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Mehr Glück als Verstand

Noch fix einen Lkw überholen und dann einfach rechts rüber ziehen, um die gewünschte Ausfahrt noch zu erwischen. So etwas erlebe ich jeden Tag. Mehrmals. Und ich habe das Gefühl, diese Unsitte nimmt immer weiter zu.

Warum eigentlich? Was bringen einem diese fünf oder zehn Sekunden. Die man an der nächsten Ampel eh wieder verliert. Die Frau mit dem Ford in dem Video wird sich das vielleicht Ihr restliches Leben lang fragen. Fahren unter Zeitdruck, den man sich oftmals selbst macht. Das schlimme dabei? Kracht es, leiden der oder die Schuldigen nicht nur allein darunter.

Ein Abend im November 1996. Es schneite seit dem Nachmittag. Ich war auf der A 7 Richtung Dänemark unterwegs. Hinter Mellendorf wurde die Autobahn dreispurig. Die beiden rechten Spuren waren nass, aber schneefrei. Die linke Fahrbahn dagegen mit Schnee bedeckt.
Ich zog auf die mittlere Spur, überholte einen anderen Lkw. Links zog ein Golf an mir vorbei, kam vielleicht fünfzig, sechzig Meter vor mir ins schleudern. Das Auto knallte gegen die Mittelleitplanke und von dort zurück auf meine Fahrspur.

Bremsen brachte nicht viel. Mit knapp siebzig Sachen fuhr ich in die rechte Seite des Pkw. Durch den Aufprall schleuderte der weiter in die rechte Leitplanke. Als ich stand, stieg ich aus und trat erst einmal ins leere. Vom Lkw – einem Iveco Turbostar – war unterhalb des Kühlergrills nichts mehr da.
Ich selber war unverletzt. Zumindest äußerlich.

Den Golf musste ich erst einmal suchen. Es war dunkel und ich hatte die Orientierung verloren. Ein Arzt sagte mir später, das wäre eine Auswirkung vom Schock. Der andere Lkw-Fahrer und ein weiterer kümmerten sich um mich. Einer reichte mir sogar einen Becher mit Tee. Keine Ahnung, wo der den her hatte.
Notarzt, Polizei und Feuerwehr waren eigentlich schnell da. Das Auto wurde auseinander genommen, die Frau befreit. Sie war gerade mal neunzehn. Mehr weiß ich nicht von ihr.

Mir machte der Unfall einige Zeit zu schaffen. Fragen kamen auf, ob man nicht doch was falsch gemacht hat. Oder anders hätte reagieren können. Selbst das Schreiben der Staatsanwaltschaft, in dem mir die Einstellung des Verfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr mitgeteilt wurde, half da nicht unbedingt.

Das Schicksal schlägt jeden Tag so unbarmherzig zu und tut es immer und immer wieder. Auch die Frau aus dem Video hat es überlebt. Und vielen anderen, die meinen sie seien unsterblich, passiert nicht mal etwas. Das hat aber nur etwas mit Glück zu tun. Nicht mit Verstand.


YouTube – Direktlink

Bericht vom Unfall

13 Comments

  1. Chris
    Chris 17/10/2014

    Heftig, sehr heftig! Schwebt in Lebensgefahr, wer weiß was das für Spätfolgen hat…
    Dienstag A14 von Wismar in Richtung Süden überholt mich ein PKW, dem Kennzeichen nach aus der Region. Als er fast an mir vorbei ist, macht er eine Vollbremsung weil er die Abfahrt rechts neben mir benutzen wollte! Kein Tempolimit dort und die zwei hinter ihm fahrenden PKW´s hat wohl nur das pure Glück und deren Oberklasselimousinen gerettet. Natürlich mußte der Verrückte dann im Schrittempo von der linken Spur über die rechte in die Ausfahrt. Das hätte Tote geben können!
    Wer zum Geier gibt so Leuten eine Fahrerlaubnis? Sind denn wirklich fast nur noch irre unterwegs?
    Aber uns wie Verbrecher behandeln wenn wir vor 20 Tagen eine Stunde zu viel gefahren sind! Ich könnte nur noch kotzen in dieser Bananenrepublik!

