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Der Osten liegt nicht im Süden

So gut wie jede Woche bin ich auf einer der Nord/Süd-Routen durch die Alpen unterwegs. Selten über die Tauern, häufiger durch die Schweiz (Gotthard oder San Bernardino) und oft über den Brenner. Aber egal welche Strecke ich fahre, es bietet sich immer das gleiche Bild: Lkw mit osteuropäischen Nummern beherrschen mittlerweile das Straßenbild.
Als Deutscher auf einem in Deutschland zugelassenen Lkw bin ich dort in der Minderheit.

Ein Beispiel? Die letzte Nacht verbrachte ich auf einem Rasthof auf der österreichischen Seite der Brennerautobahn, kurz vor Nösslach. Dort habe ich mir mal die Kennzeichen der anderen Lkw angeschaut. Es waren ausnahmslos Tschechen, Slowaken, Rumänen und Polen. Ach ja, ein Ungar stand auch noch dazwischen. Italiener oder Österreicher? Fehlanzeige! Deutsche? Ja, einer. Nämlich ich.

Die naheliegendste Frage ist dabei eigentlich: Was haben die da zu suchen? Der Osten liegt schließlich im Osten und nicht im Norden oder Süden. Klingt primitiv? Vielleicht! Aber die Antwort ist ebenso naheliegend. Gegen die billige Übermacht osteuropäischer Speditionen sind westliche Transporteure meist Chancenlos. Es sei denn, diese bedienen sich und verdienen mit an den Billigfirmen aus dem Osten.
Auch da kann man gleich in Österreich bleiben. Viele Frächter aus dem Alpenstaat haben einen Großteil ihrer Flotte Richtung Osten verlagert. Der Kostendruck ist halt gewaltig und die Tarife sind unter aller Sau.

Das soll aber weder eine Entschuldigung für dieses Gebaren sein, noch eine Lösung. Denn die Leidtragenden sind letztlich die heimischen Fahrer. Viele wurden entlassen oder offene Stellen einfach nicht neu besetzt. In anderen Mittel- oder Westeuropäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden läuft es ähnlich ab.
Genau da ist die Politik gefordert. Eine Angleichung aller Systeme, dazu gleiche Wettbewerbschancen sind nötig. Anders funktioniert es nicht. Ansonsten werden in einigen Jahren einheimische Lkw-Fahrer Geschichte sein.

Vor einigen Monaten unterhielt ich mich an einer Ladestelle mit einem tschechischen Fahrer. Der erzählte mir, dass er sieben Wochen am Stück zwischen Deutschland und England pendelt. Also laden in Deutschland, entladen in England, dort wird der Lkw wieder beladen und dann geht es retour zurück nach Deutschland. Nach diesen sieben Wochen darf er für eine Woche nach Hause. Danach beginnt das ganze Spiel von vorne.
Was der dabei verdient, hat er mir auch genannt. Es waren umgerechnet so um die elfhundert Euro im Monat. Davon muss er neben seiner Familie auch sich selber ernähren. Wie das geht? Ich weis es nicht.

Angestellt war er bei einer tschechischen Spedition, die aber für einen großen deutschen Logistiker unterwegs ist. Das zeigt, wer da die eigentlichen Fäden im Hintergrund zieht. Zum einen große Industriebetriebe, die ihren kompletten Versand an Logistikunternehmen abgeben und zum anderen eben diese Logistiker. Gewinnmaximierung auf Teufel komm raus, heißt auch hier das Zauberwort. Der Leidtragende ist mal wieder der Mann ganz unten.

Auch hier wäre Wettbewerbsgleichheit angesagt. Vor allem im Bereich der Kabotage könnten diese Verfehlungen überprüft werden. Wird es aber nicht. Aus diesem Grund hat der Vorsitzende der Fahrergemeinschaft Actie in de Transport Germany, Udo Skoppek, sich mit einem offenen Brief an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), gewandt. In diesem Schreiben fordert er die Behörden auf, ihrer Kontrollpflicht nachzukommen.
So nennt er als Beispiel die massiven Marktstörungen, die durch das Geschäftsgebaren der ungarischen Spedition Waberer’s hervorgebracht werden. Über den Jahreswechsel standen über einhundert Lkw dieser Firma auf Autohöfen in Süddeutschland. Deren Fahrer wurden Anfang Januar mit Bussen wieder zu ihren Fahrzeugen gebracht. Hierzu müssten die Anreisezeiten der Fahrer im Tachografen nachgetragen werden. Nur wird das gerne mal vergessen.

