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Tatort: Messer, Bisse, Blut

Donnerstagabend, kurz nach 23.00 Uhr. Ich stehe auf einem Rasthof bei Brescia in Oberitalien. Draussen sind es noch immer knapp 30 Grad. Schlafen ist bei diesen Temperaturen kaum möglich. So habe ich Zeit, den Tag noch einmal zu überdenken.

Lumezzane ist ein kleiner Ort, oberhalb von Brescia gelegen. Das ganze Dorf hängt an einem Berg und ist von Serpentinen durchzogen. Mit einem Lkw muß man auf die Gegenspur ausweichen, um diese durchfahren zu können. Entgegenkommende Autofahrer bremsen nicht, so das es nur langsam bergab geht.
Hinter mir bildet sich eine Schlange von Pkw und Mofas. Letztere überholen waghalsig, Zeit hat keiner.

Wo Lumezzane endet, beginnt Sarezzo. Ein Unterschied zwischen beiden Orten ist nicht zu erkennen, ausser das die Strasse etwas weniger Gefälle hat.
Meine Ladestelle liegt in Sarezzo, an der Hauptstrasse. Genauer gesagt, rechts in einem Hinterhof. In diesen muß ich rückwärts durch eine enge Tordurchfahrt. Wer Lkw fährt, weiss wie schwierig es ist, mit Hilfe des rechten Spiegels rückwärts zu fahren. Der Winkel verändert sich, man sieht wenig. Wenn es geht, vermeide ich es.

Also fahre ich weiter, um zu drehen. Keine einhundert Meter weiter finde ich eine Möglichkeit. Ein unbefestigter Platz, mit Löchern überseht, bietet sich an. Ich bremse und befahre diesen langsam. Ein Mofa folgt mir und hält einige Meter vor mir.
Der Fahrer – ein Mann – schaut mich an. Die Frau dahinter sagt etwas zu Ihm. Er fährt los und hält links neben meinem Lkw. Ich beachte Ihn zunächst nicht, warum auch.

Nun steigt er ab und geht auf den Lkw zu. Ich verriegel die Tür, dass Fenster lasse ich offen. Der Mann versucht die Tür zu öffnen – ohne Erfolg – und springt auf die Trittstufen. Plötzlich fuchtelt er mit einem Klappmesser vor meinem Gesicht herum. Instinktiv weiche ich zurück, er hüpft wieder auf den Boden.
Ich wäre nicht ich, wenn ich das auf sich beruhen lassen würde. Also steige ich aus und frage – auf deutsch – ob er noch alle Latten am Zaun hat. Oder sowas ähnliches halt.

Was dann kam, erstaunte selbst mich. Er fuchtelte wieder mit seinem Messer herum und seine Begleitung – mittlerweile ebenfalls abgestiegen – bewarf mich mit Ihrem Helm. Dieser verfehlte mich und ich beförderte das Teil mit einem Fußtritt unter den Auflieger.

Nun hielten zwei weitere Pkw. Die Fahrer stiegen aus, einer wollte schlichten. Prompt hatte er den Helm des Mannes im Gesicht. Die Frau begann nun, mit Steinen nach mir und den Lkw zu werfen. Einige verfehlten Ihr Ziel nicht. Eine Beule am Lkw und blaue Flecken an meinem linken Bein und rechten Oberarm waren das Ergebnis.
Ich rief den Zeugen zu, die Polizei zu holen. „No Polizia, no Polizia“ brüllte die Frau, krabbelte unter den Auflieger um den Helm zu holen und sich mit Ihrem Gefährten aus dem Staub zu machen.
Ich hielt Sie fest, Sie verbiss sich laut schreiend in meinem rechten Unterarm. Jetzt wurde es wirklich eklig. Der Mann versuchte mich, mit dem Moped zu überfahren, das Blut aus der Wunde lief meinen Arm hinunter. Dann fuhren Sie weg, ich schrieb mir leicht zitternd die Nummer des Mofas auf.

Zehn Minuten später war die erste Streife da. Die Aussage der Zeugen wurde aufgenommen, ich verstand natürlich kein Wort. Kurz darauf kamen zwei weitere Polizeiwagen. In einem saß die Frau. Kurze Gegenüberstellung, ich bestätigte, dass Sie die richtige ist.

Einer der Polizisten versuchte auf Englisch, mir Fragen zu stellen, was jedoch wenig brachte.
Ich rief meinen Disponenten an, erzählte kurz das bisher vorgefallene und lies mich mit der Englandabteilung verbinden. In einer Art Telefonkonferenz schilderte ich aus meiner Sicht das Vorgefallene.

