Seit etwas mehr als einem Jahr ist Volkmar ein Kollege. Mein Chef brauchte wohl einen neuen Fahrer, der auch nach Italien fährt. Also bereit ist, fünf oder sechs Tage die Woche im Lkw zu kampieren. Und da bot er sich gerade an.
Ich habe wenig Kontakt zu ihm. Manchmal sieht man sich unterwegs. Dann wechseln wir einige Sätze miteinander. Nichts tiefer gehendes. Also nur oberflächliches. Small Talk nennt man das wohl heutzutage. Wer was wo geladen hat, wo wer hin muss.
Mehr eigentlich nie. Das liegt wohl auch am fehlenden Vertrauen zueinander. Nicht nur zu ihm, sondern generell. Denn oft genug landen Fetzen von Gesprächen da, wo sie nicht hin sollen. Also bei der Disposition oder beim Arbeitgeber. Oftmals nicht bewußt. Lkw-Fahrer sind viel allein. Das bringt der Job so mit sich.
Hat man dann jemanden, dem man seine Geschichten erzählen kann, wird die Stimme lauter und das Hirn setzt aus. Die Worte sprudeln dann nur so aus einem heraus.
Besonders in Autohöfen ist dieses Phänomen gut zu beobachten. Stammtische gibt es da kaum noch. Das Geschehen spielt sich deshalb an der Theke ab. Dort stehen oder sitzen heutzutage die gesprächigen Kollegen. Manchmal kann einem die Bedienung die diesen Bereich bewirtschaftet, schon leid tun. Aber die hat es sich ja ausgesucht.
Nun aber zurück zu Volkmar. Ihm macht der Job Spass. Zumindest habe ich diesen Eindruck. Er lässt sich nicht hetzen, putzt bei jeder Pause die Felgen seines Lkw und ist auch sonst ein reinlicher Mensch. In den seltenen und unerwarteten Momenten in denen wir uns mal sehen, habe ich ihn noch nie unrasiert oder sonst irgendwie gammelig erlebt. Er ist also quasi ein Vorzeigetrucker. So wie es sein sollte.
Vor einigen Monaten brachte er seinen Sohn in die Firma. Das ist bei uns nichts ungewöhnliches. Da arbeiten Brüder und auch Ehepartner zusammen. Nun also auch Sohn und Vater. Also eine Art Familienunternehmen. Zumindest auf Arbeitnehmerseite.
Aber zurück zum Thema. Das Kind, ich nenne ihn mal Sven, kann man als Fahrernachwuchs bezeichnen. Er ist – glaube ich – Mitte zwanzig. Gehört also zu einer aussterbenden Art. Denn viele gibt es nicht mehr von denen.
Viele in diesem Alter wollen geregelte, gutbezahlte Arbeitsplätze. Also von 8 bis 17 Uhr und danach Zeit für private Interessen. Sprich Familie, Freundin, Hobbys und Freunde. Ist ja auch verständlich. Branchenverbände nennen das Nachwuchsmangel. Nur tun die wenig dagegen. Aber das soll hier nicht das Thema sein.
Sven ist aber anders. Er ist vom Virus Lkw infiziert. Er bastelt gerne und hat auch Ahnung davon. Ja, dass muss ich zugeben. Letztes Jahr half er mir, eine Standklima auf das Dach der Zugmaschine zu installieren, die ich fahre. Ja, so etwas kann er.
Nach einigen Wochen im Betrieb stellte ihm mein und auch sein Arbeitgeber einen nagelneuen Sattelzug hin. An dem schraubt und bastelt er nun sprichwörtlich Tag und Nacht rum. Das Innenleben besteht aus Leder, die Karosse wurde mit zig Lämpchen verziert. Der Baumann aus Münster hätte seine helle Freude daran.
Irgendwann nimmt der ein Schweißgerät und aus der Karre wird ein Longliner. Zuzutrauen wäre es ihm.