So zweifelt Udo Skoppek daran, dass dies je kontrolliert wurde. Auch der Umstand, dass viele Fahrzeuge nach Ansicht der Actie dauerhaft in Deutschland liefen, werfe Fragen nach der Einhaltung der geltenden Kabotageregeln auf. Denn gewohnt wird dabei natürlich durchgehend im Fahrerhaus des Lkw – und genau das ist nach Artikel 8 Ziffer 8 der EU-Verordnung 561/2006 nicht zulässig.
Um die Einhaltung dieser Verordnung Druck zu verleihen, wurde eine Petition gestartet. Mit dieser will man eine Änderung der Bußgeldbestimmungen herbeiführen, damit die Behörden hier besser einschreiten können. Wichtig ist, dass damit nicht die Fahrer bestraft werden sollen. Das Bußgeld soll dabei nur dem Unternehmer gelten, da er in der Regel für diese Verstöße verantwortlich ist.

Nur irgendwie scheint das bei vielen deutschen Fahrern nicht anzukommen. Denn in den vergangenen drei Wochen wurde diese Petition gerade einmal 867 mal unterzeichnet. Den Grund dafür kenne ich nicht. Fix Anmelden und seine Stimme abgeben. Das ist eigentlich ganz einfach und tut nicht einmal weh. Und man kann es während einer Werbepause von der heimischen Couch aus machen. Aber lieber phantasiert man hierzulande von Autobahnblockaden, Generalstreiks und ähnlichen Quark. Schade das viele nicht kapieren wollen, dass man auch auf diesem Weg der Politik Druck machen kann.

Onlinepetition

Offener Brief von Udo Skoppek (pdf)
Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (pdf)
Actie in de Transport Deutschland
Bundesamt für Güterverkehr

11 Comments

  1. Ralf
    Ralf 08/02/2014

    Warum soll ich das unterschreiben? Nicht dass es mich nicht interessieren würde. Aber genauso gut kann ich sich auf einen PostIt unterschreiben und ihn im Klo eine spülen.

    Das ist EU-Recht das da geändert werden soll. Alleine schon der Versuch auf kommunaler Ebene politischen Einfluss ausüben ist schwer. Sehr schwer. Auf Bundesebene braucht es dazu schon eine starke Lobby. Auf EU-Ebene einen Industrieverband mit sehr viel Geld, Einfluss und viel, sehr sehr sehr viel Zeit.

    Jetzt spinnen wir mal rum und nehmen an das in Brüssel wirklich jemand willens ist da was zu ändern. Änderungen am EU-Recht brauchen Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, um umgesetzt zu werden.

    Es gibt zig Petitionen gegen die Rundfunkgebühren, keine von denen hat je Wirkung gezeigt. Und das ist noch mal ein, zwei Etagen tiefer. Selbst klagen vor dem Bundesverfassungsgericht waren aussichtslos. Die aktuellen klagen (z.B. von Sixt) laufen schon seit mehr als ein Jahr und werden so schnell sich nicht entschieden.

    Jetzt kommt die Actie und glaubt allen ernstes das eine Petition mit 10.000 Unterschriften irgendwas ändern könnte? Vertane Zeit, verschwendete Energie.

    Ändern könnte man nur dann etwas, wenn die Transportbranche als große internationale Lobby in Brüssel auftreten würde. Derzeit sind die aber kaum als regionaler Verband unter einen Hut zu bekommen. Vor allem die großen Firmen haben keinerlei Interesse etwas zu ändern. Ganz im Gegenteil, die derzeitige Situation ist das Resultat ihrer Lobbyarbeit. Oder glaubst du ernsthaft das etwa ein Waberers sich für mehr Rechte für die Fahrer in Brüssel stark machen würde? Oder ein Dachser? Schenker? DHL?

  2. maik
    maik 08/02/2014

    Hier geht es doch nicht um die Veränderung dieser Verordnung. Die ist ja schon da und so wie die verfasst ist, ist die auch gut. Nein, es geht darum, dass deren Einhaltung in Deutschland nicht kontrolliert wird. Also das wie in dem von mir geschilderten Fall, Fahrer wochenlang im Lkw hausen müssen und keinen interessierts.

    Genau dadurch erlangen auch die von Dir genannten Firmen grosse Wettbewerbsvorteile und die Politik macht sich dabei zum Handlanger dieser Praxis.

