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So viele Fragen

Auf „eurotransport.de“ las ich gestern ein Interview mit Christoph Schuchert. Der Mann ist Spediteur und Präsident des Landesverbandes Thüringen des Verkehrsgewerbes. In dieser Funktion ist er vehement gegen die Einführung eines Mindestlohnes. Wohlgemerkt: Der soll bei 8.50 Euro liegen. Das wären bei einer 40 Stunden Woche knapp 1 400 Euro. Brutto versteht sich.

Auf die Frage, warum eine selbst relativ moderate Bezahlung in Thüringen nicht darstellbar ist, antwortete Schuchert sinngemäß: „Wer eigene Fahrzeuge einsetzt, hat nicht die entsprechenden Renditen − zumindest nicht in Thüringen.“

Daraus lese ich, dass selbst ein Bruttolohn von 1 400 Euro für viele Transportunternehmen in Thüringen (angeblich) nicht machbar ist. Real gesehen, bleiben Verhandlungen über Lohnerhöhungen also Utopie. Zumindest in Thüringen. Was soll ein in Thüringen angestellter Fahrer also tun?
Stillsitzen und die Klappe halten? Oder auf die Lohnerhöhung bestehen? Auch wenn der Chef bei einem gezahlten Lohn von (mal angenommen) 1 700 Euro droht, die Firma dicht zu machen?

Interessant finde ich seine Beschreibung eines typisch thüringischen Fuhrunternehmens:

Das Gros der Transporteure setzt fünf bis zehn Fahrzeuge ein. Um die Verwaltung kümmert sich der Chef mit seiner Ehefrau, und wenn es brennt, setzt sich der Chef selbst ans Steuer. Da gelten andere Verhältnisse. Und diese Unternehmen müssen dann noch mit den polnischen Fuhrbetrieben konkurrieren, die ihren Fahrern vier Euro pro Stunde bezahlen.

Sieht es denn südlich oder westlich von Thüringen anders aus? Hmm. Also ich bin seit vielen Jahren in einer kleinen Firma in Mittelhessen angestellt. Auch mein Arbeitgeber kümmert sich alleine um die Verwaltung und fährt regelmäßig Tagestouren mit einem seiner Lkw – und Konkurrenz aus dem Osten hat der sicher auch. Trotzdem zahlt der mir wesentlich mehr Gehalt.
Warum geht das da und nicht im grünen Herz von Deutschland?

Ich verstehe dieses Interview auf keiner Ebene. Ich verstehe die Antworten von Schuchert nicht, ich verstehe nicht, warum der Fragesteller nicht kritischer nachgefragt hat. Das ist kein Flachs.
Erst dachte ich, das ganze wäre ein Aprilscherz. Gestern war ja der erste April. Aber nee, der Schuchert scheint es wirklich ernst zu meinen. In Thüringen gibt es viele Transportunternehmen, die Ihren Fahrern nicht einmal 1 360 Euro zahlen können oder wollen.

Hat der eigentlich schon mal für 8,50 die Stunde gearbeitet? Mit einer arbeitslosen Frau und 2 Kindern? Einer Frau, die kein HartzIV bekommt, weil die Familie insgesamt zu „viele“ Einkünfte hat? In Zeiten von steigenden Mieten, einer unbezahlbaren Energiewende, einem Auto, das jeden Pforz des TÜV erfüllen muss. Dazu Essen, Trinken, Nebenkosten, Kleidung und all den sonstigen kleinen Wünschen?

Was bleibt denn da noch groß über?

Kein Wunder, dass der Thüringer Nachwuchs das Land scharenweise verlässt. Aber immerhin wird das Arbeitsamt eines Tages diese Transportbuden nicht mehr mit billigen Arbeitnehmern versorgen können.

Interview mit Christoph Schuchert
Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes

7 Comments

  1. Schnullibubb
    Schnullibubb 02/04/2014

    Naja, wenn man sich die veröffentlichte Bilanz seines Unternehmens zum 31.12.12 anschaut, steht sein Unternehmen tatsächlich nicht besonders rosig dar.

    hohe Forderungen
    negatives Eigenkapital
    hohe Verbindlichkeiten

    Einzig ausreichend Cash ist an Sylvester vorhanden.

    Aber so Verbandsfunktionäre müssen doch immer jammern, sonst klappts halt nicht mit den eigenen Pfründen sichern

  2. Gelegenheitsleser
    Gelegenheitsleser 02/04/2014

    Warum es in Thüringen nicht geht? Weil es Ostdeutschland ist. Man sieht doch immer wieder schön, dass angemessene Löhne in Ostdeutschland politisch nicht gewollt sind.

  3. Emil
    Emil 02/04/2014

    Sehr gute Zusammenfassung. Danke.

  4. ohne worte
    ohne worte 04/04/2014

    Der videolink von schnullibub sollte standart werden, damit alle sehen, was in der transportbranche mittlerweile an der tagesordnung ist.

  5. Chris
    Chris 04/04/2014

    4 Monate unterwegs….Den Chef sollte man an die Wand stellen. Sorry aber was sind das für Drecksäcke? Ich kann verstehen wenn man eine sehr weite Tour hat (Mongolei z.B.) das man dann ein paar Wochen unterwegs ist aber 4 Monate?
    Und der Herr Schuchert ist doch auch nur so ein Dummbatz (meiner Meinung nach) der meint alle sind dumm nur er nicht! Der AMG muß ja bezahlt werden…
    Ich weiß schon warum ich nicht mehr in Deutschland arbeite. Mir fällt überings auf das viele der Topbonzen, wie Schuchert oder Kobernuss, die (Ironie an) besten Arbeitgeber sind (Ironie aus)!

  6. Ralf
    Ralf 06/04/2014

    Mir scheint es eher so, als wenn es ein Branchenproblem wäre. Also nicht Transportbranche, sondern Stückgutbranche. Hier im Ruhrgebiet habe ich mittlerweile auch etliche Angebote von 1.600€ gesehen. Wobei das dann das Mittelfeld darstellt. Es gab auch Angebote von 1.400€.
    Anders sieht es aus wenn man z.B. Schrott fährt. Wer da 1.900€ verdient, gilt schon als „Arme Sau“. Bei den TKW-Fahrern sieht es ähnlich aus. 1.900€ sind da lediglich Einstiegsgehälter.

    Man kann ja vieles auf die Osteuropäische Konkurrenz abwälzen. Aber die seit Jahren und Jahrzehnten bestehenden Überkapazitäteh nicht. Die sind zwar durch die Ostkonkurrenz noch verschärft worden, jedoch beschleunigt die Ostkonkurrenz lediglich den Prozess und hat ihn nicht zu verantworten.

    Warum es Unternehmen in der einen Region besser geht aks in der anderen? Wahrscheinlich weil die jeweiligen Regionen es den Unternehmern leichter machen als anderswo.
    Hessen und BaWü sind eigentlich dafür bekannt das sie Unternehmen sehr zuvorkommend behandeln. Da werden auch schon mal kurzerhand Straßen gebaut wenns 10 Arbeitplätze schafft/erhält. Anderswo würde man nicht mal nen Trampelpfad bekommen.

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