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Gastbeitrag: Ein System der Angst

Deutsch­land­weit und in ganz Europa steht die Transportbran­che mit dem Rücken zur Wand, und das nicht ohne Grund. Billigstar­bei­ter aus Ost­eu­ro­pa und Asien sind in in den Fahrerhäusern der Fernlaster längst keine Seltenheit mehr. Ihre Ar­beits­be­din­gun­gen und Löhne sind mi­se­ra­bel.

So auch in den Betrieben der Globalplayer und Großlogistiker: Die Firmen geben große Teile des Be­trie­bes in die Hände von Sub­un­ter­neh­mern, womit diese selbst nicht mehr die Ver­ant­wor­tung für die dort Be­schäf­tig­ten trägt. Die Ar­beits­be­din­gun­gen in die­sen Sub­un­ter­neh­men sind ver­hee­rend: 10-18 Stun­den-Schich­ten, mi­ni­ma­le Löhne, keine Ar­beits­ver­trä­ge und Kran­ken­ver­si­che­run­gen, man­gel­nde Schutz­klei­dung, völ­li­ge Iso­la­ti­on von der Au­ßen­welt.

Täg­li­cher sozialer- und Arbeitsdruck der Be­trof­fe­nen schaf­fen ein Sys­tem der Angst, aus dem sie sich meist selbst nicht mehr be­frei­en kön­nen. Der Gang zu einer Behörde oder zum Arzt wird schlichtweg un­ter­sagt, indem die Betroffenen gar nicht erst in die Nähe Ihres Lebensmittelpunktes disponiert werden. Eine soziale Ver­bin­dung zur „Au­ßen­welt“ und zur eigenen Familie wird somit nahezu un­mög­lich gemacht.

Wer Pro­ble­me hat oder macht, wird ein­fach in einer Nacht- und Ne­bel­ak­ti­on gefeuert und in einem fremden Land oftmals allein gelassen. Dies schafft Angst und lähmt den Menschen sich für seine Rechte einzusetzen. Solidarisiert Euch und ihr werdet merken: „Solidarisierung wirkt wie eine Waffe!“

Un­mensch­li­che Sozialver­hält­nis­se

Nicht nur die Ar­beits­be­din­gun­gen, auch die Wohn­ver­hält­nis­se der Fahrer sind men­schen­un­wür­dig. Das Fahrerhaus eines LKW scheint hier noch luxuriös im Vergleich zu den kleinen Spatzennestern auf den Dächern der Heerscharen von Kurier und Sprinterfahrzeugen. Es gibt bis heute keine Anzeichen für eine Verbesserung seitens der EU zu den Missver­hält­nis­sen.

Soziale Isolation und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, da sind Kon­flik­te ab­seh­bar und vor­pro­gram­miert. Ebenso kann man hier klar von verkehrssicherheitsbedenklichen Zuständen sprechen.

Aus­blei­ben­de Harmonisierung

Der LKW ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden, so das seine lebenswichtige Bedeutung und die enorme Wichtigkeit im EU-Binnenmarkt – auch von den Verantwortlichen der Politik – im gerechten Wettbewerb, nicht mehr bewusst registriert wird. Ganz bewusst ist er von der verladenden Wirtschaft bzw. Industrie auf einen leistungsbezogenen und gewinnorientierten Bedarf ausgelegt und gefördert worden.
Nur den LKW-Fahrer, der als Fernfahrer ständig in ganz Europa unterwegs ist, hat man dabei bisher vergessen.

Stau auf Autobahn

Wei­ter­hin pre­kä­re Ar­beits­ver­hält­nis­se

Arbeitsplätze, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sagte, damit werde sich entscheiden, welchen Platz Europa in der Welt einnehme.
Damit ist aber doch klar erwiesen, dass das Soziale und Gerechte in der EU, wie das ab 1961 eigentlich gültige Koalitions- oder Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen, einen unbedeutenden Platz in der Agenda vom „Rat“ einnimmt, denn auch die 1996 revidierte Fassung der Europäischen Sozialcharta (ESC), wurde zwar u.a. von Deutschland unterzeichnet, aber nicht ratifiziert,

Das, obwohl es Bestanteil der GrundrechtCharta (GrCh) ist. Genau hier bröckelt die Glaubwürdigkeit der deutschen und der EU-Politik, da immer nur die globale Wirtschaft in den Vordergrund gestellt wird.
Ursprünglich sollten die arbeitsrechtlichen Vorschriften der EU verhindern, dass es durch die Schaffung des EU-Binnenmarktes eine Verschlechterung der Arbeitsnormen gibt oder den Wettbewerb verzerrt…

Au­ßer­dem wurde uns be­rich­tet, dass noch immer viel zu lange Schich­ten ohne jegliche Kontrollen und Sanktionen gemacht wer­den und dass wei­ter­hin du­bio­se Leihverträge und Verbringung der Fahrer quer durch Europa mit Reisbussen Normalität ist.

