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Mindestlohn als Sündenbock?

Von Udo Skoppeck

Nein – das eigentliche Problem liegt tiefer. Der neue Mindestlohn bedroht keine Arbeitsplätze.
Die wahre Bedrohung ist das jahrzehntelange Wegschauen von Politik, Kontrollbehörden und Justiz. Sie haben durch Untätigkeit einen rechtsfreien Raum geschaffen, in dem Dumpingunternehmen aus dem Ausland ungehindert agieren konnten – zum Nachteil aller ehrlichen Betriebe in Deutschland.

Wer zwei Mal Protest in Gräfenhausen braucht, um aufzuwachen, hat längst versagt. Ich persönlich habe mehrfach Hinweise an Behörden übermittelt.
Und was kam zurück? Gar nichts. Keine Rückfragen. Keine Konsequenzen. Kein Wille, etwas zu verändern.

Die sogenannte „schwarze Liste“, die die EU 2016 forderte – nie umgesetzt. Vermutlich liegt sie noch irgendwo im Ministerium, zwischen Wahlversprechen und Lobbyeinladungen.

Löhne als Ausrede – oder als Spiegel der Realität?

Es gibt heute Speditionen, die 3.000 Euro brutto und mehr zahlen können – ohne Verband, ohne Tarifbindung. Zweihundert Stunden im Monat sind 15 €/h – freiwillig gezahlt.
Das zeigt doch ganz klar: Wer wirklich will, kann auch fair bezahlen.

Der Mindestlohn ist keine Bedrohung, sondern ein Mindestmaß an Anstand. Der angebliche Fachkräftemangel ist in Wahrheit ein Gerechtigkeitsmangel.

Lösung? Ganz einfach:

1. Ordentlichen Lohn für alle, die arbeiten – oder
2. Steuern & Abgaben runter, damit am Monatsende auch was übrig bleibt.

Aber immer nur auf dem Rücken der Fahrer zu sparen, untergräbt die Menschenwürde. Das ist keine soziale Marktwirtschaft – das ist organisierte Ausbeutung mit staatlichem Siegel.

Und Herr Prof. Dr. Engelhardt? Wer wirklich etwas für seine Unternehmen tun will, sollte nicht gegen den Mindestlohn argumentieren, sondern ehrlich sein: Macht aus Prämien ein echtes Grundgehalt.
Hört auf, zu jammern – fangt an, Verantwortung zu übernehmen.

Die einzig wirkliche Lösung: Ein Europaweit gültiger, gesetzlich bindender Mindestfrachtpreis – ohne Ausnahmen.

Ein blauer Volvo Lkw aus Kroatien steht auf einem Parkplatz. Auch für diese Fahrer sollte es einen Europaweit gültiger, gesetzlich bindender Mindestlohn geben.

Wer systematisch dagegen verstößt: Lizenzentzug und Haftung mit dem Privatvermögen.
Denn wer Menschen ausbeutet, sollte nicht nur wirtschaftlich belangt werden, sondern auch moralisch und rechtlich. Denn derjenige hat das Recht am freien Markt teilzunehmen, verwirkt.

6 Kommentare

  1. Erfurter 16/07/2025

    Das klingt alles sehr gut. Mindestlohn löst aber auch nicht die eigentlichen Probleme, die hier immer wieder eindrucksvoll dargestellt werden. Es ist doch so, dass durch einen höheren Mindstlohn (den ich eigentlich immer noch zu niedrig finde) sämtliche Dienstleistungen und damit unser aller Leben auch wieder teurer werden. Im Ergebnis werden auch die sog. „Lohnersatzleistungen“ (also Bürgergeld und co.) nach oben angepasst, so dass der Abstand zwischen Arbeitslohn und „Nichtstun“ wieder so klein wird, dass viele lieber nicht arbeiten wollen. Und in diese Nische stoßen diejenigen, die für noch viel weniger Geld für windige Speditionen und mit teilweise abenteuerlichen LKWs auf unseren Straßen unterwegs sind. Europaweiter Mindestfrachtpreis könnte ein guter Ansatz sein um aus dieser Spirale rauszukommen. Entschuldigung, habe jetzt viel zu viel geschrieben.

    • maik 19/07/2025

      Nee, Du hast nicht zu viel geschrieben. Alles gut, der Speicherplatz hier ist theoretisch unbegrenzt 🙂

      Aber zum Thema: Mindestlöhne verhindern die arbeitgeberseitige Ausbeutung von staatlichen Unterstützungsleistungen. Denn es kann nicht sein, dass der Staat einen Teil von Löhnen zahlen muss, damit Arbeitnehmer überhaupt das Existenzminimum erreichen können.
      Denn wie viele Sozialausgaben könnte man sparen, wenn kein 40h Arbeitender auf staatliche Aufstockung angewiesen wäre, sondern von seinem Arbeitgeber auskömmlich entlohnt werden würde?

      War es nicht unser Kanzler, der sagte „Leistung muss sich wieder lohnen“? Komisch, nur will niemand diese Leistung bezahlen. Ein Lohn für volle Arbeit, der nicht einmal das Existenzminimum erbringt, sollte in Deutschland überhaupt nicht existieren.
      Denn mal ehrlich, wer von denen die jetzt mehr verdienen als 15 Euro, würde denn überhaupt für 15 Euro die Stunde arbeiten? Und dazu körperlich oft schwer.

      Man sollte nicht über den Mindestlohn diskutieren. Nee, sondern eher darüber, in welchem Umfang welche Vermögen/Einkommen an der Finanzierung der Gemeinschaft zu beteiligen sind, einschließlich Steueroptimierung etc. Aber das will ja niemand, besonders nicht die zehn Prozent wirklich Wohlhabenden.