  3. Hajo
    Hajo 08/02/2014

    eines, lieber Maik, stört mich an der Petition:
    „3. Die Bußgeldbestimmungen sollen sich nur gegen den Unternehmer richten. ..“
    Das ist IMHO zu kurz gesprungen, denn die Unternehmer sind doch auch nur Opfer, Opfer eines Outsourcing-Wahnes, der vollkommen irrational ist, weil dadurch ledigilich (in vielen Fällen) neue „Institutionen“ gegründet weden, die selbstredend auch ein „Stückchen“ vom Kuchen haben wollen. Der „Kuchen“ hat jedoch nur eine bestimmte Größe, wo also wird das „Stückchen“ abgeschnitten? Sicherlich nicht vom Unternehmer.
    Ich finde es nicht gut, hier ausländische/osteuropäische Firmen quasi in Schutz zu nehmen aber hier muss sich grundsätzlich etwas ändern, auch beim Verbraucher, dessen (von Werbefuzzies eingeredete) Geiz-ist-geil-Mentalität die eigentliche Ursache ist. Ja, ich weiss, es sollte auch von einem Verbraucher (m/w) zu erwarten sein, dass er seinen Verstand benutzt, aber wenn der Druck der Anbieter zu groß ist (die schaukeln sich ja auch noch gegenseitig hoch) ..
    Ich verstehe Deine Absicht und respektiere sie, aber dies hier ist ein gesellschaftliches Problem, welches durch die Veränderung an einer Stelle nicht beseitigt wird.
    Guß
    Hajo

  4. Hajo
    Hajo 08/02/2014

    sorry, Fehler. Es muss heissen: „Sicherlich nicht vom Auftraggeber.“
    ausserdem fehlt da noch ein r
    Gruß
    Hajo

  5. Chris
    Chris 08/02/2014

    Danke Ralf und Hajo, ihr habt schon alles geschrieben. Ich denke mir nur immer, was juckt es die Eiche wenn die Sau sich an ihr reibt?
    Und der Berliner und/oder Brüsseler Mischpoke geht das alles meilenweit am Ar…vorbei!

  6. Ralf
    Ralf 08/02/2014

    Änderung der Bußgeldvorschrift? Selbst wenn dass nicht EU-Recht betrifft, geht es doch nicht mehr darum die Durchführung durchzusetzen.

    Die Actie möchte zwar strengere Kontrollen, jedoch ohne die Fahrer zu belasten. Momentan schont die BAG die Fahrer dadurch, dass sie eben nicht kontrollieren. Würden sie strenger kontrollieren, würde das nur zu lassen der Fahrer gehen.

    Und selbst wenn die Bußgelder geändert werden würden, wir hätten die gleiche Situation wie bei den Lenk- und Arbeitszeiten. Der Fahrer überzieht ja nicht weil er so viel Spaß an der Arbeit hat. Die Unternehmer reden sich aber dadurch raus, indem sie sagen das sie den Fahrer angewiesen haben sich an die geltenden Regeln zu halten.
    Bei den Wochenenden können die Unternehmer sagen das der Fahrer sich ja ein Hotel hätte nehmen können, es ja zutrifft, aber um Geld zu sparen dies nicht getan hat.

    Du wirst nur ein Schriftstück in die Hand bekommen in dem der Fahrer angewiesen wird seine Lenk- oder Arbeitszeit zu überziehen oder da Wochenende im LKW zu verbringen. Aber nur so bekommst du den Unternehmer dran. Ansonsten liegt es in der Verantwortung des Fahrers ob er die Verstöße begeht oder nicht.

    Man könnte höchstens über die EU-Wettbewerbskommission Beschwerde einlegen. Das geht aber nur über die Regierung, wo wir wieder bei der Lobby sind die kein Interesse daran hat etwas zu ändern.

    Momentan sind wir alle in einer Zwickmühle. Die BAG/Polizei kann nur die Fahrer kontrollieren und bestrafen. Die Unternehmen entziehen sich indem sie die Verantwortung auf die Fahrer abwälzen. Oder noch schlimmer, durch Weitergabe der Aufträge an Subunternehmer, die wiederum Subunternehmer beschäftigen, undurchschaubare Netzwerke aufbauen. Selbst wett man den Chef eines Fahrers dran bekommt, ist er meist nur einer der letzten in einer langen Reihe und mit am wenigsten verantwortlich.

    Schau dir die Situation am Bau an. Da herrschen vergleichbare Bedingungen. Auch die Einführung von Mindestlöhnenund verstärkte Kontrollen durch den Zoll haben die Situation kaum spürbar entschärft. Die Unternehmer finden immer wieder neue Schlupflöcher um möglichst billige Arbeitnehmer zu beschäftigen.

    Wir können die Situation in die sich die europäische Wirtschaft in den letzten 20,30 Jahren hineinmanövriert hat nicht mehr ändern. Zumindest nicht in den nächsten 10,20 Jahren.
    Wir müssen also Lösungen finden wie wir mit der Situation umgehen. Überleben wird nicht der, der darauf hofft das sich die Lage seinen Bedürfnissen anpasst. Sondern der, der es schafft sich anzupassen.