Un­se­re For­de­run­gen

-Wir for­den, dass die Arbeitsbe­din­gun­gen ra­di­kal ver­bes­sert wer­den – Arbeit muss men­schen­wür­dig sein.

-Wir for­dern eine un­ver­züg­li­che Harmonisierung des EU weiten Wettbewerbs. Au­ßer­dem for­dern wir eine nach­voll­zieh­ba­re Maut und Steuerabgaben in den je­wei­li­gen Län­dern.

-Wir for­dern die 28 Regierungen der EU und das Brüsseler Parlament auf, die Aus­beu­tung der ost- und südost­eu­ro­päi­schen Men­schen, die in ihrer oftmals aussichtlosen Lage erpressbar sind, zu be­en­den und sie zu­kün­fitg mit fes­ten Ar­beits­ver­trä­gen mit ta­rif­li­cher und so­zia­ler Ab­si­che­rung nach hier gül­ti­gem Ar­beits­recht zu be­schäf­ti­gen.
Ein 3-Klas­sen-Sys­tem innerhalb Europas aus Fest­an­ge­stell­ten, Lei­h­ar­bei­ter und Werk­ver­trags­be­schäf­tig­ten ist nicht länger zu to­le­rie­ren.

Hier stehen viele tausend einstmals gut bezahlte und gesellschaftlich geachtete Arbeitsplätze in der Transport- und Logistikbranche auf dem Spiel. Wir alle zusammen sind nicht nur die Versorger der Nation, sondern Menschen und Bürger mit Ängsten und Nöten, die eine gewaltige demokratische Macht darstellen könnten.

Mit der Actie in de Transport Germany machen wir auf Missstände und Gefahren aufmerksam – auch, indem wir sie sehr deutlich beim Namen nennen. Aber nur wir gemeinsam können wieder mehr Einfluss auf unsere Volksvertreter und ihre Entscheidungen bekommen. Tragt Eure Wut, Euren Zorn und Euren Frust gemeinsam auf die Straße. Vergrabt euch nicht in euren kuscheligen multimedialen Wohnhöhlen, denn dort werdet ihr nicht gesehen und nicht gehört. Oder macht es euch Freude permanent fremdbestimmt zu werden? Wir müssen jetzt Flagge zeigen, sonst sind wir bald auch dieses Rechtes beraubt.

Udo Skoppeck

1. Vorsitzender A.i.d.t. e.V.

V.i.S.d.P. Actie in de Transport Germany

www.a-i-d-t.de

5 Comments

  1. Hajo
    Hajo 07/09/2017

    ein guter Artikel, die Forderungen richten sich aber an die Falschen: nicht die Politik entscheidet, sondern die Wirtschaft
    .. und, wenn wir ehrlich sind, sind es auch wir alle (Stichwort „Geiz ist geil“) 🙁

    • maik
      maik 07/09/2017

      Die Wirtschaft wird ja auch angesprochen. Aber die für uns wichtigen Entscheidungen werden in Brüssel beschlossen. Von daher passt das schon.

  2. Hajo
    Hajo 07/09/2017

    Nachtrag: es gibt viele Menschen, die einen Schaden im Ellbogengelenk haben: der ausgestreckte Zeigefinger weist immer nur nach vorn, statt auf die eigene Nase

  3. Hajo
    Hajo 08/09/2017

    Lieber Maik, da die Wirtschaft die Politik massiv beeinflusst, halte ich meinen Einwuf für berechtigt: Du kennst doch den Spruch mit Schmitt und Schmittchen (gern auch mit „dt“) 😉
    Ich wünsch Dir schon mal ein schönes Wochende (zu Hause?)
    Grüsse
    Hajo

  4. Manou
    Manou 09/09/2017

    Interessanter Artikel, aber danke, dass du ihn hier auf der Startseite gekürzt hast. Diese Weiterleitung bei langen Texten per klick finde ich besser 😉

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