Wenn etwas ganz besonders dazu geeignet ist, die Grenze der Planbarkeit von Prozessen zu testen, in denen Menschen involviert sind, dann ist es vermutlich das moderne Flottenmanagement. Aus der technisch-funktionalen Perspektive ist es vor allem auf die Lösung konkreter Koordinationsprobleme im Verkehrsalltag ausgerichtet; aus der ökonomischen Perspektive ist es insbesondere auf Effizienz bedacht. Aber wie dehnbar sind eigentlich die »Grenzen des Machbaren«? Was ist im Flottenmanagement tatsächlich planbar und was muss möglicherweise dem Ermessen der menschlichen Akteure selbst überlassen werden?
Was sich in der Überschrift auf den ersten Blick so kompliziert liest, ist bei näherem Hinsehen nicht gar so schwer zu begreifen. Die hier zu vertretende These lautet nämlich: Das Bestreben, Abläufe zu automatisieren, zu standardisieren und letztlich effizienter zu machen, findet seine naturwüchsige Grenze stets an der Unvorhersehbarkeit der Zukunft – das gilt für das Flottenmanagement genauso wie fürs »nackte Leben«. Hier folgt die Erklärung.
Worin besteht modernes Flottenmanagement?
Flottenmanagement gibt es schon ziemlich lange, und zwar im Grunde so lange, wie die Menschen technische Fortbewegungsmittel erfinden und koordiniert einsetzen. Lange Zeit in der Menschheitsgeschichte war dies nirgendwo notwendiger als in der Sphäre der Kriegsführung und hier vor allem bei der Koordination von Kriegsschiffen. Nicht umsonst spricht man ja auch vom »Flotten«-management.
Kriegsschiffe müssen (leider) nach wie vor strategisch-geografisch koordiniert werden, aber es sind nunmehr auch viele andere Vehikel hinzugekommen, die industrialisierte und funktional hochgradig differenzierte Gesellschaften (damit ist nichts anderes gemeint, als dass moderne Gesellschaften für die Lösung spezifischer Aufgaben eigenständig funktionierende Systeme wie etwa das Rechtssystem, das Wirtschaftssystem oder die Politik ausgebildet haben und nur mit deren Hilfe funktionieren und sich erhalten können) in irgendeiner Weise koordinieren müssen (z.B. durch Verkehrsregeln oder eben Computersysteme): Vom öffentlichen Personennahverkehr, über den Güterverkehr, den Luftverkehr bis hin zur privatwirtschaftlich organisierten Personenbeförderung (Taxiunternehmen) müssen heute Fahrzeugflotten gemanaged werden.
In kapitalistischen Systemen ist dabei entscheidend, dass es beim Flottenmanagement nicht bloß um die Steuerung und Koordination von Fahrzeugen derselben Flotte geht, sondern vor allem auch um Effizienzsteigerung. Eine moderne Fahrzeugflotte (den ÖPNV mit Einschränkung ausgenommen) muss insbesondere Profite abwerfen. Und das bedeutet eben im Umkehrschluss, dass sie möglichst so koordiniert und eingesetzt werden muss, dass sie bei geringstmöglichem Aufwand den größtmöglichen Gewinn abzuwerfen in der Lage sein muss. Im modernen Flottenmanagement versucht man dies überwiegend mithilfe von computergesteuerten Systemen zur Fahrzeugortung zu erreichen.
Systeme zur Fahrzeugortung versprechen vor allem eines: Effizienzsteigerung. Es geht darum, alle relevanten Prozesse im Flottenmanagement so zu optimieren, dass Kosten gesenkt (etwa durch Senkung des Kraftstoffverbrauchs) und Leistungen besser und schneller bereitgestellt werden können. Dabei wird jedes Fahrzeug per GPS geortet, sodass nicht nur alle Fahrzeugbewegungen, sondern mitunter auch das Fahrverhalten des jeweiligen Fahrers dokumentier- und im Nachhinein analysierbar werden. Unter bestimmten technischen Voraussetzung ist gar ein Livetracking möglich. Zudem wird durch die GPS-Fahrzeugortung die Nachverfolgung und Auffindung eines Fahrzeugs im Diebstahlfall erheblich erleichtert.
Nun hören sich die Stichworte »Effizienzsteigerung« und »Kostensenkung« aus wirtschaftlicher Perspektive freilich hervorragend an, und das sind sie ja letztlich im Großen und Ganzen auch. Zu differenzieren gilt es jedoch, sobald das Optimierungsversprechen absolut gesetzt wird und unterstellt wird, man könne alles planen und rationalisieren.
Die Zukunft ist die natürliche Grenze jeglicher Planung
Zum einen muss man ganz einfach sehen, dass die Zukunft immer offen ist. Das heißt, man kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob ein Plan aufgehen oder scheitern wird. Nehmen wir etwa an, eine LKW-Ladung muss von Osnabrück nach Bremen geliefert werden. Nun kann man hingehen und die Route planen, indem man alle nur erdenklichen Einflussfaktoren mit einzurechnen versucht, die man mitunter eben auch computergestützt auf Basis von GPS-Daten ermittelt hat.
Doch sobald der Fahrer losgefahren ist, ist diese Planung, so gut und detailliert sie auch sein mag, bis auf Weiteres einer Bewährungsprobe ausgesetzt. Schon die kleinste Unvorhersehbarkeit – Berufskraftfahrer können davon ein Lied singen -, wie etwa eine defekte Ampel oder ein liegengebliebenes Fahrzeug, das den weg blockiert, können die akribische Planung in Sekundenschnelle zunichtemachen. Damit ist nicht gesagt, dass Planung grundsätzlich überflüssig ist oder nicht zur Effizienzsteigerung führen kann: Doch, das kann sie unbedingt! Aber eben nie mit hundertprozentiger Gewissheit.
Zum anderen muss man feststellen, dass Fahrer über ein intuitives Erfahrungswissen verfügen, dass computergestützten Systemen, die immer nur Idealzustände berechnen können, in Krisensituationen überlegen ist. Ein Erfahrener Trucker wird eine brenzlige Situation – sicherlich nicht immer, aber unter bestimmten Umständen – möglicherweise »riechen« und lösen können, während die Technik versagen würde, da sie nur Programmiertes anwenden, aber nicht Neues erfinden kann – das können grundsätzlich nur Menschen. Insofern ist es wichtig, den menschlichen Akteuren, die letztlich die wahren Antriebskräfte hinter jeder Fahrzeugflotte sind, Freiräume zu lassen, in denen sie gemäß ihrem intuitiven Erfahrungswissen handeln können. Schließlich ist die Intuition die »Mutter« aller bahnbrechenden Erfindungen und damit auch der Effizienzsteigerung.