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Geld vernebelt den Verstand

Seit einigen Wochen ist es Lkw-Fahrern auch in Deutschland untersagt, ihre regelmäßige Wochenruhezeit im Lkw zu verbringen. Stattdessen muss diese Zeit in einer geeigneten Unterkunft verbracht werden.
Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Fahrer wochen- oder monatelang quasi als Nomaden in ihren Lastern hausen. Auch sollen Unternehmer gezwungen werden, ihre Angestellten regelmäßig nach Hause zu holen.

Ich finde, dass ist eine gute Sache. Und auch längst überfällig.

Niemand will Osteuropäer vertreiben

Nicht so Jochen Eschborn. Er ist Vorstand des Europäischen Ladungsverbundes Internationaler Spediteure (Elvis). In einem Interview mit der „Verkehrsrundschau sagt er unter anderem folgendes:

Das Gesetz ist quasi eine Maßnahme, um die Osteuropäer zu vertreiben.
Dabei werde aber übersehen, dass das deutsche Transportgewerbe diese Frachtführer braucht, weil sie zu günstigeren Konditionen fahren können

Das ist Quark. Keiner, der für dieses Gesetz ist, will Osteuropäer vertreiben. Im Gegenteil.

Wer wochen- oder monatelang unterwegs ist, verliert nicht nur seine sozialen Bindungen in die Heimat. Nein, der vereinsamt und verbittert. Herr Eschborn sollte mal unter diesen Bedingungen arbeiten. In einem Lkw kann man kaum entspannen. Nach einem Wochenende im Laster ist man eine Gefahrenquelle.

Überleben wie?

Auch kann ich nach dieser Aussage nicht verstehen, wie die deutsche Transportwirtschaft all die Jahre ohne osteuropäische Hilfe überleben konnte?
Vielleicht dadurch, dass die Lenk- und Ruhezeiten lockerer gehandhabt wurden? Nein, wer seine Arbeit in zehn oder zwölf Stunden nicht bewältigt, schafft die auch in sechzehn oder achtzehn Stunden nicht.

Oder viele Fahrer relativ gut verdienten? Also im Gegensatz zu heute? Vielleicht eine Ursache für den derzeitigen Fahrermangel, unter denen deutsche Firmen leiden. Aber daraus herzuleiten, dass ohne Osteuropäer alles zusammenbricht, ist schon mutig. Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass diese Schwemme aus Osteuropa an der derzeitigen schwierigen Situation des deutschen Transportgewerbes mit dafür verantwortlich ist.

Fairness wird ein Fremdwort

Auch einem Unternehmer sollte daran gelegen sein, seine Fahrer – und natürlich auch die seiner Kooperationspartner – zumindest einigermassen zufrieden zu sehen. Das gebietet nicht nur seine Fürsorgepflicht, sondern auch ein zumindest kleines Maß an Fairness. Wenn beides endgültig verloren geht, dann ist die deutsche Transportwirtschaft wirklich nicht mehr zu retten.

Aber Geld regiert halt die Welt, vernebelt aber den Verstand. Und Elvis ist eh tot.

5 Comments

  1. Andreas
    Andreas 28/06/2017

    Wenn ich so sehe, was bei meinem neuen Arbeitgeber so alles unsere Produkte abholt, dann bin ich immer froh, wenn die Spedition aus der Gegend wenigstens die Routen ins deutschsprachige Ausland übernimmt. Schenker & Co schicken einem ja nur Fahrer vorbei, mit denen du dich nicht einmal gebrochen auf Englisch über die wichtigen Dinge unterhalten kannst. Wann immer möglich kommt deshalb bei uns die lokale Spedition zum Zug, die uns noch dazu bei der Zollanmeldung von normalen Paketen ins Ausland unterstützen.
    Einzige Ausnahme bei den ganzen Paketdiensten sind die Jungs und Mädels mit den braunen Fahrzeugen. Mit keinem deren Angestellten hatte ich in den letzten 20 Jahren je ein Problem. Aber das würde jetzt unter diesem Artikel zu weit führen. 😉

    Von daher: Gruß aus der Thüringer Rhön nach MHL. Drücke dir die Daumen, dass du es dieses WE ins Reich der „Pflaumenblüten-Königin“ schaffst. 🙂

  2. Chris
    Chris 30/06/2017

    Die Antwort hat sich dieser Bonze doch schon selbst gegeben: „weil sie zu günstigeren Konditionen fahren können!“ Geiz ist Geil, mir kommt es hoch wenn ich so Aussagen von irgendwelchen Vorständen lese. Sich selbst ein dickes fettes Gehalt plus Boni usw einstreichen aber anderen den Dreck nicht unter den Fingernägeln gönnen.
    @Andreas. Der Absender und Empfänger hat ein sehr einfaches aber wirkungsvolles Mittel zur Hand. Hausverbot erteilen wenn die kein Wort verstehen. Das gebietet schon der Sicherheitsgedanke in den Firmen! In NL gehen Firmen dazu schon über, Kurwa Kollega Problem nicht abzufertigen wenn die sich nicht artulieren können in Englisch oder Deutsch oder Niederländisch.

  3. Gast
    Gast 02/07/2017

    „In NL gehen Firmen dazu schon über, Kurwa Kollega Problem nicht abzufertigen wenn die sich nicht artulieren können in Englisch oder Deutsch oder Niederländisch.“

    Flächendeckendes Vorgehen dieser Art würde den internationalen Aktionsradius vieler deutscher Kraftfahrer allerdings ebenfalls stark einschränken.

    • maik
      maik 05/07/2017

      Allzuviele deutsche Kraftfahrer fahren nicht mehr international. Von daher würde das Einschränken dieses Aktionsradius überschaubar bleiben.

  4. Chris
    Chris 05/07/2017

    Ich sehe gerade das ich „artikulieren“ prompt falsch geschrieben habe…. Asche auf mein Haupt:-)

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