  7. Hajo
    Hajo 09/02/2014

    Ralf hat Recht: Strafen/Bußgelder etc. sind nur so gut wie deren Durchsetzung .. und das gegen die „RICHTIGEN“.

    Leider scheitert eine eigentlich logische Forderung – als Verfeinerung des Manifestes der KP – „Trucker aller Länder, vereinigt Euch“ an dem, was bereits Bertold Brecht in der Dreigroschenoper sagt: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“

  8. Birge
    Birge 09/02/2014

    Es gab mal einen Staat, in dem haben sich die Menschen fast 40 Jahre lang einem System angepasst. Doch dann gab es einige Unerschrockene, die sich dem widersetzt hatten 🙂

  9. Brummischubser
    Brummischubser 09/02/2014

    Ja, warum soll ich das unterschreiben? Es bringt ja doch nichts. Warum soll der Unternehmer die Bußgelder alleine tragen? Dem geht es doch genauso dreckig. Fragen über Fragen und deshalb wird eben nicht gezeichnet.

    Was für eine Alternative haben wir denn noch? Weiter abwarten und mit Gottvertrauen in die Zukunft blicken? Oder die Vorschläge unter den Kollegen sammeln und dann nach und nach ausführen, auch wenn sie noch so unsinnig sind?
    Wenn diese Petition nichts bringt, dann ist das eben so. Aber sie bewirkt zumindest eines. Ein Ausschuß beschäftigt sich damit. Das bedeutet, dass das Problem auch in der Politik allgegenwärtig bleibt. Dazu der offene Brief von Udo Skoppeck und die Demos. Ist das nichts? Ich meine, das ist schon mehr als das, was in der Vergangenheit passiert ist.

    Viele Grüße

    Brummischubser, der Hauptpetent

  10. Ralf
    Ralf 09/02/2014

    Wer ernsthaft glaubt mit Petitionen könne man politisch etwas bewegen, möge sich mal dass Video “Bullshit made in Germany“ (https://media.ccc.de/browse/congress/2013/30C3_-_5210_-_de_-_saal_g_-_201312282030_-_bullshit_made_in_germany_-_linus_neumann.html) anschauen. Evt. etwas vorspulen bis zu den Punkt wo es über die Arbeit im Ausschuss geht. Auch wenn man von den Thema um das es in dem Video geht nichts versteht, ist es doch ganz interessant mal zu sehen wie das eine oder andere zu Stande kommt.

    Damit sich der Bundestag überhaupt mit einer Petition beschäftigt, braucht es 50.000 Unterschriften. Dann wird die Petition im Bundestag vorgetragen, der besser darf ein passt Worte dazu sagen und das war es dann auch schon. Selbst wenn man eine Million Unterschriften zusammen bekommt, bedeutet das nicht dass es zu einer politischen Entscheidung kommt. Der Bundestag nimmt es zur Kenntnis und das war es dann in der Regel.

    Wie wird Politik gemacht? Verbände beschäftigen Lobbyisten die den Politikern sagen was gut und schlecht ist. Ein kleiner Lobbyist verdient einen hohen fünfstelligen Betrag im Monat. Gruppe Verbände und Unternehmen beschäftigen (bzw. bezahlen) dutzende Lobbyisten die dementsprechend gut verdienen.
    Bestes Beispiel für solch eine Lobby-Entscheidung war der Atomausstieg. Erst wurde der Ausstieg beschlossen, dann verschoben. Mittlerweile steht der Atomausstieg wieder auf der Kippe.

    Wer politischen Einfluss will, muss Lobbyisten in Berlin und Brüssel beschäftigen. Viele davon. Dann hat man eine Chance etwas zu ändern. Wahlen, Petitionen, Demonstrationen, all das hat keinen bis kaum spürbaren Einfluss auf die Politik.

  11. Brummischubser
    Brummischubser 10/02/2014

    @Ralf

    Vielen Dank für deine Betrachtung über die Sinnlosigkeit jeglicher Aktivitäten. Künftig werde ich mich bei YouTube schlau machen, bevor ich eine Aktion starte oder mich an ihr beteilige. Ich muss gestehen, ich habe diese Wissensquelle vernachlässigt.

    Ich bin die ganze Woche mit dem Lkw unterwegs und weiß jetzt gerade nicht, wie es mir gelingen soll, politischen Einfluß zu bekommen und die Lobbyisten in Berlin und Brüssel zu beschäftigen.
    Ich stelle fest, es wäre besser, einach nichts zu tun. Geradezu erleichtert resultiert daraus für mich der allgemeine Tenor, dass ich wieder zur Normalität zurückkehren sollte. Warten wir also ab.
    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie auch heute noch ab. Diesen Schlußsatz sollte sich jeder Kollege zu eigen machen.

    Viele Grüße

    Brummischubser

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