rechte und die mittlere Spur voll mit LKW. Wenn ich dann mit 110/120 links fahre, wenn und wieviel und wielange dürfte ich dann überholen ?
    Mir geht das Ganze langsam tierisch auf die Nüsse. Wenn ich als „Staat“ weiterhin den LKW-Verkehr so haben will (Globalisierung, billige Transporte etc) und aber auch gar nix für zB eine Bahnverladung ab (ca.) 400 km tue, warum bin ich dann nicht so konsequent und setze alles auf Tempo 100 und die LKW auf Tempo 90 ? Damit hätte man einen gleichmässigen Verkehrsfluss und alle (okay fast alle) sind glücklich. Ich verstehe immer noch nicht warum der gehirnamputierte (leider meistens Audi A4-)Fahrer glaubt, daß er das Recht hat links + Vollgas zu fahren …und warum der „Staat“ das unterstützt. Ist schonmal jemand von denen mit 80 km/h 4,5 Stunden lang hinter der gleichen Auflieger-Plane hergefahren ?
    Vielleicht auch hier: Geld schafft Recht. Und – richtig Thomas – wenn sich Tiefensee durchsetzt (wird der von VW bezahlt?) dann hat sichs mit 45 Sekunden. Überholverbot immer und überall, Parkverbot auch und Führerschein sofort weg. Für eine Mindestgeschwindigkeit von 180 auf der linken Spur !

  5. seyrah
    seyrah 01/02/2009

    ironie ist was für welche, die sie auch erkennen :))

  6. Thomas Gigold
    Thomas Gigold 01/02/2009

    Ralf, Glückselig ist der, der Humor erkennt, wenn er ihn sieht 🙂

  7. Martin
    Martin 02/02/2009

    Ich finde das so in Ordnung.

    Warum werden solche Beschlüsse erlassen? Weil jemand meint, die für gesunden Menschenverstand ausgelegten Verordnungen zu seinem Vorteil zu verbiegen.
    “Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt”, sowas ist zumindest für mich eindeutig. Die Spinner, die solche, nicht mit Maßeinheiten bezifferten Grenzen, schamlos ausnutzen, haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass es in „good old Germany“ mittlerweile für jeden kleinen Scheiss eine Gesetzliche Regelung gibt. Traurig sowas.

    Über Elefantenrennen rege ich mich auch auf. Mit Geschwindigkeitsunterschieden von nur 3km/h kann man schon 50m in einer Minute zurücklegen, das reicht zum Überholen locker! Dadrunter muss es echt nicht sein.

    Überholen am Berg muss dagegen weiter erlaubt sein, hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

  8. Stefan
    Stefan 02/02/2009

    Ähnlich lautende Urteile gabs ja auch schon früher, neu ist die definierung einer Faustregel von 45 sek je Überholvorgang.

    In der Praxis ändert sich dadurch noch lange nichts, da ohnehin so gut wie keine Kontrollen auf dem Gebiet stattfinden. Es ist das gleiche wie mit den deutlich erhöhten Bußgeldern ab 01.02.2009 – ohne Kontrollen bringen auch höhere Strafen wenig.

    Irgendwie muss es eben gehen, mit LKW und PKW und allem was da noch so „rumeiert“. Wenn dabei alle ein wenig mehr Rücksicht auf die anderen nehmen, kann es auch halbwegs Funktionieren.

    Grüße Stefan

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