Dreisig Minuten später fuhr mich eine Streifenbesatzung in ein Krankenhaus. Die Bisswunde wurde desinfiziert und versorgt. Die Ärztin legte mir nahe, mich auf Hepatitis und einige andere Sachen testen zu lassen.
Jetzt habe ich neunzig Tage Zeit, um einen Strafantrag zu stellen. Na ja, werde ich wohl machen.

Was mich ein wenig erschreckt hat, war die Kaltschnäuzigkeit, mit der die beiden auf mich losgegangen sind. Das bissel Zeitverlust war sicher nur der letzte Auslöser für deren Ausraster – der Frust (auf was auch immer) sitzt sicher viel tiefer.

8 Comments

  1. mr.scharlo
    mr.scharlo 28/08/2010

    Wir hier in Europa werden langsam Amerikanische Verhältnisse bekommen.Da wird mal kurz dem Nachbarn das Lebenslicht ausgemacht, nur weil er zu laut war. Alte Menschen für ein paar Kröten dem Schöpfer entgegen gebracht. Waffegewalt auf den Highways und noch einiges mehr.Die Gründe werden immer banaler…aber da die Welt in den letzten 20 Jahren immer Kopfscheuer geworden ist, sollte man sxich nicht wundern.Fernsehen – Werbung – Großkonzerne – Politiker und eine angebliche Großmacht (Die sich alles erlaubt)haben den kleinen Mann auf der Strasse dazu gebracht, langsam auszuticken!!!
    Und es wird noch schlimmer….

    Keep On Truckin`….

  2. Ralf
    Ralf 28/08/2010

    Da ist man einfach nur sprach- und ratlos. mir ist etwas ähnliches passiert, ich wurde ebenfalls mit einem Messer bedroht. Allerdings hatte ich noch rechtzeitig den Rückzug antreten und die Polizei anrufen können. Zudem war es hier in Deutschland, was die Kommunikation nicht so schwierig machte.
    und es war auch nicht das erste mal das mir so etwas passierte. Auch ohne LKW kommt so was vor. Vor mir wollte jemand die Spur wechseln, hatte jedoch weder den Blinker gesetzt noch mich beachtet. Nachdem ich verständlicher Weise Gebrauch von der Hupe machte, tickte der völlig aus. ist ausgestiegen und wollte ne Schlägerei anfangen. Ich hab mich nicht auf so einen Schwachsinn eingelassen, der meinte aber mich zu verfolgen, kurz vor einer Polizeiwache suchte er dann aber doch das Weite.

    Ich frag mich da auch immer was bei solchen Leuten im Kopf vorgeht. Es kommt immer mal vor das man mit dem falschen Bein aufsteht oder einen schlechten Tag hatte. Passiert mir ja auch manchmal. Dann passiert es auch schon mal das gedrängelt, gehupt, gepöbelt oder irgendwelche Handzeichen ausgetauscht werden. Das ist dann aber nach ein paar hundert Metern vergessen, normalerweise sieht man die Leute ja eh nie wieder.

    Viele Menschen können offensichtlich mit dem steigenden Stress im Alltag nicht mehr umgehen. Filme in denen Probleme im Handumdrehen mit etwas Gewalt aus der Welt geschaffen werden und fehlende Erziehung tun dann ihr übriges.

  3. Martin Kälber
    Martin Kälber 28/08/2010

    Hallo Maik,
    also das ist ja echt der Hammer,ich hab Donnerstag in Piacenza gestanden und hatte mal kurz den Gedanke dich anzurufen und mich nach deinem Wohlbefinden zu erkundigen,dachte mir dann aber das du längst in Deutschland bist.
    Man man,dann muss man so ne Eselpisse lesen solche Itaker sollte man am nächsten Olivenbaum zum trocknen aufhängen,unglaublich…
    gute Besserung und verklag die Sau
    Gruss Martin

  4. Wochenende
    Wochenende 28/08/2010

    […] auch andere hatten keine so gute Woche. Maik hat sich in seiner Eigenschaft als Berufkraftfahrer ungewollt in einer Situation wiedergefunden, in […]

  5. sarah
    sarah 28/08/2010

    herrje… wat soll das denn :/

  6. opatios
    opatios 29/08/2010

    Wie übel!
    Ich hab gehört, Bisse vom Menschen sollen besonders bedenklich sein wegen der, äh, vielseitigen Mundflora… gute Besserung Maik, ich hoffe das heilt anständig!

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