  2. deidaw
    deidaw 17/10/2014

    Ich bin kein LKW-Fahrer. Ich habe nur einen PKW. Und viele Idioten machen das auch, wenn ich mit 130 an einer Ausfahrt vorbei fahre. Auf meiner Spur rankommen, Überholen, direkt vor mir rein und gleich auf den Verzögerungsstreifen. Manchmal blinken sie dabei sogar.
    Ich komme berufsbedingt regelmäßig am Gambacher Kreuz vorbei – die Abzweigung von der A45 auf die A5 Richtung Frankfurt. Man ist nicht Auto gefahren, wenn man nicht gesehen hat, wie ein Affe von der linken Spur direkt an der Gabelung vorbei auf die A5 abfährt. Muß ich inzwischen ein Dutzend Male gesehen haben. Und die Abfahrt hat schon einen langen Verzögerungsstreifen und einen zweiten, „kurzen“ Abfahrtssstreifen.Die ortsfremden Spezialisten brettern dann auch gleich auf den rechten Abfahrtsstreifen.
    Das bringt alles zeittechnisch exakt nix, und bei meinem Nissan sehen sie wohl einen liegengebliebenen LKW.
    Aber ich denke, es zeigt, das es nichts mit Vorankommen zu tun hat, sondern mit einem Defekt im Hirn.
    „Die Deutschen fahren nicht Auto um vorwärts zu kommen, die Deutschen fahren Auto, um recht zu haben.“ Leider vergessen, wers gesagt hat.
    Und ja, es hat in den letzten Jahren zugenommen. Zumindest bei mir.

  3. Al
    Al 18/10/2014

    Ich geb Dir sooo Recht, Maik. Ist mir auch schon oft passiert. Mit dem Motorrad bin ich meist rechts auf der Autobahn, weil ich einfach keinen Bock zum Rasen hab. Ehe man sich’s versieht, wird man von links geschnitten und dann sieht man nur noch rote Lichter ein, zwei Autolängen vor sich. Ich hasse das…

    Bloß gut, dass Du nen dicken Käfig um Dich rum hast 🙂

    Gute Fahrt und ein schönes WE!
    — Al

  4. Miki
    Miki 18/10/2014

    Die Frau hat überlebt…ist das sicher… und vor allem: wie? Natürlich blöd, was sie gemacht hat, aber trotzdem kommt mir der Gedanke „geschieht ihr recht“ nicht. Du liebe Güte, ich will demnächst als Außendienstlerin meinen Aktionsradius sehr erweitern, ich hoffe, dass nicht so viele Idioten unterwegs sind….

  5. maik
    maik 19/10/2014

    @Miki,

    geschieht Ihr recht, hat hier keiner geschrieben. Nur in einem sozialen Netzwerk.

    @Al: Der „dicke Käfig“ nutzt da oftmals auch nicht viel.
    Aber Leute wie Du auf zwei Rädern, sind natürlich viel mehr gefährdet.

    @deidaw: Dein Beispiel mit dem Gambacher Kreuz ist toll. Gerade da erlebe auch ich es immer wieder: Trotz langer Einfädelspur wird auf der A45 links geblieben, nur um die linke Abbiegespur zur A5 zu erwischen.

    Ähnliches passiert am Kirchheimer Dreieck. Da kommt noch hinzu, dass die Einfädelspur zur A4 Richtung Erfurt gleichzeitig die Beschleunigungsspur der Ausfahrt einer Raststätte ist.

    @Chris: Jep. Tägliche Erlebnisse.

  6. René
    René 19/10/2014

    Hallo,
    das Video machte ja di eganze Woche die runde im Netz!
    Ich erlebe es auch immer wieder das irgendwelche PKW Lenker meinen sie müssten noch kurz überholen.
    Nun ja, sollte sowas mir mal passieren dann würde ich die Person, sollte sie noch leben, am allerliebsten gleich selbst umbringen!
    Warscheinlich wird dies dann aber aufgrund des Schocks aber nicht möglich sein 🙁

  7. Blickableiter
    Blickableiter 19/10/2014

    Eine Mitfahrt in einem LKW und dieses Video als Lehrmaterial, sollten zur Grundvoraussetzung für den PKW Führerschein gemacht werden. Dann sollte das mit der gegenseitigen Rücksichtnahme auch wieder besser funktionieren. Aber auch, dass wir für 5 Sekunden gefühlte Zeitersparnis nicht mehr bereit sind, uns umzubringen.