      • Friedrich 20/07/2025

        Guter Kommentar, auf den Punkt gebracht.

    • Gast 21/07/2025

      Hallo Erfurter,

      mit dem Arbeitenwollen ist es so eine Sache. Bei ca. 3 Mio Arbeitslosen und ca. 0,6 Mio offenen Stellen (BA-Zahlen Juni 2025) gibt es rechnerisch einen Arbeitskräfteüberschuss von 2,4 Mio, oder anders gesagt: Auf 5 Arbeitslose kommt nur 1 offene Stelle.

      Nur auf den ersten Blick erscheint es dabei paradox, wenn gleichzeitig z. B. im Transportgewerbe Arbeitskräftemangel herrscht. Denn die meisten Arbeitslosen werden aus unterschiedlichen Gründen den Beruf des Kraftfahrers gar nicht ausüben können, und diejenigen, die den Job machen könn(t)en, sind nicht selten in der komfortablen Lage, bei Bedarf auch einen anderen Job zu besseren Bedingungen zu finden.

      Zum Mindestlohn: Der mag sich auf die Preise auswirken, aber vergleichsweise gering. Denn die Lohnkosten sind nur ein Teil der Gesamtkosten eines Produktes, und von den Lohnempfängern sind wiederum nur ca. 25 % vom Mindestlohn betroffen. Wenn also der Mindestlohn z. B. um 10 % steigt, folgt daraus rechnerisch keine allgemeine Preissteigerung um 10 %; die wird eher im unteren einstelligen Prozentbereich liegen. Aber auch das Geld ist volkswirtschaftlich gesehen nicht „weg“, sondern im Gegenteil eine kleine Konjunkturspritze: Da die unteren Lohngruppen in der Regel einen privaten Investitions- bzw. Konsumstau haben (altes Auto, alte Möbel, schon länger kein Urlaub usw.), erzeugen Mindestlohnerhöhungen praktisch in voller Höhe zusätzliche Binnennachfrage, während Erhöhungen in den oberen Lohngruppen eher keine zusätzliche Nachfrage erzeugen, sondern gespart werden.

      Was den Abstand zwischen Lohn und Lohnersatzleistungen betrifft: Wenn Löhne sich am oder unterm Existenzminimum bewegen, wird es schwer, durch noch geringere Ersatzleistungen überhaupt einen Abstand herzustellen. Bestes Beispiel sind die „Aufstocker“: Da legt der Staat sogar noch was drauf, weil der Lohn nicht zum Leben reicht – da ist man finanziell also trotz Arbeit schon so weit unten, dass man auch bei Jobverlust nicht mehr tiefer sinken kann. Ein spürbarer Abstand lässt sich dagegen am besten durch einen guten Lohn herstellen. Wer z. B. als Single 4000-5000 € brutto verdient, wird in aller Regel mit Bürgergeld/Grundsicherung wesentlich schlechter dastehen; selbst das einkommensabhängige Arbeitslosengeld ist da mit deutlichen finanziellen Einbußen verbunden.

      Zum Mindestfrachtpreis: Der hätte den Vorteil, dass die Konkurrenz nicht mehr über den Preis laufen würde, denn der wäre ja überall recht ähnlich. Jedenfalls dann, wenn er oberhalb der Selbstkosten liegen würde – Beispiel: ein Mindestpreis von 0,10 €/km bringt nichts, weil für den Betrag sowieso niemand fahren kann. Aber angenommen, eine Firma bekommt einen sehr guten Mindestpreis für ihre Dienste – was nützt das den Mitarbeitern, wenn für die kein Mindestlohn gilt? Eine gewinnorientierte Firma kann noch mehr Gewinn machen, wenn sie den Mitarbeitern weniger zahlen muss.

      Insofern: Aus meiner Sicht löst ein vernünftiger Mindestlohn (also einer, mit dem ein Vollzeitarbeitnehmer nicht arm ist) ziemlich viele Probleme, ohne nennenswert andere zu verursachen.

      Nun habe ich noch mehr geschrieben (nachdem ich gelesen habe, dass der Speicherplatz nicht knapp ist)

  2. Peter Lohren 19/07/2025

    Was wir brauchen ist eine verbindliche Vergabe nur an Betriebe, die tarifgebunden sind. Nicht nur für das Frachtgewerbe, sondern für alle. Betriebe, die nur Mindestlohn und unter Tarif bezahlen, da sollte sich zumindest öffentliche Auftraggeber nicht dran beteiligen. Wertschätzung beginnt da, wo ordentliche Löhne und Gehälter nach Tarif, Weihnachts- und Urlaubsgeld bezahlt werden. Prekäre Arbeitsverhältnisse haben meiner Ansicht nach in einem der reichsten Länder der Welt nichts zu suchen.

    • Friedrich 20/07/2025

      Mit der Tarifbindung wird es schon schwierig. Denn ich schätze mal, dass zwei Drittel aller Transportunternehmen tariflich nicht gebunden sind. Da wird das Gehalt, zum größten Teil Festgehalt, zwischen Chef und Fahrer ausdiskutiert. Meist gewinnt noch immer der Chef, denn ein bissel aufgemotzter Lkw zieht mehr, als ein paar hundert Euro mehr im Monat. Dazu kommt ein oftmals niedriger Bruttolohn, der mit Prämien aufgestockt wird. Spätestens in Monaten mit Urlaub oder krank, kommt dann das erwachen. Von der Rente später schweigt man besser.

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