  8. highwayfloh
    highwayfloh 19/10/2014

    Maik, gundsätzlich stimme ich Dir zu, aber das Video passt nicht ganz zu deinem Post, nirgendwo ist Schnee zu sehen etc.
    Sorry, wenn ich darauf hinweise.

  9. Fabian
    Fabian 20/10/2014

    Moin Highwayfloh, ich denke dasMaik die Folgen für die beschreiben wollte, die ohne Schuld in einen Unfall verwickelt wurden. Wenn es so ist denke ich,daß ist ihm gelungen ist.

    Viele Grüße, Fabian.

  10. topas
    topas 21/10/2014

    @maik: Ich kenne die Situation am Gambacher Dreieck nicht, aber von deiner Beschreibung sollte es ähnlich sein wie die Überfahrt von der A10 auf die A12 im Dreieck Spreeaue (Überführung zweispurig geführt) – meine Freitagabendstrecke als Wochenendheimfahrer.
    Und aus PKW-Sicht scheint es an der Stelle sinniger zu sein, sich eben zumindest in der mittleren Spur zu halten, um dann in die linke Spur der Überführung zu gelangen. Immer wieder hat man Autofahrer, die kurz vor dem Kreuz feststellen, dass sie ja abfahren wollen – und spontan erst mal auf 80km/h abbremsen, um in der LKW-Kolonne eine Lücke zu suchen. Bei erlaubten 120km/h (und gefahrenen 130) also mal eben um 50km in die Eisen geht. Führt bei den anderen Verkehrsteilnehmern zu Bremsmanövern, Ausweichen auf die linke Spur… Und wenn man sich selbst rechtzeitig einordnet ist es auch ein ungutes Gefühl – die LKW-Massen, die da langrollen fahren alle auf die A12 – und die kostet trotz „nur“ 50km im Schnitt ein Menschenleben im Monat, in der Regel durch LKW-Auffahrunfälle. Und wenn wegen dem oben beschriebenen „Reinquetscher“ dann alle LKW bis auf den hinter mit bremsen kann es unangenehme Folgen haben. Stattdessen scheint es mir (als PKW-Fahrer) sicherer und sinnvoller (und auch zügiger), wenn ich in der mittleren Spur mit 120 fahre, und dann, wenn alle LKW abfahren (99,x% fahren auf die A12) von der mittleren zunächst auf die rechte Fahrspur und danach auf die (relativ leere) linke Abbiegespur wechsle.
    Dass natürlich das Verhalten der Autofahrerin im Video nochmal ein anderes Kaliber ist und deutliche suizidale Züge trägt steht allerdings auf einem anderen Blatt.

  11. deidaw
    deidaw 21/10/2014

    @topas: Die A45 ist da halt nur zweispurig und zumindest im Berufsverkehr zu voll, um so zu fahren. Es ist aber im Grunde auch irrelevant. Es quetscht sich IMMER irgendeiner zwischen die LKWs und bremst sie aus. Die Leute scheinen manchmal wie in Panik noch auf die Abfahrtsspur zu wollen.
    Und das Problem ist halt, das die Idioten nicht nach Strategie fahren. Sondern teils ein, zwei Meter vor der Gabelung der Leitplanke abfahren. Meist ohne Vorwarnung. Entweder weil ortsfremd oder – wo ich das so vor mich hin schreibe und drüber nachdenke, vielleicht ist das die Strategie: sollen die Idioten rechts dahinter gefälligst aufpassen und bremsen… Also entweder weil ortsfremd oder weils halt Arschlöcher sind.

  12. highwayfloh
    highwayfloh 21/10/2014

    @maik:

    sorry, habs jetzt gemerkt, dass es ein anderes Video ist. Ich dachte ursprünglich, dass sich das von Dir verlinkte Video auf den von dir geschilderten Unfall bezieht. Also nichts für ungut.

  13. maik
    maik 23/10/2014

    @highwayfloh:

    Kein Problem 😉

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